Übersichtsarbeiten - OUP 10/2018

Evidenzen für schmerztherapeutische Interventionen an der Wirbelsäule
Auswirkungen auf deutsche und europäische LeitlinienEffects on German and European guidelines

Auch beim Betrachten der beiden Arbeiten aus den Niederlanden und USA spiegelt sich diese Erkenntnis wieder. In der niederländischen Arbeit wird ganz klar eine negative Empfehlung zu den transforaminalen Injektionen ausgesprochen, in den amerikanischen Leitlinien, die vor dem entsprechenden FDA-Dokument bindend wurden, gibt es überhaupt keine Erwähnung der transforaminalen Technik. Die interlaminäre Technik wird in der niederländischen Arbeit mit dem Evidenzgrad 2b+ empfohlen. Auch in der amerikanischen Arbeit gibt es eine gute Evidenzlage mit entsprechender Empfehlung der interlaminären Injektion.

Ein weiterer potenzieller Schmerzgenerator der Halswirbelsäule sind die Facettengelenke. Hier wurden insbesondere im Rahmen von ausstrahlenden Schulterschmerzen und auch okzipitalem Kopfschmerz die Facettengelenken C2/3 und C5/6 als potenzielle Schmerzgeneratoren dargestellt. Arbeiten bereits aus den 90er-Jahren haben gezeigt, dass hier die Anästhesie des medialen Astes (wie auch lumbal) einer intraartikulären Injektion deutlich überlegen ist. Deswegen gilt heutzutage als Goldstandard auch der sogenannte Medial Branch Block (MBB), bei dem die zuführenden Äste eines Gelenks anästhesiert werden. Durch die Besonderheit der Anatomie müssen jeweils für ein konkretes Gelenk 2 mediale Äste anästhesiert werden. Die entsprechenden Evidenzgrade werden in Tabelle 2 gezeigt.

Insbesondere nach den Leitlinien der Spine Intervention Society (SIS) [2], deren Leitlinien zur Durchführung der Interventionen international akzeptiert sind, ist einzig die Anästhesie der medialen Äste diagnostisches Kriterium für das Vorliegen eines Facettensyndroms. Im Falle eines positiven Blocks soll ein zweiter Block zeitnah durchgeführt werden, um einen Placeboeffekt auszuschließen. Die Rate an falsch positiven Blocks lässt sich so deutlich senken.

Anschließend ist als weitere interventionelle Prozedur die Radiofrequenz-Ablation der medialen Äste angezeigt.

Eine Besonderheit in Deutschland ist es, dass entgegen sonstiger internationaler Gepflogenheit sehr häufig CT-gesteuerte Injektionen an den Facettengelenken durchgeführt werden. Auffällig ist, dass dieses Vorgehen in der einschlägigen internationalen Literatur mehr oder weniger unbekannt ist und es sich um deutsches/europäisches Phänomen handelt [3]. Auch weisen sämtliche mir vorliegenden Bilder bei CT-gesteuerten Injektionen jeweils eine periartikuläre Nadellage auf.

Interventionen
an der Lendenwirbelsäule

Wie an der Halswirbelsäule stehen bei radikulären Symptomen mit Ausstrahlung in die Beine grundsätzlich die Zugangswege interlaminär und transforaminal sowie an der HWS zur Verfügung. Zusätzlich findet sich auch ein kaudaler Zugang durch den Hiatus sacralis mit einer sogenannten sakralen Überflutungsinjektion. Dabei wird durch den Sakralkanal bei entsprechendem Volumen das Segment L3/4 der Nervenwurzeln erreicht, es werden jedoch keine spezifischen Nervenwurzeln anästhesiert, sodass keine diagnostischen Blocks durchgeführt werden können. Gleiches gilt für die interlaminäre Injektionen, hier wird eher der dorsale Anteil im Spinalkanal von 1–2 Segmenten adressiert. Lediglich der transforaminale Zugang (Abb. 1) kann bei der Benutzung entsprechender niedriger Volumina (maximal 1,5–2 ml) eine selektive Wurzelblockade erreichen.

Eine Zusammenfassung der Evidenzen aus dem US-amerikanischen und niederländischen Veröffentlichungen zeigt Tabelle 3.

Insbesondere in der deutschsprachigen Literatur wurde immer wieder diskutiert, ob die Benutzung eines Gemischs aus Lokalanästhetikum und Steroiden notwendig ist oder ob der Auswascheffekt durch Kochsalz oder Lokalanästhetikum alleine genügt. Hier möchte ich die Arbeit von Gharemann [4] aus dem Jahr 2010 erwähnen, der in einer prospektiven randomisierten Studie mit dem Erfolgsziel einer Schmerzreduktion von 50 % 150 Patienten in 5 Subgruppen unterteilt. Injiziert wurde

transforaminal mit Steroid und Lokalanästhetikum,

transforaminal mit Lokalanästhetikum oder

transforaminal mit Kochsalzlösung sowie je NaCl und ein Steroid intramuskulär paraspinal,

wobei der durchführende Arzt den Zugangsweg entsprechend auswählte, die injizierte Substanz aber verblindet wurde. Diese Vorgehensweise wurde mit den Ästen intramuskulär Steroid und intramuskulär mit Kochsalzlösung verglichen.

Die eindeutigen Ergebnisse zeigen sich in Abbildung 2, hier war die transforaminale Injektion mit Steroiden sämtlichen anderen Injektionen weit überlegen, selbst die transforaminale Injektion mit NaCl brachte noch bessere Ergebnisse als die alleinige transforaminale Injektion mit Lokalanästhetikum.

Auch lumbal finden sich typische Ausstrahlungen bei Befall der Facettengelenke. Lumbal wie zervikal hat sich gezeigt, dass keine einzelne manuelle Untersuchungsmethode und kein einzelnes bildgebendes Verfahren eine eindeutige Affektion des Facettengelenks zeigen kann, auch hier ist der Goldstandard die Anästhesie des medialen Astes, wobei wie bei der HWS 2 Äste zur Anästhesierung eines Gelenks betäubt werden müssen. Bessere Evidenzen als cervical zeigen die Ergebnisse der Radiofrequenzdenervierung lumbal. Dies zeigt auch Tabelle 3: Hier ist der sehr hohe Empfehlungsgrad von 1b+ in der niederländischen Arbeit gezeigt worden, was auch Auswirkungen auf die Erstellung europäischer und nationaler Leitlinien hatte.

Kurz möchte ich auf die Interventionen am Kreuz-Darmbein-Gelenk eingehen. Im Gegensatz zu den gut definierten anatomischen Verläufen des medialen Astes ist die Anatomie am Kreuz-Darmbein-Gelenk wesentlich uneinheitlicher. Studien hierzu haben ergeben, dass sich der größte Teil der Innervation des SIG-Komplexes durch die dorsalen Äste aus den sakralen Foramina S1 bis S3 darstellt [6]. Die Notwendigkeit, von einem SIG-Komplex zu sprechen, ergibt sich daraus, dass lediglich ein Drittel der Fläche ein echtes Gelenk ist und der posteriore kraniale Komplex eher aus gut innervierten Bandstrukturen besteht. Die Variabilität der Nervenäste ist nicht nur an ihrer Austrittshöhe am Foramen zu sehen, sondern auch am Abstand zum knöchernen Becken. Daher sind für eine Radiofrequenzdenervation am Kreuz-Darmbein-Gelenk wesentlich größere Läsionszonen nötig. Hierdurch wurden von der Industrie mehrere Lösungen erarbeitet, momentan favorisiert wird die wassergekühlte Radiofrequenzläsion am Kreuz-Darmbein-Gelenk: Mit ihr lässt sich eine wesentlich größere Läsionszone durch Wasserkühlung erreichen (Abb. 3). Entsprechend zeigt sich auch in der Beurteilung der niederländischen Arbeitsgruppe eine gute Evidenz nur bei Benutzung der wassergekühlten Elektroden.

Auswirkung auf nationale und internationale Leitlinien

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