Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022
Endoprothetik des OSG – ein Update
Stefan Rehart, Leon Schubert, Miša Valo
Zusammenfassung:
Die endoprothetische Versorgung des oberen Sprunggelenkes hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, obwohl viele Orthopäden und Unfallchirurgen mit fußchirurgischem Schwerpunkt die Sprunggelenkversteifung tendenziell bevorzugen. Zu konstatieren bleibt die insgesamt geringe Zahl an OSG-TEP-Versorgungen in Deutschland, die ca. bei 2000 im Jahr liegen dürfte. Untersuchungen zu den erst seit ca. 30 Jahren vermehrt eingebrachten modernen 3-Komponenten-Prothesen können mittlerweile zumindest im mittelfristigen 5-Jahres-Nachbeobachtungszeitraum vielversprechende Ergebnisse mit Standzeiten von 80–90 % vorweisen. Für die Implantation einer Sprunggelenkendoprothese qualifizieren offensichtlich Patienten mit rheumatischen Grunderkrankungen besonders. Spekulativ sind dafür der polyarthritische Befall und die schonende „Nutzung“ bei den Aktivitäten des täglichen Lebens ursächlich. Studien verschiedener Autoren mit Langzeitergebnissen zu dieser Form der endoprothetischen Versorgung bei allen Indikationen stehen jedoch noch aus. Es bedarf höherer nachuntersuchter Fallzahlen und noch mehr Zeit in den Kohorten, um eine Aussagekraft zu erzielen, die derjenigen an Hüft- und Kniegelenken auch nur annähernd nahekommen kann.
Schlüsselwörter:
Sprunggelenkendoprothese, Sprunggelenkdestruktion
Zitierweise:
Rehart S, Schubert L, Valo M: Endoprothetik des OSG – ein Update.
OUP 2022; 11: 18–22
DOI 10.53180/oup.2022.0018-0022
Summary: Although the ankle arthroplasty surgery became more important in recent years, numerous foot and ankle-surgeons favour the arthrodesis. Altogether approximately 2000 such endoprosthetic implantations can be stated in Germany per year. Thereby the medium-term survival-rates of the current 3-component-prostheses range between 80 to 90 %. Particularly patients with rheumatoid arthritis seem to qualify for ankle arthroplasty, probably because of their polyarthritic affection and low-demand-use postoperatively. Nevertheless long-term-results concerning all indications are still lacking. To achieve more information, time and a higher number of cases are needed to gain findings nearly as close to those of hip- and knee arthroplasty.
Keywords: Total ankle arthoplasty, ankle destruction
Citation: Rehart S, Schubert L, Valo M: Total ankle arthroplasty – an update.
OUP 2022; 12: 18– 22.
DOI 10.53180/oup.2022.0018-0022
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Agaplesion Markus Krankenhaus, Frankfurt am Main
Einleitung
Die symptomatische Sprunggelenkarthrose betrifft etwa 1 % der Bevölkerung und führt zu einer physischen und mentalen Beeinträchtigung, die der einer Coxarthrose gleich gesetzt werden kann [9].
Nur bei einem geringen Anteil der Patienten (ca. 7 %) mit einem Sprunggelenkersatz ist jedoch eine primäre Arthrose ursächlich. In ungefähr 2 Drittel der Fälle liegt eine posttraumatische, sekundäre Arthrose aufgrund einer Sprunggelenkfraktur (Abb. 1) oder infolge einer chronischen Bandinstabilität vor. In ca. 10 % der Fälle ist eine entzündliche rheumatische Grunderkrankung als Ursache präsent (Abb. 2). Weitere Indikationen bestehen in septischen, bakteriellen Arthritiden, resp. in Gichtarthropathien oder Osteonekrosen (dann meist an der medialen Talusschulter) [6].
Die endoprothetische Versorgung des oberen Sprunggelenkes wird im Vergleich zur Prothesen-Versorgung der großen Gelenke deutlich seltener durchgeführt. Die Inzidenz der Sprunggelenkarthrose beträgt 2000 Fälle pro 100.000 Personen – damit treten Knie- und Hüftgelenksarthrosen etwa achtmal häufiger in der Bevölkerung auf [5]. Obwohl nach der gegebenen Studienlage die TEP-Versorgung des Sprunggelenkes bzgl. der Ergebnisse als mindestens gleichwertig mit der Arthrodese erachtet werden kann, wählen Operateure fünfmal häufiger eine Versteifungsoperation zur endgültigen Versorgung. Das gilt sogar auch dann, wenn es mit einer Sprunggelenkprothese wahrscheinlich möglich gewesen wäre, die ursprüngliche Restmobilität des Gelenkes zu erhalten. Darüber hinaus bietet die Sprunggelenkprothese gegenüber der Versteifung den Vorteil einer nahezu physiologischen Kraftverteilung auf die übrigen Fußgelenke. Betroffene, welche mit einer Arthrodese versorgt wurden, haben zwar anschließend ein höheres Aktivitätslevel, entwickeln aber Anschlussarthrosen der benachbarten Gelenke, die nach 22 Jahren bei 100 % der Patienten anzutreffen sind [4]. Grundsätzlich ist es bei der Implantation wichtig, die ligamentäre Führung des Gelenkes zu erhalten und nur einen möglichst minimalen Weichteilschaden zu verursachen. Darüber hinaus ist eine knochensparende Resektion der Gelenkflächen empfehlenswert, um spätere operative Revisionen zu erleichtern. Die Revisionsraten der Sprunggelenkprothesen der dritten Generation liegen heute mit 5–15 % in einem gegenüber früher deutlich akzeptableren Bereich [19].
Langzeitstudien mit großen Fallzahlen stehen jedoch noch aus. Moderne Prothesen der dritten Generation zeigen eine Fünf-Jahres-Standzeit von 85–90 % und (die wenigen existenten) eine Zehn-Jahres-Standzeit von 70–80 % und stellen damit eine echte Alternative zur Versteifung dar [20].
Historie und
Weiterentwicklung
Der Grundstein der Sprunggelenkendoprothetik wurde in den 1970er Jahren gelegt - angetrieben vom Erfolg der endoprothetischen Versorgung von Hüft- und Kniegelenken – zunächst noch mit zementierten 2-Komponenten-Prothesen. Diese wurden je nach Form der artikulierenden Prothesenflächen in kongruente und nicht-kongruente Prothesen unterteilt. Beim kongruenten Gelenkersatz war der tibiale Gelenkpartner überwiegend konkav und die Taluskomponente konvex. Diese ermöglichten eine gute Beweglichkeit in einer Ebene (Sagittalebene). Da in dem gesamten Bereich physiologische Bewegungen jedoch in allen 3 Ebenen möglich sind, verwundern die hohen Lockerungsraten der zementierten Versionen von damals nicht.
Über ein inkongruentes Prothesendesign wurde eine verbesserte Beweglichkeit erreicht, die auch eine rotatorische Bewegungskomponente zuließ. Insgesamt führte jedoch die kleine Kontaktfläche (Prothesen-Knochen-Interface) zu einem hohen lokalen Stress und in der Folge zu Instabilitäten mit Prothesenlockerungen [15]. Vor allem an der tibialen Komponente wurden aseptische Lockerungen gehäuft beobachtet, mit Revisionsraten von 20–40 % [11]. Diese „schlechten“ Resultate begründeten wahrscheinlich vor allem die bis heute andauernde grundsätzliche Reserviertheit gegenüber der Endoprothetik am oberen Sprunggelenk.