Übersichtsarbeiten - OUP 05/2014

Die Rehabilitation nach Beugesehnenverletzungen der Hand

9. Beginn der Übungstherapie

Aus histologischen und biomechanischen Untersuchungen ist bekannt, dass ein früher Übungsbeginn vorteilhaft ist, d.h. ab dem 1.–3. Tag nach der Operation. Verklebungen der Sehnen werden vermindert, da durch die Bewegungen einwachsende Blutgefäße (extrinsische Sehnenheilung) zerrissen werden und die intrinsische Sehnenheilung dadurch gefördert wird. Außerdem wird durch eine frühe Übungsbehandlung durch die Ausrichtung und vermehrte Bildung des Kollagens eine höhere biomechanische Stabilität erreicht [12, 13, 14, 15]. Daher sollte so früh wie möglich mit der Bewegungstherapie begonnen werden.

10. Dauer der Übungsbehandlung

Die passive Übungsbehandlung kann beendet und mit aktiven Übungen begonnen werden, wenn die Sehnennaht ausreichend stabil geworden ist. Die Sehnenheilung ist aber ein komplizierter Prozess, der zeitweise auch eine Erweichung der Sehne beinhaltet. Die Primärstabilität einer modernen Sehnennaht, die je nach Nahttechnik und Nahtmaterial grob umgerechnet etwa 3 kg aushält, sinkt nach einer Woche auf etwa 1–1,5 kg. Erst danach kommt es durch den Heilungsprozess zunächst langsam, dann ab der 3. Woche zu einem schnelleren Anstieg der Festigkeit der genähten Sehne. Aber erst nach etwa 6 Wochen ist der Wert der Primärstabilität (ca. 3 kg) wieder erreicht. Die Sehnennaht ist für eine Vollbelastung nach etwa 12 Wochen geeignet, wobei etwa 70–80 % der ursprünglichen Stabilität gemeint sind. Aus diesen Gründen wird die passive Übungsbehandlung bei der klassischen Nachbehandlung über einen Zeitraum von 6 Wochen konsequent durchgeführt. In vielen Kliniken werden die Stellung des Handgelenks und der Grundgelenke nach 3 Wochen geändert, die Zügelung zur passiven Beugung der Finger bleibt aber für 6 Wochen bestehen.

Nach Abnahme der Zügelung und der Schiene werden physiotherapeutische Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit der Finger durchgeführt

11. Korrelierte und entkorrelierte
Bewegungen der Fingerbeugesehnen

Wird der Finger insgesamt gleichmäßig gestreckt und gebeugt, liegen die oberflächliche und tiefe Beugesehne immer auf gleicher Höhe nebeneinander und können nach einer Verletzung durch den Heilungsprozess mit Abbau des Blutergusses und sonstiger Umbauvorgänge sehr leicht miteinander verkleben. Dies führt zu Bewegungseinschränkungen, die vermeidbar gewesen wären. Um diese Seit-zu–Seit-Verklebungen der Beugesehnen untereinander zu verhindern, muss bei den passiven Übungsbehandlungen darauf geachtet werden, dass die Sehnen nicht parallel miteinander (korreliert), sondern auch gegeneinander oder nur einzeln bewegt werden. Dies kann erreicht werden, wenn in einer möglichen fixierten Position des Mittelgelenks isoliert nur das Endgelenk bewegt wird (tiefe Beugesehne bewegt sich gegen die fixierte oberflächliche Beugesehne) oder wenn bei fixierter Stellung des Endgelenks nur das Mittelgelenk bewegt wird (oberflächliche Beugesehne bewegt sich gegen die tiefe Beugesehne). Auch reziproke Bewegungen der Mittel- und Endgelenke (gleichzeitige Beugung des Endgelenks und Streckung des Mittelgelenks und umgekehrt) können Verwachsungen der Sehnen untereinander verhindern.

12. Bewegung des Handgelenks
während der Übungsphase

In den letzten Jahren hat sich immer mehr gezeigt, dass eine frühzeitige Beübung des Handgelenks positive Effekte hat. Während die reine passive Beugung der Finger durch Zug an der Fingerspitze mehr oder weniger zu einem „Schieben“ der distalen Beugesehnenabschnitte nach proximal führt, bewirkt die Extension des Handgelenks bei gebeugten Fingern über den Tenodeseeffekt palmar des Karpus einen kontrollierten passiven Zug am proximalen Abschnitt der Beugesehne und der Nahtregion. Daher wird nicht nur der distale Abschnitt, sondern auch der proximale Abschnitt der Beugesehne mobilisiert. Dies war in der Vergangenheit nur möglich, wenn die Hand aus der mühsam angelegten Schiene herausgenommen und anschließend wieder eingepackt wurde. Heute können thermoplastische Schienen mit gelenkartigen Verbindungen im Handgelenkbereich hergestellt werden. Auch die OPED VACOhandflex-Schiene hat ein Gelenk auf Handgelenkhöhe, das für die Mobilisation des Handgelenks innerhalb der Schiene genutzt werden kann.

13. Allgemeine Verhaltensregeln und handtherapeutische Maßnahmen

Grundsätzlich sollte der Patient die Hand so oft wie möglich hochhalten und hochlagern.

Beübung von Ellenbogen und Schultern

Lymphdrainage

Ausreichende Schmerztherapie

Nach der Entfernung des Hautnahtmaterials Narbenbehandlung

Information und Beachtung eventueller Ringbandrekonstruktionen

14. Verschiedene
Behandlungsprogramme

  • a) Controlled active motion Programm nach Kleinert (1967, 1975) [4]. Entspricht etwa dem oben angeführten Protokoll
  • b) Controlled passive motion Programm nach Duran und Houser (1975) [16]. Handgelenk in 20°–30° Flexion, Grundgelenke in 40°–50° Flexion, Finger werden durch Gummizügel in Beugestellung gehalten. Übungen 8–10-mal pro wacher Stunde: Isolierte passive Übungen des DIP und isolierte passive Übungen des PIP, gemeinsame passive Übungen des betroffenen Fingers. Ab der 4. Woche Ersatz der Schiene durch eine Handgelenkbandage mit Zügelung und aktiven Übungen wie bei Kleinert.
  • c) Controlled passive motion Programm nach Cannon (1986) [17]. Modifiziertes Programm nach Duran-Houser. Nachts und während der Übungen werden die Zügelungen entfernt. Nachts werden die Finger in voller Streckung an die Schiene gewickelt. Nach 3 Wochen leichte aktive Flexion innerhalb der Schiene und „Place-and-hold“-Übungen in Intrinsic-minus-Stellung nach 3,5 Wochen.
  • d) Controlled active and passive motion Programm nach Chow („Washington-Regime“) 1988 [18, 19]. Dies ist eine Kombination des Kleinert- und des Duran-Houser-Programms, wobei folgende Besonderheiten bestehen: An den gezügelten Fingern sind 2 Gummibänder befestigt. Ein stärkeres zur Flexion der Finger und ein lockeres für die Übungsbehandlungen. Intensives, von Woche zu Woche sich änderndes aktives und passives Behandlungsprogramm. Schienenentfernung durch den Handtherapeuten während der passiven Übungen.
  • e) Behandlungsprogramm nach May, Silfverskiöld und Sollerman (1992) („Vier-Finger-Methode“). Das Handgelenk in 30°–45° Flexion, die Grundgelenke in 50°–70° Flexion. Schiene nur bis zu den PIP-Gelenken. Alle 4 Finger werden in die Zügelung mit einbezogen. Nachts wird eine palmare Sandwich-Schiene angewickelt, die die Finger in Streckstellung hält. Aktive Flexion der Finger beginnt nach 4 Wochen.
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