Übersichtsarbeiten - OUP 01/2022
Endoprothetik des OSG – ein Update
Nach dem Vorbild der Knie-Endoprothetik wurden dann die Prothesen der zweiten und dritten Generation entwickelt, die aus 3 Komponenten bestanden (tibiale und talare Metallkomponente mit einem dazwischenliegenden Polyethylen-Inlay). Hierbei wurde der Roll-Gleit-Mechanismus analog des Kniegelenkes imitiert. Die sogenannten Prothesen der zweiten Generation zeichneten sich durch einen fixierten Polyethylen-Gleitkern (fixed bearing) aus. Statt einer zementierten Verankerung im Knochen wurde dann zunehmend eine zementfreie Versorgung angestrebt [13], mit einer „press-fit“ Verankerung der Implantate. Bei den heute üblichen, modernen 3-Komponenten-Prothesen befindet sich ein sich frei beweglicher Polyethylen-Gleitkern (mobile bearing) zwischen der flachen Tibiakomponente und der nahezu anatomisch geformten Taluskappe (Abb. 3). Durch die weitgehend freie Verschieblichkeit des Polyethylen-Gleitkerns werden Scherkräfte auf die Implantat-Knochen-Grenze minimiert, ohne das Ausmaß der Gelenkbeweglichkeit zu verringern [10]. Dadurch kann ein nahezu normales Bewegungsausmaß des Sprunggelenkes in der Sagittal-(Plantarflexion/Dorsalextension) und Frontalebene (Inversion/Eversion) erhalten werden [3].
Indikation und
Kontraindikation
Insgesamt zeigt sich, dass die Indikation zur endoprothetischen Versorgung des Sprunggelenkes immer häufiger gestellt wird, was sich auch in einer Zunahme der Anzahl der Veröffentlichungen widerspiegelt, die sich mit dieser Thematik befassen [8]. Ungefähr 2000 Sprunggelenkprothesen werden jährlich in Deutschland implantiert. Verschiedene Studien belegen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Expertise des Operateurs und seines Teams (Anzahl der Implantationen) mit den postoperativen Resultaten, weshalb diese Eingriffe spezialisierten Zentren überlassen werden sollten.
Vor allem zu Beginn der fußchirurgischen Tätigkeit im Sinne der Implantation von Sprunggelenkprothesen („learning curve“) sind Komplikationen häufig (auch der insgesamt geringen Anzahl solcher Operationen geschuldet). In vielen Fällen treten Frakturen des Innen- oder Außenknöchels und Sehnenverletzungen auf [18]. Vor allem das schwierige „Weichteilbalancing“ stellt sich erst mit zunehmender Erfahrung des Operateurs ein. Besonders wichtig ist es deshalb, ein leicht handzuhabendes Instrumentarium, das wenig fehleranfällig ist, nutzen zu können [1].
Die Indikationsstellung bleibt bei jedem Patienten eine Einzelfallentscheidung, bei welcher dieser einbezogen werden muss. Dessen Compliance spielt eine wichtige Rolle. So empfiehlt es sich beispielsweise nicht, nach der Implantation einer Sprunggelenkprothese Kontakt- oder extensive Laufsportarten auszuführen. Sowohl bei der Sprunggelenkfusion als auch bei der -endoprothesenversorgung handelt es sich für den Patienten um ein einschneidendes Ereignis und es bleibt anzuraten, die konservative Therapie zuvor auszureizen. Vor allem jüngere Betroffene sind nach einer TEP-Implantation darüber aufzuklären, dass im Laufe der Zeit weitere Eingriffe (aufwendige Arthrodesen oder Revisionsprothesen) wahrscheinlich sind. Vorteilhaft für eine TEP-Versorgung sind die meist mögliche direkte Vollbelastung in einem Stiefel, während die Arthrodesenpatienten nach einer Entlastungsphase über eine Teilbelastung vielfach über 12 Wochen zur finalen Vollbelastung gebracht werden müssen. Gelegentlich müssen dann noch Schuhzurichtungen für das akzeptable Gangbild eingeplant werden.
Die Indikation für die Implantation einer Sprunggelenkprothese kann bei endgradiger Zerstörung des oberen Sprunggelenkes gestellt werden (Arthrosestadium III–IV nach Kellgren-Lawrence bzw. Rheuma-Destruktionsstadium IV–V nach Larsen-Dale-Eek). Ein intakter stabiler Bandapparat sowie ein ausreichend gutes Knochenlager sind Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Operationsergebnis. Eine möglichst anatomiegerechte Rückfußachse, bzw. ggf. die zeitgleiche Korrektur der Rückfußachse sind für die langfristige Prognose (Prothesenstandzeit) förderlich.
Es ist zu erwarten, dass die Indikation zum Sprunggelenkersatz zukünftig großzügiger gestellt werden kann, da zunehmend alternative Verfahren nach Implantatversagen entwickelt werden. Jedoch verfügen lange nicht alle Hersteller über Revisionsmodelle. Ein großes Problem stellen grundsätzlich Knochendefekte dar, vor allem am Talus. Nur, wenn dieser noch zu mehr als Dreiviertel erhalten ist, empfehlen z.B. Espinosa et al. den Wechsel auf eine Revisionsprothese [7]. Sonst bleibt nur die Versteifung als ultima ratio. Bei größeren Knochendefekten ist es möglich, diese mit einem Beckenkammspan oder einem allogenen Knochen (z.B. aus einer Hüftkopfspende) aufzufüllen. Thomason et al. beschreiben eine Technik, mit der eine stabile Arthrodese durch Anlagerung von Knochenmaterial erreicht werden kann [21].
Pseudarthroseraten nach Versteifungsoperation bei vorangegangener TEP-Versorgung am Sprunggelenk sind bei 6–40 % der Patienten beschrieben.
In einer Studie von Lampert (n = 3 Patienten) wurde die Hintegra-Prothese mit einem kompletten Talusersatz kombiniert [14]. Ein Jahr nach Implantation sind die Patienten beschwerdefrei. Die Ergebnisse der darauffolgenden Kontrolluntersuchungen stehen noch aus. Es zeigt sich aber, dass in Zukunft Patienten mit OSG-TEP-Lockerungen nicht in jedem Fall zwingend eine Versteifungsoperation benötigen.
Zu den Kontraindikationen von Sprunggelenkprothesenoperationen zählen u.a. floride Infektionen, große Talusdefekte oder -nekrosen (die eine feste Verankerung der Prothese verhindern), eine fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit, exzessiver Nikotinkonsum, ausgeprägte Bandinstabilitäten oder Achsabweichungen sowie die Charcot-Arthropathie.
Komplikationen
Bei einem Vergleich der Komplikationsrate von OSG-Prothesen versus entsprechenden Arthrodesen fiel eine erhöhte Komplikationsrate der Fusionseingriffe auf [16]. Zu den Häufigsten gehört eine verzögerte Wundheilung, gefolgt von intraoperativen Frakturen und Infektionen [2]. Postoperative Wundheilungsstörungen kommen jedoch bei allen orthopädisch/traumatologischen Eingriffen an der unteren Extremität gehäuft vor. Grund dafür ist u.a. die verminderte Durchblutung im Vergleich zu der oberen Extremität.
Revisions-Operationen sind am häufigsten durch eine aseptische TEP-Lockerung bedingt. Weitere Gründe für Revisionseingriffe sind technische Fehler bei der Implantation, chronische Schmerzen und eine septische Lockerung [17].
Sprunggelenkprothesen bei Valgus-/Varusfehlstellungen
Viele Patienten, bei denen eine Sprunggelenkendoprothese implantiert werden soll, haben eine Valgus- oder Varusdeformität. Diese muss ggf. intraoperativ adressiert werden, um möglichst ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erhalten. Erfolgt dies nicht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer aseptischen Lockerung aufgrund der asymmetrischen Inlaybelastung und des damit einhergehenden vermehrten PE-Abriebs.