Übersichtsarbeiten - OUP 04/2022

Ergebnisse der Fasciotomie bei Patienten mit einem funktionellen Kompartment-Syndrom der Tibialis-anterior-Loge

Jörg Jerosch, Ahmed El-Tayar

Fragestellung:
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Technik und die klinischen Ergebnisse nach Fasziotomie der Tibialis-anterior-Loge bei Patienten mit einem funktionellen Kompartment-Syndrom darzustellen.
Material und Methodik:
In der Zeit von Juli 1999 bis Dezember 2019 stellten sich 89 Patienten mit der Diagnose eines funktionellen Kompartment-Syndroms des Unterschenkels in unserer Ambulanz vor. Nach der Diagnosesicherung mittels intracompartmenteller Druckmessung erfolgte eine operative Faszienspaltung.
Ergebnisse:
Mit einer konventionellen Fasziotomie behandelten wir 23 Patienten. Alle Patienten konnten leichten Sport nach 3 Wochen wieder aufnehmen. Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung waren 19 dieser 23 Patienten mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Minimal invasiv behandelten wir 66 Patienten. Auch die Patienten in dieser Gruppe konnten alle leichten Sport wieder nach 3 Wochen aufnehmen. Zum Zeitpunkt der Nachtuntersuchung waren 60 der 66 Patienten in dieser Gruppe sehr zufrieden und zeigten keine Symptome mehr.
Klinische Relevanz:
Eine wichtige Differentialdiagnose des Unterschenkelschmerzes des Sportlers ist das funktionelle Kompartment-Syndrom. Für die Diagnose beweisend ist die intrakompartmentale Druckmessung. Die Faziotomie in konventioneller oder minimal invasiver Technik hat bei richtiger Diagnose eine hohe Erfolgsaussicht.

Schlüsselwörter:
Tibialis-anterior-Loge, funktionelles Kompartment-Syndrom, Diagnostik, Fasziotomie

Zitierweise:
Jerosch J, El-Tayar A: Ergebnisse der Fasziotomie bei Patienten mit einem funktionellen Kompartment-Syndrom der Tibialis-anterior-Loge.
OUP 2022; 11: 164–168; DOI 10.53180/oup.2022.0164-0168

Purpose: The purpose of this study is to present the technique as well as the clinical results of fasciotomy in patients with a chronic compartment syndrome of the anterior tibial compartment.
Material and methods: Between july 1999 and december 2019 we had 89 patients with the diagnosis of a functional compartment of the anterior tibial compartment at our institution. After confirming the diagnosis by intracompartmental pressure measurement the patients underwent a release of the fascie.
Results: 23 patients were treated by conventionel fascietomy. All patients were able to return to light activities within 3 weeks. Nineteen out of these 23 patients were very satisfied with the results. Sixty-six patients had a minimal invasive procedure. This group was also able to return within 3 weeks to light activities. Sixty out of 66 patients were very satisfied with the procedure.
Clinical relevance: the functional compartment syndrome is an important differential diagnosis in patients with pain at the calf. The intracompartmental pressure measurement is essential for the diagnosis. A fasciotomy either in the conventional or the minimal invasive technique has a high success rate.

Keywords: anterior tibial compartment, functional compartment syndrom, diagnostic, fasciotomy

Citation: Jerosch J, El-Tayar A: Results of fasciotomy in patients with an functional compartment syndrome oft the anterior tibial compartment. OUP 2022; 11: 164–168; DOI 10.53180/oup.2022.0164-0168

Jörg Jerosch: Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna Etienne Krankenhaus, Neuss

Ahmed El-Tayar: Department of Orthopedic Surgery and Trauma, Suez Canal University Hospitals, Ismailia, Egypt

Einleitung

Das Kompartment-Syndrom beschreibt bekanntermaßen einen Zustand, bei dem ein erhöhter Gewebedruck innerhalb eines geschlossenen osteofibrösen Raumes zu Störungen der Mikrozirkulation führt und schließlich in neuromuskulären Funktionsstörungen endet [2–5, 11[Formel: –]13, 19–21, 23, 31] Als zuverlässigste Methode zur Dokumentation eines Kompartment-Syndroms gilt die intrakompartmentale Druckmessung.

Das funktionelle Kompartment-Syndrom wurde erstmalig 1956 von Mavor [22] in der medizinischen Literatur erwähnt. Frühere Beschreibungen des klinischen Bildes stammen von Vogt [32], wohingegen die ersten klinischen Beschreibungen des funktionellen Kompartment-Syndroms in der Tibialis-anterior-Loge von Wilson während Scott‘s Südpol-Expedition im Jahre 1912 stammen [9]. Beim traumatischen Kompartment-Syndrom vermag bereits die einmalige intrakompartmentale Druckmessung die Diagnose zu sichern. Die Diagnosestellung des funktionellen Kompartment-Syndromes erfordert jedoch unter Zuhilfenahme der intrakompartmentalen Druckmessung die Durchführung eines vorgegebenen Belastungsprovokationstests, da hier die Ursachen der Beschwerden durch vermehrte Muskelarbeit gegeben sind.

Im Zuge der zunehmenden sportlichen Freizeitgestaltung scheint das funktionelle Kompartment-Syndrom eine wachsende klinische Relevanz zu erlangen: Manche Autoren vertreten die Ansicht, dass bei Sportlern bis zu 9,5 % aller körperlichen Beschwerden und bis zu 60 % aller Unterschenkelbeschwerden in einem funktionellen Kompartment-Syndrom zu suchen sind [26]. Nach Renemann ist das klinische Bild durch belastungsinduzierten Schmerz, Schwellung und gestörte Muskelfunktion gekennzeichnet [27].

Die Aussagen in der Literatur über Diagnostik, Dokumentation und Ätiologie sind recht uneinheitlich, obwohl dieses Phänomen schon länger bekannt ist und es offensichtlich auch im klinischen Bereich ein Problem darstellt. Bereits zur Methodik der intrakompartmentalen Druckmessung gibt es zahlreiche Empfehlungen: Die Druckmessung kann in Ruhe, während oder nach einer Übung vorgenommen werden [6, 8, 14–16, 27, 28 33].

Die zurzeit allgemein geltende therapeutische Richtlinie besteht in der operativen Faszienspaltung [6, 7, 20, 21, 24, 25, 29, 33, 34].

Ziel der vorliegenden Studie war es, die Technik und die klinischen Ergebnisse nach Fasziotomie der Tibialis-anterior-Loge bei Patienten mit einem funktionellen Kompartment-Syndrom darzustellen.

Material und Methoden

In der Zeit von Juli 1999 bis Dezember 2019 stellten sich 89 Patienten mit der Diagnose eines funktionellen Kompartment-Syndroms des Unterschenkels in unserer Ambulanz vor. Die typische Anamnese zeigte einen Belastungsschmerz mit deutlicher Besserung durch eine Trainingspause; in ca. 60 % fand sich ein bilaterales Auftreten. Ganz besonders typisch war die Schmerzlokalisation (Abb. 1). Dieses ist zu differenzieren vom Schmerz bei einem Nervenentrapment des N.peronaeus superficialis (Abb. 2).

Die klinische Untersuchung zeigte bei den meisten Patienten eine Muskelverhärtung unterschiedlichen Ausmaßes sowie einen Dehnungsschmerz. Klinisch relevante Faszienlücken fanden sich nur bei 8 Patienten. Eine Kompression des N.peronaeus superficialis muss beim Vorliegen von Faszienlücken immer bedacht werden (Abb. 3). Echte motorische oder sensible Ausfälle fanden sich in unserem Untersuchungsgut nicht.

Zur Diagnosesicherung wurden bei allen Patienten Röntgennativ-Aufnahmen, Szintigraphien sowie Kernspintomographien nach Belastung und mit Kontrastmittel durchgeführt. Weiterhin wurde bei allen der venöse Gefäßstatus abgeklärt. Bei 5 Patienten wurde eine funktionelle MR-Angiographie zum Ausschluss eines poplitealen Gefäßentrapments durchgeführt. Erst nach Ausschluss anderer Ursachen (Tab. 1) wurde zur weiteren Abklärung die invasive Kompartmentdruckmesseung durchgeführt.

Hierzu wurde das Stryker Kompartment-Druck-Messsystem verwendet (Abb. 4). Die Druckmesssonde des Kompartmentmesssystems wurde dazu ohne oder nach vorheriger Lokalanästhesie (Bupivacain 1,5 ml) auf halber Höhe zwischen Kniegelenkspalt und Malleolus lateralis in das Tibialis-anterior Kompartment plaziert. Dabei wurde die Nadel zunächst in einem Winkel von etwa 40° in die Haut eingestochen und nach Durchstoßen der Fascia cruris in einem Winkel von ca. 20° kranialwärts in den Muskel vorgeschoben. Bei korrekter Lage der Sondenspitze kommt es sowohl bei digitalem externen Druck auf das Kompartment als auch bei aktiver Muskelkontraktion des Probanden zur reversiblen Druckerhöhung.

Die Belastung zum Nachweis oder Ausschluss eines Kompartment-Syndroms gestaltete sich wie folgt:

Druckaufnehmer intrakompartmental

Vorbelastungsmessung im Liegen und Stehen mit Druckmessung

Ausübung der Belastung, welche die Symptomatik hervorruft

Aufzeichnung des Druckabfalls

Ein positives Testergebnis wurde abgenommen bei:

typischer klinischer Symptomatik

normalem Druck im Stand

Mitteldruck > 40 mmHg unter Belastung

verlangsamtem Druckabfall

Technik der Fasziotomie

Es wurden im Untersuchungszeitraum 2 verschiedene OP-Techniken verwendet; zum einen die Standardtechnik und zum anderen die minimal invasive Technik. Bei der Standardtechnik erfolgte die Fasziotomie der Tibialis-anterior-Loge über 2 etwa 3–5 cm lange Hautschnitte, jeweils im oberen und unteren Drittel des anterolateralen Unterschenkels (Abb. 5). Anschließend wird das Subkutangewebe von der Faszie teilweise mit langen Tupfer, teilweise digital gelöst (Abb. 6).

Die Fasziotomie selber erfolgt mit einer langen chirurgischen Schere (Abb. 7). Die Haut wird anschließend verschlossen und elastisch gewickelt. Auf das Einlegen einer Redondrainage wird verzichtet.

Bei der minimal invasiven Technik erfolgen jeweils nur etwa 1 cm lange kurze Hautinzisionen. Die Fasziotomie wird dann mit einem langen chirurgischen Fasziotom durchgeführt (Abb. 8). Der Hautverschluss erfolgt dann lediglich mit 1–2 Hautnähten.

Die Nachbehandlung erfolgt mit sofortiger Mobilisation und Krankengymnastik zur Mobilisation des Knie- und Sprunggelenkes. Unterarmgehstützen werden nur für den Komfort für 2–3 Tage verordnet. Die Patienten erhalten bis zur Wundheilung einen stützenden Verband. Ab der 3. Woche erfolgen leichte Laufübungen und ab der 6.Woche eine zunehmende Vollbelastung.

Ergebnisse

Mit der konventionellen Fasziotomie behandelten wir 23 Patienten. Das durchschnittliche Alter dieser Gruppe betrug 24,5 Jahre (18–32 Jahre). Es handelte sich um 15 Männer und 8 Frauen. Die Operationsdauer betrug 9–21 Minuten. An Komplikationen fanden sich zweimal ein Hämatom, welches sich ohne operative Therapie resorbierte, und viermal postoperative Schmerzen über den 6. Tag hinaus. Alle Patienten konnten leichten Sport nach 3 Wochen wieder aufnehmen. 19 dieser 23 Patienten waren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (MW: 11,4 Jahre nach dem Eingriff) mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Die minimal invasive Gruppe hatte eine kürzere Nachuntersuchungszeit von 6,8 Jahre. In dieser Gruppe befanden sich 66 Patienten. Hiervon waren 40 männlich und 26 weiblich. Die OP-Dauer betrug 6–14 Minuten. An Komplikationen fanden sich 4 Hämatome (einmal bei einem beidseits operierten Patienten), welche sich ohne weitere Interventionen resorbierten. In 5 Fällen Schmerzen über den 6.Tag hinaus und einmal Übelkeit, welche wir auf die postoperative Einnahme von NSAID zurückführten. Auch die Patienten in dieser Gruppe konnten alle leichten Sport wieder nach 3 Wochen aufnehmen. Zum Zeitpunkt der Nachtuntersuchung waren 60 der 66 Patienten in dieser Gruppe sehr zufrieden und zeigten keine Symptome mehr.

Diskussion

Mit zunehmendem Freizeitangebot häufen sich akute Sportverletzungen und chronische Sportschäden. Ein nach wie vor in der Literatur wenig beachtetes Krankheitsbild ist das funktionelle Kompartment-Syndrom. Nach Styf zeigte sich bei 26 von 89 Patienten mit unklaren Unterschenkelbeschwerden ein funktionelles Kompartment-Syndrom [30]. Nach Puranen et al. macht es ca. 60 % der unklaren Unterschenkelbeschwerden bei Sportlern aus [26]. Die bisherigen Veröffentlichungen über dieses Krankheitsbild bestehen größtenteils in ausgiebigen Kasuistiken mit entsprechenden operativen Therapieempfehlungen [11, 18].

Viele Autoren verwenden zur Dokumentation des intrakompartmentalen Druckes statische Druckwerte (Ruhedruck, Druckabfall nach Belastung) oder quasi dynamische Verfahren zur Simulation der Muskelaktivität (isometrische Kontraktionen, isotonische Kontraktionen im Liegen). Eine ganz realistische Einschätzung des dynamischen intrakompartmentalen Druckverhaltens erlaubt jedoch nur eine Ganganalyse.

Nach unseren Untersuchungen zeigt die quantitative Analyse des intrakompartmentalen Druckes beim normalen Laufen und Gehen ohne Vorgabe keine signifikanten Unterschiede. Tendenziell liegt der Druck beim Laufen jedoch leicht höher. Deutliche Unterschiede stellten sich jedoch bei der quantitativen Analyse der unterschiedlichen Laufstile heraus. Hierbei zeigte sich, dass der Fersenlauf zu einem signifikant höheren Kompartmentdruck führt als der Ballenlauf und der Lauf ohne Vorgabe des Laufstils [14–18]. Im Weiteren bestätigte sich auch die klinische Erfahrung, dass das funktionelle Kompartment-Syndrom vorzugsweise bei Wettkampfgehern oder Militärmärschen auftritt [1, 9, 10]. Wir konnten zeigen, dass die Belastung durch forciertes Gehen zu einem deutlichen Druckanstieg in der Tibialis-anterior-Loge führt. Es zeigte sich eine hoch signifikante lineare Abhängigkeit zwischen Gehgeschwindigkeit und Druck. Der Druckanstieg war so stark, dass bei maximaler Gehgeschwindigkeit sogar ansonsten asymptomatische Probanden Missempfindungen im Bereich des ventralen Unterschenkels angaben. Beim Übergang vom forcierten Gehen zum Laufen kam es in allen Fällen zu einem deutlichen Druckabfall. Subjektiv gaben alle Probanden das Laufen als relativ angenehm im Vergleich zum forcierten Gehen an [18].

Wie erklären sich nun diese deutlichen Druckunterschiede bei unterschiedlichen Gang- und Laufcharakteristika? Um diese Phänomene zu verstehen, sind qualitative Bewegungsstudien zur Analyse des intrakompartmentalen Druckes während des Gangzyklus notwendig. Hierzu gibt es nur wenige Ansätze in der Literatur. Für eine adäquate Auswertung der aufgezeichneten Druckkurven im Sinne einer Ganganalyse erweist sich die Trägheit eines Messsystems als bedeutsam. So hat z.B. Baumann [3] mit einem relativ trägen System (18 Hz) eine Ganganalyse durchgeführt. Er gibt das Druckmaximum während der Schwungphase und dem frühen Bodenkontakt an. Puranen [26] berichtet über Ergebnisse mit einem Wick-Katheter und Druckwandler sowie Mehrkanalschreiber bei geringer zeitlicher Auflösung (1 cm = 12 sec). Er gibt relativ geringe Druckamplituden (< 10 mmHg) an. Eine Ganganalyse wurde hierbei nicht durchgeführt. Bei höherer zeitlicher Auflösung und höherer Abtastfrequenz zeigten unsere Resultate charakteristische Druckverlaufskurven. Im Gegensatz zu Baumann fanden wir in der terminalen Schwungphase das Druckminimum. Mit dem Aufsetzen des Fußes beim Gehen und der aktiven Stabilisierung im oberen Sprunggelenk (Belastungsantwort = LR) findet sich ein erstes Druckmaximum (A1). Beim Abstoßen über die Fußspitze (Vorschwung) und Extension des oberen Sprunggelenkes kommt es zu einem zweiten Druckanstieg (A2). Wie EMG-Untersuchungen zeigen, kommt es beim initialen Fersenkontakt und in der Phase der Belastungsantwort zur Kontraktion des M.tibialis anterior. Hierbei handelt es sich um eine exzentrische Kontraktion, da sich der Muskel gegen die Bewegungsrichtung des sich plantarwärts bewegenden Fußes kontrahieren muss. Hierdurch wird die Bewegungsenergie des Fußes aufgefangen und das obere Sprunggelenk für die darauf folgende Standphase stabilisiert. Die Langzeitwirkungen dieser exzentrischen Belastung mit repetitiven Überdehnungen der anterioren Kapsel des OSG zeigen sich eindrucksvoll in Form der anterioren Tibia- und Talusosteophyten, welche als Traktionsosteophyten aufzufassen sind. EMG-Untersuchungen zeigen, dass sich der M.tibialis anterior während der zweiten Druckerhöhung nach dem Kurvenplateau beim Großzehenabstoß mit Extension des oberen Sprunggelenkes nicht kontrahiert. Dieser Druckanstieg kann also nicht die Folge von aktiver Muskelarbeit sein. Unseres Erachtens ist eine mögliche Erklärung für die Druckerhöhung bei der Dorsalextension des OSG in der knöchernen Anatomie des Sprunggelenkes selbst. Die Trochlea tali ist dorsal 5 mm schmaler als ventral. Manche Autoren geben sogar eine 25 %ige Verbreiterung des Talus ventral im Vergleich zur dorsal an. Dies führt zu einem Auseinanderweichen der Malleolengabel bei Dorsalflexion und somit zu einem Anspannen der Membrana interossea. Gleichzeitig bewegt sich die Fibula nach proximal, woraus eine Anspannung der oberflächlichen Muskelfaszie resultiert. Durch diesen Effekt wird die ohnehin schon unnachgiebige osteofibröse Begrenzung der Tibialis-anterior-Loge noch weiter angespannt und verliert so weiterhin an Compliance.

Zu höheren Druckanstiegen als beim Gehen kommt es beim Laufen. Während beim Gehen der zweite Druckanstieg (A2) noch höher ist als der erste (A1), dreht sich das Verhältnis bei Laufen um. Dieser höhere intrakompartmentale Druckansteig (A1) während des initialen Fersenkontaktes (IC) und der Belastungsantwort (LR) beim Laufen erklärt sich durch die höhere exzentrische Belastung des M.tibialis anterior beim Abbremsen und Stabilisieren des Fußes [17].

Harrison et al. zeigten, dass innerhalb der ersten Zehntelsekunde des Gangzyklus das Drehmoment (Nm) im Bereich des Sprunggelenkes den maximalen Wert erreicht und der Absolutwert, deutlich höher als beim Hüftgelenk, ähnlich hohe Werte wie am Kniegelenk erreicht.

Analysen der unterschiedlichen Laufstile (normal Laufen, Fersenläufer, Ballenläufer) ergab einen deutlich höheren intrakompartmentalen Druck beim Fersenlauf [17, 18]. Dieser ist durch die erhöhte Tibialis-anterior Aktivität zu erklären. Die Ursache für diese erhöhte Aktivität ist in dem verlängerten Hebelarm beim Fersenlauf zu sehen. Cavanagh (Cavanagh 1987) zeigte, dass mit zunehmender Entfernung vom Aufsetzpunkt der Sohle die Auftreffgeschwindigkeit des Vorfußes deutlich zunimmt. Weiterhin ist die Auftreffgeschwindigkeit vom Aufsatzwinkel abhängig. Mit zunehmender Länge des Hebelarmes und mit zunehmendem Aufsatzwinkel steigt die Auftreffgeschwindigkeit um mehr als 100 % (Cavanagh 1987).

Klinische Relevanz

Eine wichtige Differentialdiagnose des Unterschenkelschmerzes des Sportlers ist das funktionelle Kompartment-Syndrom. Für die Diagnose beweisend ist die intrakompartmentale Druckmessung. Die Faziotomie in konventioneller oder minimal invasiver Technik hat bei richtiger Diagnose eine hohe Erfolgsaussicht.

Interessenkonflikte:

keine angegeben

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf: www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch

Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Johanna Etienne Krankenhaus

Am Hasenberg 46

41462 Neuss

j.jerosch@ak-neuss.de

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