Übersichtsarbeiten - OUP 05/2014
Die Rehabilitation nach Beugesehnenverletzungen der Hand
3. Stellung der Schiene
Während der Sehnenheilung darf auf die Sehne kein übermäßiger Zug einwirken, der die Reißfestigkeit der Sehnennaht übersteigt. Auf die Sehne wirkt die größte Zugwirkung und Spannung auf die Sehnennaht bei einer Überstreckung im Handgelenk und voller Fingerstreckung. Diese Stellung muss unbedingt vermieden werden. Diese Stellung hält keine frische Sehnennaht aus. Die optimale Stellung für die Grund- und Interphalangealgelenke ist die Intrinsic-Plus-Stellung. Kann die Intrinsic-Plus-Stellung innerhalb der Schiene mehrfach am Tag eingenommen werden, so entstehen keine Kontrakturen an diesen Gelenken. Zur Entspannung der Sehnen sollte das Handgelenk in etwa 30°–45° Beugestellung eingestellt werden. Wir verwenden folgende Einstellung der Schiene: Handgelenk 30°–45° Flexion, Grundgelenke 60°–45° Flexion, Interphalangealgelenke 0°. Es ist aber auch durchaus möglich, das Handgelenk in 0° Stellung zu fixieren und dafür die Grundgelenke in 90° Beugestellung. Um Kontrakturen an den Interphalangealgelenken zu vermeiden, muss das PIP und DIP bis auf 0° streckbar sein. Bei der noch intraoperativen Anlage der Schiene kann man grob darauf achten, dass zwischen der Unterarmachse und den gestreckten Fingern ein Winkel von 90° besteht, während die Stellung der Mittelhand variabel sein kann.
4. Art und Befestigung der
dynamischen Anteile der Schiene
Die ersten Schienen hatten Gummizügel für die passive Beugung der Finger. Gummiringe oder Gummizügel haben den Nachteil, dass die Zugkraft nicht linear ist, sondern mit steigender Dehnung zunimmt. Je nach Länge der Gummizügel können dann in der maximalen Streckung enorme Kräfte entstehen, die die Streckmuskulatur aufbringen muss. Dies führt dann zur Co-Innervation der Beugemuskulatur, auf die van Alphen [5] bereits 1996 hingewiesen hat. Die gleichzeitige Innervation der Streck- und Beugemuskulatur gefährdet aber die Sehnennaht. Andererseits kann ein Gummi mit der Zeit erschlaffen und keine genügende Spannung der maximalen Beugung erzeugen. Daher sind lange Spiralfedern und Spiralwickelfedern mit einer längeren Strecke linearer Zugkraftverteilung günstiger.
Die Befestigung der Zügel am Fingerendglied ist nach wie vor ein Problem. Die eher früher angewandte Variante mit einer kräftigen Naht durch den Fingernagel und das Nagelbett ist zwar sehr stabil, stört aber viele Patienten und meist auch das Empfinden von Mikrochirurgen. Klebebefestigungen mit Pflaster oder Sekundenkleber an der Nagelplatte können sich jederzeit lösen. Eine ideale Befestigung ist noch nicht gefunden.
Auch die Ausrichtung der Zugrichtung ist wichtig. Die Finger beugen sich physiologischerweise nicht parallel, sondern zielen bei der Beugung auf eine Region im Bereich des Kahnbeins. Dies sollte bei der Ausrichtung der Zügel beachtet werden.
5. Spannung der Zügel
Um den Finger ganz beugen und voll strecken zu können, brauchen die Gummizügel oder die Federn eine gewisse Länge linearer Kraftwirkung. Die Kraft sollte so stark sein, dass der Finger voll gebeugt wird. Die Kraft muss aber auch so gering sein, dass bei der Streckung keine Co-Innervation der Beugemuskulatur auftritt. Aus den Erfahrungen und Messungen von Hintringer [6] ist eine Kraft von etwa 70 N ideal. Häufig wird aber zur vollen Beugung beim geschwollenen Finger eine leicht höhere Kraft benötigt. Die vorgefertigte OPED VACOhandflex-Schiene kann stufenlos, aber ohne Anzeige zwischen 70 N und 130 N eingestellt werden.
6. Umlenkrolle in der Hohlhand
Damit auch das Endgelenk bei den Übungen nicht vernachlässigt wird, haben Slattery und McGrouther 1984 eine Umlenkrolle des Zügels in der Hohlhand empfohlen [7]. Dadurch wird bei der passiven Beugung das Fingerendglied wie beim Faustschluss in die Hohlhand gezogen und nicht nur in Richtung Unterarm. Die Umlenkrolle sollte dabei so angebracht werden, dass die Fingerspitzen in Richtung auf die distale Hohlhandquerfuche gezogen werden können.
Wenn der Daumen betroffen ist, werden eine Umlenkrolle und eine Zügelung in komplett anderer Richtung benötigt. Der opponierte Daumen beugt sich in Richtung auf das Kleinfingergrundgelenk. Hier sollte auch etwa die Umlenkrolle für die Zügelung liegen.
7. Art und Häufigkeit der Übungen
In der klassischen Version werden die Übungen – also eine volle aktive Streckung der Finger bis zur Begrenzung durch die Schiene und eine passive Beugung der Finger durch die Gummizügel oder Federn jeweils 5–10-mal in der Stunde durchgeführt. Die einzelnen Position der Finger sollten jeweils etwa 3–5 Sekunden gehalten werden. Nachts werden die Übungen ausgesetzt. Wichtig bei diesen Übungen ist, dass der Bewegungsspielraum der Gelenke innerhalb der Schiene maximal ausgenutzt wird [8, 9]. Die End- und Mittelgelenke der Finger müssen bei diesen Übungen bis auf 0° gestreckt werden können, die Grundgelenke je nach Schieneneinstellung bis auf etwa 45° Beugestellung. Wichtiger ist bei den Grundgelenken entsprechend der Biomechanik der Gelenke die Beugung bis auf 80° oder 90°, da dann die Kollateralbänder maximal gespannt werden. Bei der Beugung der Interphalangealgelenke der Finger sollte ebenfalls eine maximale Beugung erreicht werden. Wenn die Gummizügel oder Federn dies nicht schaffen, darf durchaus mit den Fingern der anderen Hand nachgedrückt werden [10].
8. Anzahl der gezügelten Finger
Hier gibt es Kontroversen bezüglich der Anzahl der gezügelten Finger. Einige Autoren zügeln nur den betroffen Finger, einige Autoren empfehlen grundsätzlich eine Zügelung aller Finger [11]. Da die initiale und Hauptbeugung der Finger durch die tiefen Beugesehnen erfolgt und die oberflächlichen Beugesehnen nur bei großer Kraftanstrengung zugeschaltet werden, sind die tiefen Beugesehnen die entscheidenden Sehnen für die Rehabilitation. Da die tiefen Beugesehnen des Kleinfingers, des Ringfingers und des Mittelfingers eine gemeinsame Sehne und einen zusammenhängenden Muskel am Unterarm besitzen, wird beispielsweise die Beugung des Ringfingers ausgebremst, wenn Mittelfinger und Kleinfinger gestreckt bleiben. Dadurch wird der Bewegungsausschlag der Beugesehne des Ringfingers geringer und es besteht eine erhöhte Adhäsionsgefahr. Aus diesem Grund empfehlen viele Autoren und auch wir die Zügelung von mehreren Fingern. Die Regel, dass die beiden benachbarten Finger mit gezügelt werden sollten, ist ein guter und leicht verständlicher Kompromiss. Der Zeigefinger ist dagegen von der Muskulatur und den Sehnen her relativ eigenständig und kann ohne größere Bedenken auch einmal allein gezügelt werden. Dies gilt natürlich auch für den Daumen.