Übersichtsarbeiten - OUP 10/2018
Evidenzen für schmerztherapeutische Interventionen an der WirbelsäuleAuswirkungen auf deutsche und europäische LeitlinienEffects on German and European guidelines
Markus Schneider1
Zusammenfassung: Durch die Neufassungen von Leitlinien zur Versorgung des Kreuzschmerzes sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien wurden erstmals Interventionen beim spezifischen Kreuzschmerz in Form von epiduraler Injektion einer Nervenwurzel und Radiofrequenzläsionen an den Facettengelenken in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Die Interventionen gibt es bereits seit 30–40 Jahren, dennoch unterlagen sie stets einer großen Diskussion über die Wertigkeit im Rahmen der Behandlung von Rücken- und Rücken-Beinschmerzen. In den letzten Jahren hat die entsprechende Forschung zugenommen, sowohl in der Quantität als auch in der Qualität; der vorliegende Artikel zitiert vor allem eine Veröffentlichung in den Niederlanden sowie Leitlinien aus den USA, beide überblicken Jahrzehnte von Forschungsergebnissen und Übersichtsarbeiten.
Insbesondere im Lumbalbereich wurde durch die britische Leitlinienkommission eine eindeutige Überlegenheit der Radiofrequenzläsion gegenüber anderen Therapien dargestellt. Dem folgen viele Krankenkassen in Form von IV-Verträgen, die diese Interventionen ihren Patienten ermöglichen. Dennoch ist die Kostenerstattung beim überwiegenden Teil der gesetzlich versicherten Patienten nicht geklärt. Die Frage wird gestellt, inwieweit die Vergütung dieser evidenten Leistungen in naher Zukunft allen gesetzlichen Versicherten zugutekommt.
Schlüsselwörter: Injektionen, spezifische Rückenschmerzen, Lumbalgie, Ischialgie, transforaminale Injektion, Facettenschmerz, Lumbalsyndrom, Radiofrequenz-Denervation,
Nervenverödung, Facettengelenke, Steroide, PRT,
rückenmarknahe Injektion, Nervenwurzeln, Leitlinien,
nationale Versorgungsleitlinien
Zitierweise
Schneider M: Evidenzen für schmerztherapeutische Interventionen an der Wirbelsäule. Auswirkungen auf deutsche und europäische Leitlinien.
OUP 2018; 7: 476–481 DOI 10.3238/oup.2018.0476–0481
Summary: Interventional pain procedures in back pain undergo a long history and as well controversial discussion among pain physicians. Within the last 15 years published data became better for cervical as for lumbar interventions. In 2016 this led to the acceptance and recommendation of transforaminal injections in sciatica as well as of radiofrequency denervation of the facet joints in chronic lumbar pain in the NICE Guidelines “lumbar pain and sciatica in over 16s” in the UK. Also German Guidelines mention this procedures in their last versions in 2017. The most important trials are shown, yet the question is whether reimbursement will follow the evidence outcomes and guidelines.
Keywords: spinal injection, low back pain, guidelines,
transforaminal, SIJ radiofrequency, denervation, medial branch block, facet joint, NICE, SIS
Citation
Schneider M: Evidence for spinal interventional procedures. Effects on German and European guidelines.
OUP 2018; 7: 476–481 DOI 10.3238/oup.2018.0476–0481
1 alphaMED, Bamberg
Schmerztherapeutische Injektionen im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts sind in Deutschland seit Jahren ein strittiges Thema. Vielfach haftet den interventionellen Schmerztherapeuten der Ruf des „Chronifizierers“ an, immer noch wird davon ausgegangen, dass 85 % aller chronischen Rückenschmerzen nicht spezifischen Ursprungs sind. Entsprechend fällt auch auf, dass die in Deutschland veröffentlichten Leitlinien streng diese beiden Entitäten spezifischer und nicht spezifischer Rückenschmerz unterscheiden.
Erstmals 2011 wurden in den Nationalen Versorgungsleitlinien für nicht spezifischen Kreuzschmerz [1] Therapien und Einteilungen durchgeführt. Unglücklicherweise lautete jedoch der Titel damals: Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz. Erst im Untertitel wurde darauf eingegangen, dass es sich um die Leitlinien für den nicht spezifischen Kreuzschmerz handelt. Dies hat zu Irritationen auch auf Seiten der Kostenträger geführt, da in diesen Leitlinien bei nicht spezifischem Kreuzschmerz die Injektionen keinen Stellenwert hatten, was ja unter der Ansicht richtig ist, dass ein Schmerzgenerator gefunden werden muss, um ihn mit Injektionen oder anderen Interventionen zu behandeln.
Entsprechend wurden dann auch mit dem Verweis auf diese Leitlinien die Honorare für Injektionen im Bereich der Behandlung des Rückenschmerzes zunehmend schlechter vergütet bzw. gestrichen.
Auch bei Betrachtung der Cochrane-Veröffentlichungen bis 2016 finden sich hier ungenügende Trennungen in spezifischen und nicht spezifischen Kreuzschmerz und entsprechend schlechte Evidenzen. In der letzten Cochrane-Veröffentlichung von Staal et al. [7] wird jedoch zumindestens darauf eingegangen, dass gewissen Untergruppen eine positive Antwort bei spezifischen Injektionstherapien zugesprochen werden kann.
Um nicht eine Vielzahl von Reviews zu zitieren, habe ich 2 grundlegende Arbeiten berücksichtigt: 2012 erschien in Buchform eine Arbeit mit dem Titel „Evidence-based interventional pain medicine“ vom niederländischen Autor van Zundert, die aus einem Manual in Niederländisch aus dem Jahr 2009 hervorging [8]. Es wurden hierbei europäische Literaturstellen und Methoden aufgegriffen, anschließend mit der angloamerikanischen Literatur verbunden und um Evidenzen ergänzt.
Die zweite Publikation ist die Leitlinie der American Society of Interventional Pain Physicians (ASIPP) aus dem Jahr 2013 [5]. Hier wurden auf 283 Seiten 2024 Literaturstellen von 1966–2012 betrachtet. Die Interventionen wurden nach zervikalen, thorakalen und lumbalen Schmerzen aufgegliedert und mit entsprechenden Evidenzgraden versehen. Näheres hierzu in Tabelle 1 und Tabelle 2 bezüglich der Halswirbelsäule.
Interventionen
an der Halswirbelsäule
Bei radikulären Symptomen der Halswirbelsäule unterscheidet man 2 Zugangswege, entweder den epidural transforaminalen Zugang von ventrolateral oder den interlaminären epiduralen Zugang von dorsal. Während der transforaminale Zugang bis vor wenigen Jahren von verschiedenen Fachgesellschaften propagiert wurde, zeigte sich im Rahmen der Zunahme von Interventionen bei dieser Technik besonders in den USA, dass es immer wieder zu erheblichen schwerwiegenden Komplikationen mit Hemi- und Paraplegien sowie auch zu Todesfällen kam. Nach einem Treffen im November 2014 unter Federführung der FDA wurde ein Dokument erstellt [9], das auf die Literatur und die beschriebenen Zwischenfälle eingeht. Es wurde zwar nicht generell von den zervikalen transforaminalen Injektionen abgeraten, jedoch sollte die Indikation hierfür eng gestellt werden und auf jeden Fall mit einem nicht kristallinen Kortikoid durchgeführt werden, da dies in allen Fällen mit schwerwiegenden Komplikationen verwendet wurde und man davon ausgeht, dass bei kristallinen Steroiden die Gefahr eines spinalen Infarkts besonders hoch ist.
Auch beim Betrachten der beiden Arbeiten aus den Niederlanden und USA spiegelt sich diese Erkenntnis wieder. In der niederländischen Arbeit wird ganz klar eine negative Empfehlung zu den transforaminalen Injektionen ausgesprochen, in den amerikanischen Leitlinien, die vor dem entsprechenden FDA-Dokument bindend wurden, gibt es überhaupt keine Erwähnung der transforaminalen Technik. Die interlaminäre Technik wird in der niederländischen Arbeit mit dem Evidenzgrad 2b+ empfohlen. Auch in der amerikanischen Arbeit gibt es eine gute Evidenzlage mit entsprechender Empfehlung der interlaminären Injektion.
Ein weiterer potenzieller Schmerzgenerator der Halswirbelsäule sind die Facettengelenke. Hier wurden insbesondere im Rahmen von ausstrahlenden Schulterschmerzen und auch okzipitalem Kopfschmerz die Facettengelenken C2/3 und C5/6 als potenzielle Schmerzgeneratoren dargestellt. Arbeiten bereits aus den 90er-Jahren haben gezeigt, dass hier die Anästhesie des medialen Astes (wie auch lumbal) einer intraartikulären Injektion deutlich überlegen ist. Deswegen gilt heutzutage als Goldstandard auch der sogenannte Medial Branch Block (MBB), bei dem die zuführenden Äste eines Gelenks anästhesiert werden. Durch die Besonderheit der Anatomie müssen jeweils für ein konkretes Gelenk 2 mediale Äste anästhesiert werden. Die entsprechenden Evidenzgrade werden in Tabelle 2 gezeigt.
Insbesondere nach den Leitlinien der Spine Intervention Society (SIS) [2], deren Leitlinien zur Durchführung der Interventionen international akzeptiert sind, ist einzig die Anästhesie der medialen Äste diagnostisches Kriterium für das Vorliegen eines Facettensyndroms. Im Falle eines positiven Blocks soll ein zweiter Block zeitnah durchgeführt werden, um einen Placeboeffekt auszuschließen. Die Rate an falsch positiven Blocks lässt sich so deutlich senken.
Anschließend ist als weitere interventionelle Prozedur die Radiofrequenz-Ablation der medialen Äste angezeigt.
Eine Besonderheit in Deutschland ist es, dass entgegen sonstiger internationaler Gepflogenheit sehr häufig CT-gesteuerte Injektionen an den Facettengelenken durchgeführt werden. Auffällig ist, dass dieses Vorgehen in der einschlägigen internationalen Literatur mehr oder weniger unbekannt ist und es sich um deutsches/europäisches Phänomen handelt [3]. Auch weisen sämtliche mir vorliegenden Bilder bei CT-gesteuerten Injektionen jeweils eine periartikuläre Nadellage auf.
Interventionen
an der Lendenwirbelsäule
Wie an der Halswirbelsäule stehen bei radikulären Symptomen mit Ausstrahlung in die Beine grundsätzlich die Zugangswege interlaminär und transforaminal sowie an der HWS zur Verfügung. Zusätzlich findet sich auch ein kaudaler Zugang durch den Hiatus sacralis mit einer sogenannten sakralen Überflutungsinjektion. Dabei wird durch den Sakralkanal bei entsprechendem Volumen das Segment L3/4 der Nervenwurzeln erreicht, es werden jedoch keine spezifischen Nervenwurzeln anästhesiert, sodass keine diagnostischen Blocks durchgeführt werden können. Gleiches gilt für die interlaminäre Injektionen, hier wird eher der dorsale Anteil im Spinalkanal von 1–2 Segmenten adressiert. Lediglich der transforaminale Zugang (Abb. 1) kann bei der Benutzung entsprechender niedriger Volumina (maximal 1,5–2 ml) eine selektive Wurzelblockade erreichen.
Eine Zusammenfassung der Evidenzen aus dem US-amerikanischen und niederländischen Veröffentlichungen zeigt Tabelle 3.
Insbesondere in der deutschsprachigen Literatur wurde immer wieder diskutiert, ob die Benutzung eines Gemischs aus Lokalanästhetikum und Steroiden notwendig ist oder ob der Auswascheffekt durch Kochsalz oder Lokalanästhetikum alleine genügt. Hier möchte ich die Arbeit von Gharemann [4] aus dem Jahr 2010 erwähnen, der in einer prospektiven randomisierten Studie mit dem Erfolgsziel einer Schmerzreduktion von 50 % 150 Patienten in 5 Subgruppen unterteilt. Injiziert wurde
transforaminal mit Steroid und Lokalanästhetikum,
transforaminal mit Lokalanästhetikum oder
transforaminal mit Kochsalzlösung sowie je NaCl und ein Steroid intramuskulär paraspinal,
wobei der durchführende Arzt den Zugangsweg entsprechend auswählte, die injizierte Substanz aber verblindet wurde. Diese Vorgehensweise wurde mit den Ästen intramuskulär Steroid und intramuskulär mit Kochsalzlösung verglichen.
Die eindeutigen Ergebnisse zeigen sich in Abbildung 2, hier war die transforaminale Injektion mit Steroiden sämtlichen anderen Injektionen weit überlegen, selbst die transforaminale Injektion mit NaCl brachte noch bessere Ergebnisse als die alleinige transforaminale Injektion mit Lokalanästhetikum.
Auch lumbal finden sich typische Ausstrahlungen bei Befall der Facettengelenke. Lumbal wie zervikal hat sich gezeigt, dass keine einzelne manuelle Untersuchungsmethode und kein einzelnes bildgebendes Verfahren eine eindeutige Affektion des Facettengelenks zeigen kann, auch hier ist der Goldstandard die Anästhesie des medialen Astes, wobei wie bei der HWS 2 Äste zur Anästhesierung eines Gelenks betäubt werden müssen. Bessere Evidenzen als cervical zeigen die Ergebnisse der Radiofrequenzdenervierung lumbal. Dies zeigt auch Tabelle 3: Hier ist der sehr hohe Empfehlungsgrad von 1b+ in der niederländischen Arbeit gezeigt worden, was auch Auswirkungen auf die Erstellung europäischer und nationaler Leitlinien hatte.
Kurz möchte ich auf die Interventionen am Kreuz-Darmbein-Gelenk eingehen. Im Gegensatz zu den gut definierten anatomischen Verläufen des medialen Astes ist die Anatomie am Kreuz-Darmbein-Gelenk wesentlich uneinheitlicher. Studien hierzu haben ergeben, dass sich der größte Teil der Innervation des SIG-Komplexes durch die dorsalen Äste aus den sakralen Foramina S1 bis S3 darstellt [6]. Die Notwendigkeit, von einem SIG-Komplex zu sprechen, ergibt sich daraus, dass lediglich ein Drittel der Fläche ein echtes Gelenk ist und der posteriore kraniale Komplex eher aus gut innervierten Bandstrukturen besteht. Die Variabilität der Nervenäste ist nicht nur an ihrer Austrittshöhe am Foramen zu sehen, sondern auch am Abstand zum knöchernen Becken. Daher sind für eine Radiofrequenzdenervation am Kreuz-Darmbein-Gelenk wesentlich größere Läsionszonen nötig. Hierdurch wurden von der Industrie mehrere Lösungen erarbeitet, momentan favorisiert wird die wassergekühlte Radiofrequenzläsion am Kreuz-Darmbein-Gelenk: Mit ihr lässt sich eine wesentlich größere Läsionszone durch Wasserkühlung erreichen (Abb. 3). Entsprechend zeigt sich auch in der Beurteilung der niederländischen Arbeitsgruppe eine gute Evidenz nur bei Benutzung der wassergekühlten Elektroden.
Auswirkung auf nationale und internationale Leitlinien
Es ist zu unterscheiden, ob die Leitlinien – wie besonders in den USA – von Fachgesellschaften erstellt wurden oder von übergeordneten, z.T. staatlichen Institutionen. Während in den USA die Leitlinien der SIS oder auch der ASIPP in früheren Jahren schon die Anwendung von Injektionen der spezifischen Rückenschmerzen unterstützten, waren die offiziellen fachübergreifenden Leitlinien eher zurückhaltend. Sowohl in den erstmalig publizierten Guidelines des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) als auch in den zuvor zitierten Leitlinien zum nicht spezifischen Kreuzschmerz sowie in den Cochrane-Reviews waren Empfehlungen zur Injektion eher zurückhaltend. Dies änderte sich, als Ende 2016 in Großbritannien die Leitlinien für Low Back Pain überarbeitet wurden. Hier wurde ausdrücklich auch der radikuläre Schmerz mit in die Leitlinie einbezogen. In den aktuellen Guidelines des NICE [10] wird sowohl bei der radikulären lumbalen Symptomatik eine epidurale Steroidinjektion auf dem transforaminalen Weg empfohlen als auch eine Radiofrequenz des lumbalen Facettengelenks nach vorherigem Block. Es wird hier auf die Leitlinien der SIS verwiesen.
Ein Beispiel für die statistische Arbeit der Arbeitsgruppe unter Berücksichtigung der Effektstärke (Cohens d) zeigt Abbildung 4 für kurzfristige und langfristige lumbale Schmerzen.
Ein Jahr später erschienen dann in Deutschland die Leitlinien für den spezifischen Kreuzschmerz [1], die leider keine lumbalen Radikulopathien berücksichtigte. In Deutschland brachte diese Leitlinie aus interventioneller Sicht erstmals die Neuerung, dass der Facettenschmerz bei lumbalem Rückenschmerz von bis zu 44 % in einer Leitlinie anerkannt wurde und darüber hinaus auch nach einer entsprechenden Blockade des medialen Astes die Radiofrequenzbehandlung der Facettengelenke lumbal empfohlen wurde. Bezüglich der lumbalen Wurzelreizsyndrome wurde auf die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie verwiesen, welche die epidurale Injektion zumindest anspricht, auch wenn sie sich auf sehr alte Literatur bezieht. Somit gibt es seit wenigen Monaten eine Leitlinie, welche interventionelle Techniken in Form von Blocks und Radiofrequenz-Ablation eindeutig beinhaltet. Bedarf besteht noch an einer eindeutigen Versorgungsleitlinie für die lumbalen Radikulopathien, die bisher nur von einer Fachgesellschaft publiziert wurde. Es ist jedoch geplant, sie in einer Neuauflage der Leitlinien zum spezifischen Kreuzschmerz zu implementieren. Ob die guten Evidenzen der transforaminalen Injektion darin Einzug halten, wird sich herausstellen.
Bezüglich der Radikulopathien an der Halswirbelsäule möchte ich kurz die im Dezember 2017 herausgegebene Leitlinie der DGN zur zervikalen Radikulopathie [11] ansprechen. Auch hier wird festgestellt, dass die periradikuläre Infiltrationstherapie zur Schmerzreduktion in Erwägung gezogen werden kann, gemäß den internationalen Standards wird festgehalten, dass partikelhaltige Steroide aufgrund der höheren Gefahr schwerwiegender Komplikationen nicht zur Anwendung kommen sollen. Nicht ganz im Einklang mit den internationalen Statements ist jedoch die Empfehlung des transforaminalen Zugangs anstatt des interlaminären Zugangs.
Aktuelle Vergütungssituation im deutschen EBM und
Forderungen an die Kassen
Injektionen im Wirbelsäulenbereich sind nur im Ausnahmefall Bestandteil der Vergütung im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen. Sämtliche nervennahen Injektionen, insbesondere die epiduralen Injektionen, sind aufgrund des Off-label-Status von Cortison von der Vergütung ausgeschlossen. Dieses wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Herbst 2013 eindeutig festgelegt [12].
Zwar gibt es im EBM die GOP 34503, mit der bildwandlergestützten Interventionen an der Wirbelsäule vergütet werden, da jedoch hier nach internationalen Leitlinien der mediale Ast adressiert wird, ist dies streng genommen ebenfalls ein Off-label-Use. Im Rahmen der orthopädischen Schmerztherapie ist diese auch im Röntgenbudget erhalten und somit bei Weitem nicht kostendeckend.
Besonders schwierig wird es bei der Radiofrequenzdenervation, hier gab es bis zum Beschluss 290 des Bewertungsausschusses zum 1. April 2013 eine adäquate Abrechnungsziffer, die jedoch streng genommen die offene Radiofrequenzintervention abdeckte. Diese wurde im ambulanten Bereich ersatzlos gestrichen, aufgrund strenger MDK-Prüfungen ist auch die Radiofrequenzbehandlung im stationären Bereich in den allermeisten Fällen nicht abbildbar.
Dies wurde wohl in einigen Vorstandsetagen besonders von Betriebskrankenkassen als problematisch gesehen, und so gibt es eine Vielzahl von meist regionalen integrierten Versorgungsverträgen, in denen diese Kosten entweder offiziell als Vertrag oder inoffiziell durch interne Absprachen bei Krankenkassen vergütet werden.
Dennoch sollte darauf hingearbeitet werden, dass eine Therapiemöglichkeit für alle gesetzlich Versicherten in Deutschland möglich ist, derzeit sind eher kleinere und wohlhabendere gesetzliche Krankenkassen in eine extra budgetierten Vergütung eingebunden. Damit es nicht wieder zu einer erheblichen Mengenausweitung kommt, ist zu überlegen, ob man eine spezielle Zertifizierung einführt, wie beispielsweise in der Schweiz für interventionell arbeitende Schmerztherapeuten.
Zusammenfassung
In vielen Arbeiten wurde besonders von Arbeitsgruppen interventionell arbeitender Schmerztherapeuten weltweit dargelegt, dass gute Studien, z.T. randomisiert und kontrolliert, Patienten gut geholfen werden kann, bei denen ein Schmerzgenerator gefunden wird.
Dennoch muss betont werden, dass auch bei mäßig chronifizierten Patienten mit identifizierbarem Schmerzgenerator das biopsychosoziale Schmerzmodell nicht unberücksichtigt bleiben darf. Trotzdem kann man sich in Deutschland des Eindrucks nicht erwehren, dass viele multimodal arbeitende Abteilungen gut aufgestellt sind durch Schmerztherapeuten, Physiotherapeuten und Psychologin/Psychotherapeuten. In den wenigsten Fällen steht hier gleichberechtigt ein interventioneller Schmerztherapeut zur Seite.
Ganz anders sieht dies in Großbritannien aus, hier gibt es knapp 30 Schmerzzentren, in den einträchtig Schmerzmediziner, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten und interventionelle Schmerztherapeuten nebeneinander arbeiten, entsprechend sind auch die Leitlinien der British Pain Society bzw. der zitierten NICE-Leitlinien.
In Deutschland hat die interventionelle Schmerztherapie erst in den letzten 2 Jahren in den Leitlinien zum spezifischen Rückenschmerz Einzug gehalten, es bleibt abzuwarten, ob durch diese Leitlinien der Druck auf die Krankenkassen zur Honorierung erhöht werden kann. Bereits heute zeigt sich eine zunehmende Bereitschaft, im Erstattungsverfahren, in Einzelfallentscheidung oder durch IV-Verträge besonders einiger Betriebskrankenkassen den Patienten zu helfen. Die Zukunft wird zeigen, ob in diesem Bereich Geld der (evidenten) Leistung folgt.
Interessenkonflikt: Keine angegeben.
Korrespondenzadresse
Dr. Markus Schneider
alphaMED
Kärntenstraße 2
96052 Bamberg
schneider@alphamed-bamberg.de
Literatur
1. Bundesärztekammer, Kasssenärztliche Bundesvereinigung, Fachgesellschaften Arbeitsgemeinschaft der WM: Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz. 2016
2. Bogduk N: Practice guidelines for spinal diagnostic and treatment procedures. 2013; International Spine Intervention Society
3. Bui J, Bogduk N: A Systematic Review of the Effectiveness of CT-Guided, Lumbar Transforaminal Injection of Steroids. Pain Med 2013; 14: 1860–65
4. Ghahreman A, Ferch R, Bogduk N: The efficacy of transforaminal injection of steroids for the treatment of lumbar radicular pain. Pain Medicine 2010; 11: 1149–68
5. Manchikanti L, Falco FJ, Singh V et al.: An update of comprehensive evidence-based guidelines for interventional techniques in chronic spinal pain. Part I: introduction and general considerations. Pain Physician 2013; 16: S1–48
6. Roberts SL, Burnham RS, Ravichandiran K, Agur AM, Loh EY: Cadaveric study of sacroiliac joint innervation: implications for diagnostic blocks and radiofrequency ablation. Reg Anesth Pain Med 2014; 39: 456–64
7. Staal JB, de Bie RA, de Vet HCW, Hildebrandt J, Nelemans P: Injection Therapy for Subacute and Chronic Low Back Pain: An Updated Cochrane Review. Spine 2009; 34: 49
8. Zundert JV, Hartrick C, Patijn J, Huygen F, Mekhail N, Kleef M van: Evidence-Based Interventional Pain Medicine According to Clinical Diagnoses. Pain Practice 2011; 11: 423–29
9. Anesthetic and Analgesic Drug Products Advisory Committee Meeting November 24. to 25, 2014: Epidural Steroid Injections (ESI) and the Risk of Serious Neurologic Adverse Reactions
10. Low back pain and sciatica in over 16s: assessment and management. Guidance and guidelines NICE. www.nice.org.uk/guidance/ng59. Accessed 5 May 2018
11. LL 030/082 2017 Zervikale Radikulopathie. www.dgn.org/leitlinien/3514-ll- 030–082–2017-zervikale-radi kulopathie
12. Information der KBV 89 /2013 www.kvhh.net/media//db/media/1/2009/10/ 112/2013–06–18_kbv-information_89_ kbv-auffassung_abrechenbarkeit_korti koide.pdf