Übersichtsarbeiten - OUP 03/2013

Gelenkerhaltende operative Maßnahmen bei der Gonarthrose

E. Basad1

Zusammenfassung: Die operative Behandlung der Gonarthrose – bevor ein endoprothetischer Gelenkersatz erforderlich ist – bietet eine Vielzahl besonders arthroskopischer Techniken. Diese gelenkerhaltenden Operationstechniken können, dank verbesserter Bildgebung, schon in frühen Formen der Gonarthrose und bei präarthrotischen Veränderungen stadienadaptiert erfolgreich eingesetzt werden. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, darzustellen, welche Therapieformen von der resezierenden (Debridement, Meniskuschirurgie, Osteophyten-Resektion, Synovektomie), reparativen (Bandplastiken), oder regenerativen Chirurgie (Knochenmarkstimulation, Chondrozytentransplantation) bis zu Umstellungsosteotomien zum Einsatz kommen können. Alle genannten operativen Verfahren sind erfolgreich anwendbar, sofern die entsprechende Pathologie adressiert und die Indikation richtig gestellt wird. Die Gonarthrose selbst ist durch keines der Verfahren reversibel. Auch die individuelle Progredienz der Arthrose beeinflusst das Behandlungsergebnis entscheidend.

Schlüsselwörter: Knie, Gonarthrose, Arthroskopie, Umstellungsosteotomie, Meniskus, Knorpel

Abstract: The surgical treatment of osteoarthritis of the knee – before an endoprosthetic joint replacement is required – offers a variety of techniques. Thanks to improved imaging, these joint-preserving techniques can be applied in early stages of osteoarthritis or pre-arthritic changes. The aim of this review is to present therapy forms like resection (debridement, meniscus surgery, osteophyte resection, synovectomy) repair (ligament reconstruction), regeneration (bone marrow stimulation, chondrocytes) and realignment (osteo-tomies). All of the above surgical procedures are successfully used if the corresponding pathology is addressed well, and the indication is set properly. The gonarthrosis itself cannot be reversed by any of the methods. Also the individual progression of osteoarthritis affects treatment outcome significantly.

Keywords: knee, gonarthritis, arthroscopy, osteotomies, meniscus, cartilage

Einleitung

Die Gonarthrose ist die häufigste Erkrankung des Kniegelenkes, bei der exogene und endogene Risikofaktoren ursächlich sein können. Da das Risiko, an einer Gonarthrose zu erkranken, mit zunehmendem Alter steigt, ist sie dem Formenkreis degenerativer Erkrankungen zuzuordnen. Unter den Arthrosen ist das Kniegelenk mit 6 % epidemiologisch am häufigsten betroffen. In der Literatur wird die Häufigkeit der Gonarthrose bei Männern zwischen 60 und 64 Jahren rechts mit 23 % höher angegeben als links. Bei Frauen, die häufiger von der Arthrose betroffen sind hingegen, ist das Seitenverhältnis bei der Gonarthrose ausgeglichen [1].

Anhand epidemiologischer Untersuchungen lassen sich folgende Risikofaktoren finden: Untersuchungen an weiblichen Zwillingen weisen auf genetische Faktoren bei der Entstehung der Gonarthrose hin. Jedoch konnten keine einzelnen Gene als Risikofaktoren kenntlich gemacht werden. Vielmehr spielen eine Vielzahl von Genen, die im Zusammenspiel die genetische Prädisposition für die Gonarthrose ausmachen, eine Rolle. Eine weitere Prädisposition scheint die berufliche Exposition zu sein. Kniende oder hockende Tätigkeiten spielen nachweislich eine Rolle, wie Untersuchungen an Bergleuten, Bauarbeitern und Bodenlegern zeigten [2]. Das Übergewicht (BMI > 30) spielt eine signifikante Rolle als Risikofaktor bei der Gonarthrose. In weiteren Untersuchungen [3] konnte sogar eine Dosis-Wirkungs-Beziehung von Übergewicht und Gonarthrose hergestellt werden [4, 1].

Ätiologisch sind primär idiopathische Gonarthrosen von sekundären Gonarthrosen zu unterscheiden. Am Anfang der Arthroseentstehung steht die Schädigung des hyalinen Gelenkknorpels. Hyaliner Knorpel besteht hauptsächlich aus einer extrazellulären Matrix und nur zu 2 % aus Chondrozyten. Hyaliner Knorpel ist avaskulär und nicht sensibel versorgt. Nach Abschluss des Wachstums ist die spontane Regenerationsfähigkeit von Gelenkknorpel aufgehoben. Es ist noch ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Ab- und Aufbau der Knorpelmatrix vorhanden, das durch metabolische und mechanische Faktoren gestört werden kann. Geschützt wird der hyaline Knorpel von Gelenkkapsel, Bändern (Kollateralbänder, Kreuzbänder), Menisken und Muskulatur, die zusammen eine funktionelle Einheit bilden.

Pathophysiologisch kann eine Überlastung des Gleichgewichts zu einer Degeneration der Knorpelmatrix führen. Metabolische Faktoren, wie Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, führen zu Inflammation und einer enzymatischen Degeneration des Knorpels. Zu den mechanischen Faktoren zählen in erster Linie Achsabweichungen, Dysplasien und ligamentäre Insuffizienzen, die zu pathologischen Bewegungsmustern mit schädigenden mechanischen Kräften auf die Kniebinnenstrukturen wirken [5].

Die Behandlung der Gonarthrose erfordert die genaue Kenntnis von Ätiologie und Stadium der Gonarthrose sowie eine äußerst subtile Kenntnis früher degenerativer Veränderungen an Knorpel und Menisken. Dank der Magnetresonanztomografie gelingt uns das heute bereits in frühen Stadien von Knorpelmatrixschäden auf bereits molekularer Ebene [6]. Die klinische Symptomatik derart früher Veränderungen ist jedoch nicht mit denen der typischen Gonarthrose-Schmerzen zu erkennen, sondern ist wesentlich subtiler. Dazu gehören femuropatellares Impingement, diskrete Meniskus-Zeichen und nach Belastung auftretende schmerzlose Reizzustände. Da Knorpelgewebe nicht durch Schmerzfasern innerviert sind, können frühe Zeichen von Knorpelschäden dritten Grades schon jahrelang bestehen und unter Umständen auch übersehen werden. Unbehandelt führen anfangs isolierte Knorpelschäden durch Vergrößerung und Affektion des gegenüberliegenden Gelenkpartners zu einer manifesten Arthrose.

Zu den Zielen einer gelenkerhaltenden Therapie zählen folgende Punkte:

– Schmerz- und Entzündungsreduktion

– Bewegungserhalt und Stabilitätserhalt des Gelenkes

– Mobilitätserhalt des Patienten

– Verzögerung kataboler destruierender Prozesse und damit der Progredienz der Arthrose

– Verminderung der Schmerzmittel-Einnahme

Die operativen Therapieoptionen dienen zur Behandlung von Knorpelläsionen und Co-Läsionen. Regeneration, Verzögerung der Progredienz und Symptomreduzierung haben das Ziel, die Implantation einer Endoprothese im sinnvollen Rahmen hinauszuzögern.

Arthroskopisches
Debridement

Die resezierende und debridierende arthroskopische Chirurgie hat das Ziel, freie Partikel oder instabile zerstörte Anteile von Gelenkknorpel und Meniskus zu reduzieren. Reibungserhöhende Bruchstücke und Gelenkpartikel stimulieren die Inflammation von Synovia und erhöhen dadurch die Mengen proteolytischer Enzyme, die durch katabole Reaktionen die Regenerationsfähigkeit von Proteoglykanen und Kollagenen schwächen. Als Reaktion hierauf kommt es in der Folge typischerweise zu einer reaktiven Kollagenolyse und Matrixzerstörung [7].

Die arthroskopische Entfernung von Debris, bestehend aus Gelenkknorpel-, Meniskus- und Synovialis-Fragmenten, kann nachgewiesenermaßen eine substantielle Verbesserung von Funktion und die Reduzierung von Symptomen bewirken [8]. Jedoch hängen Effektivität und Dauer der Verbesserung vom Schweregrad der degenerativen Veränderungen ab [9]. Klinische Studien bestätigen, dass der Grad der Symptomverbesserung mit der Art und dem Schweregrad intraartikulär vorhandener Binnenschäden korreliert. Je früher das Stadium der Arthrose ist, desto mehr kann arthroskopisch erzielt werden. Werden symptomatische einklemmende Meniskusrisse behandelt, ist der Effekt größer als beim Debridement asymptomatischer Knorpelschäden. Andere Studien weisen wiederum auf eine Verschlechterung der Ergebnisse durch exzessives Debridement hin [10]. Ergebnisse einer Übersichtsarbeit zeigen eine geringe Evidenz für den Nutzen
der arthroskopischen Gelenklavage [11]. Spülungen durch Kanülen zeigten überhaupt keinen Effekt. Ein vorübergehender positiver Effekt ließ sich nur bei erweiterten arthroskopischen Eingriffen, die symptomatische Pathologien an Meniskus (Risse, Einklemmungen) und Knorpel (freie Gelenkkörper, instabile Ränder) behandeln, nachweisen. Bei einer entzündlichen Synovialhypertrophie kann die kombinierte Synovektomie besonders bei einer rheumatischen Genese günstig beeinflussend wirken. Mit zunehmender Invasivität der Operationen steigt der messbare Effekt einer arthroskopischen Arthrose-Therapie. Mit zunehmendem Schweregrad der Arthrose wiederum reduziert sich die postoperative Erfolgsrate. Die Arthroskopie hat durch die Anwendung von Spülflüssigkeiten auch einen potenziell negativen Effekt auf die nützlichen viskösen Anteile der Gelenkflüssigkeit. In einer kontrollierten Arbeit wurde daher ein positiver klinischer Effekt durch die Substitution von Hyaluronsäure nach Arthroskopie gemessen [12]. Die postoperative Substitution von Hyaluronsäure intraartikulär zählt daher, neben der Physiotherapie, zu einer ergänzenden Behandlungsoption nach Arthroskopie.

Knorpeloperationen

Knorpelschäden können bereits in frühen Jahren durch Anprall, repetitive Belastung, Torsionskräfte, Achsfehlstellungen oder Fremdkörper im Gelenk verursacht werden. Aufgrund der fehlenden Schmerzrezeptoren bleiben Knorpelverletzungen anfangs asymptomatisch bis sekundäre Veränderungen und metabolische Entzündungsreaktionen auftreten. Typisch sind auch Schwellungen und Blockierungen des Gelenkes [13]. Durch Verlust der schützenden visko-elastischen Eigenschaften am Defekt sind die Gelenkflächen und angrenzenden Knorpelränder einer zunehmenden Destruktion ausgesetzt.

Zur Behandlung von Knorpelschäden stehen uns Knochenmark-stimulierende Verfahren wie Mikrofraktur und Abrasion zur Verfügung. Bei diesen Techniken entsteht durch die Eröffnung des subchondralen Knochenmarks eine Einblutung mit Bildung eines Fibrin-Gerinnsels. Mithilfe mesenchymaler Stammzellen entsteht ein Regenerat aus Faserknorpel. Faserknorpel enthält hauptsächlich Kollagen Typ I und hat eine geringere biomechanische Widerstandsfähigkeit als hyaliner Gelenkknorpel. Deshalb sind Knochenmark-stimulierende Techniken bevorzugt bei Defekten unter 4 cm2 zu empfehlen [14].

Als Knochenmarkstimulation der zweiten Generation kommt die autologe Matrix-induzierte Chondrogenese zum Einsatz, bei der in den mikrofrakturierten Defekt eine Kollagen-I/III-Membran eingenäht bzw. eingeklebt wird [15].

Der Transfer autologer osteochondraler Zylinder bietet den Vorteil eines sofort belastbaren Reparaturgewebes mit hyalinem Knorpel [16]. Wegen der Entnahmemorbidität ist das Verfahren für kleine und mittlere chondrale und osteochondrale Defekte geeignet. Kontraindikationen sind großflächige degenerative und bipolare Knorpelschäden.

Die autologe Chondrozyten-Transplantation (ACT) ist ein regenerierendes Verfahren mit in-vitro expandierten autologen Chondrozyten. In der ersten Generation wurden die Chondrozyten in den mit Periost abgedeckten Defekt instilliert [17]. In der zweiten Matrix-gestützten Generation der ACT (MACT oder MACI) kommen Membranen aus bioresorbierbaren Materialen als Zellträger und Deckelung zum Einsatz [18]. Das Regeneratgewebe wird wegen seines Kollagen-Typ-II-Anteils hyalinähnlich bezeichnet und höherwertiger eingestuft. Die ACT/MACT ist bei der Gonarthrose gemäß aktueller Richtlinien kontraindiziert [19]. Studien im Bereich von Grenzindikationen („salvage procedures“) zeigen bereits, dass auch multiple degenerative Defekte mit der ACT behandelt werden können [20], sofern korrekte Achsen, intakte Menisken, stabile Bandführung und keine korrespondierenden Defekte („kissing lesions“) vorhanden sind.

Abtragung von Osteophyten

Neben der Gelenkspaltverschmälerung und subchondraler Sklerose sind Osteophyten ein typisches Zeichen bei Arthrosen. Es sind knöcherne Sporne, die mit Faserknorpel überzogen sind und häufig am Rand der Gelenkknorpelzone infolge einer periostalen Reaktion entstehen. Nach wie vor ist jedoch die Ursache für die Entstehung von Osteophyten nicht genügend geklärt. Auch ohne Knorpelschäden können sich mit zunehmendem Alter Osteophyten bilden [21]. Os-
teophyten können Ursachen für Schmerzen und Funktionsstörungen darstellen. Sie können zu einem Impingement – insbesondere im Bereich der Kollateralligamente und der interkondylären Notch – führen. Am Patella-Rand erzeugen sie manchmal sichtbare Schleifspuren im korrespondierenden Trochlea-Knorpel. Abgebrochene Osteophyten können sich zu symptomatischen freien Gelenkkörpern entwickeln. Eine Stenose der interkondylären Notch kann zu einer mukoiden Hypertrophie des vorderen Kreuzbandes mit Streckhemmung und sekundärer Instabilität führen. Die arthroskopische Entfernung von Osteophyten und die Notch-Erweiterung haben sich daher in der Arthrosebehandlung mit signifikanter Schmerzreduktion und Extensionsverbesserung bewährt [22].

Operationen am Meniskus

Der Verlust des Meniskus durch Verletzung oder Degeneration hat eine progrediente Gonarthrose zu Folge [23, 24]. Die Teil-Resektion von symptomatischen Meniskusrissen degenerativer Genese weist in der Literatur überwiegend exzellente und gute Resultate im mittleren Zeitverlauf auf [25]. Die Behandlung von symptomatischen Meniskusschäden durch die arthroskopische Teilresektion reduziert in systematischen Literaturanalysen [26] langfristig die Symptome, wobei es dennoch nach 8 bis 16 Jahren zu radiologischen Zeichen einer Arthrose kommt [27]. Je mehr Meniskusgewebe entfernt werden muss, desto höher ist das Risiko für die Entstehung einer Gonarthrose. Der symptomatische degenerative Riss stellt daher auch im höheren Stadium der Arthrose eine korrekte Indikation zur Arthroskopie dar [28]. Der Erhalt des Meniskusgewebes durch eine Naht zeigt bessere Ergebnisse als eine Resektion [29]. Degenerative horizontale Risse neigen zur Progredienz in Richtung der Gelenkkapsel und können schmerzhafte Ganglien oder Zysten bilden. Um den instabilen Meniskus nicht bis zur Kapsel resezieren zu müssen, wird heute auch bei dieser Riss-Form eine All-inside-Naht nach Anfrischen der Rissflächen empfohlen. Der Erfolg einer Meniskusnaht nimmt dennoch bei Zunahme von Degeneration und Patientenalter ab [30].

Behandlung von
Bandinstabilitäten

Ligamentäre Insuffizienzen spielen sowohl bei der Arthrose-Entstehung als auch bei der Schmerz-Auslösung der Gonarthrose eine Rolle. Bereits ein exzessives Debridement mit Entfernung größerer Meniskus-, Knochen- und Knorpelanteile kann zu einer sekundären Instabilität im Kniegelenk führen, ohne dass Ligamente betroffen sind [31]. Der vordere Kreuzbandriss ist eine der häufigsten und schwerwiegendsten Verletzungen des Kniegelenks. Kreuzbandverletzungen führen zu einer pathologisch veränderten biomechanischen Belastung des Kniegelenks [32]. Die Prävalenz einer Gonarthrose 10 Jahre nach Kreuzbandverletzung beträgt 50 bis 80 %. Bereits in der akuten Phase der vorderen Kreuzbandverletzung wurden in einer Studie [33] erhöhte Werte proinflammatorischer Zytokine, welche für katabole Effekte am Knorpel verantwortlich gemacht werden, gemessen. Kreuzbandverletzungen treten häufig in Kombination mit Meniskusrissen (25–65 %) und Knorpelschäden (25 %) auf [34]. Die Indikation für einen Kreuzbandersatz wird heute auch bei symptomatischen Patienten höheren Alters und bereits fortgeschrittener Degeneration gestellt. Die Kreuzbandplastik bei degenerativ geschädigten Kniegelenken und im Alter über 55 Jahren ist nach neueren Untersuchungen ein sicheres Verfahren, welches Stabilität wiederherstellt und die Rückkehr zu einer akzeptablen Aktivität ermöglicht [35]. Meta-Analysen [36] zeigen, dass nach Kreuzbandplastik die Prävalenz für radiologische Zeichen einer Arthrose geringer ist als bisher angenommen. Jedoch steigt nach dieser Analyse das Arthroserisiko dramatisch an, wenn subtotale Meniskusresektionen durchgeführt werden mussten.

Die posttraumatisch ligamentär bedingte Luxation und Subluxation der Patella weist eine hohe Prävalenz zur Entstehung von femuropatellaren Knorpelschäden auf [37]. Die Rekonstruktion des Retinakulums bzw. des medialen patello-femoralen Ligamentes durch eine Bandplastik adressiert eine symptomatische Instabilität der Patella, jedoch wird der Verlauf der Arthrose hierdurch nicht beeinflusst [38].

Umstellungsosteotomien

Umstellende Osteotomien haben das Ziel, Achsdeformitäten zu korrigieren sowie die Lebensdauer des Gelenkes zu erhöhen und eignen sich zur Behandlung von unikompartimentellen Varus- oder Valgus-Gonarthrosen. Die Einführung des unikondylären Oberflächenersatzes hatte Umstellungsosteotomien zum Teil verdrängt. Durch die Einführung winkelstabiler Osteosynthesen ist die öffnende hohe tibiale Osteotomie (HTO) bei Varus-Gonarthrosen wieder erfolgreich etabliert [39]. Umstellungsosteotomien sind gelenkflächenerhaltend, mit knorpelplastischen Maßnahmen kombinierbar und erfordern keine Knochenresektion. Ein Nachteil der HTO ist eine unter Umständen längere Rehabilitationsdauer bis zur knöchernen Durchbauung der Osteotomie. Im Vergleich dazu ist der unikondyläre Oberflächenersatz durch Zementierung sofort belastbar. Bei Umstellungsosteotomien ist nicht in allen Fällen sicher voraussehbar, dass eine Schmerzreduktion erreicht wird. Technisch kann nach HTO eine spätere Endoprothesen-Implantation anspruchsvoller sein. Jedoch zeigten die Ergebnisse mit der Knie-Totalendoprothese nach vorausgegangener Osteotomie keine negativen Effekte [40, 41]. Übergewichtige, Raucher und Frauen haben ein höheres Risiko des Therapieversagens nach HTO [42, 43].

Diskussion

Die gelenkerhaltende Behandlung der Arthrose richtet sich nach den Prädiktoren und dem Schweregrad der Erkrankung. Die Therapie sollte daher immer individuell sowie Stadien-adaptiert sein und bereits bei frühen Formen degenerativer Schäden erfolgen. Dabei sind frühe Symptome der Gonarthrose eher subtil, atypisch und häufig nur gering schmerzhaft. Moderne bildgebende Verfahren ermöglichen die Erkennung und Behandlung bereits früher Stadien der Gonarthrose und ihrer Risikofaktoren. Zur Behandlung isolierter früher Knorpelschäden stehen uns stimulierende (Stammzellstimulation), reparative (autologer Austausch) und regenerative Verfahren (zellbasiert) zur Verfügung. Die Studienlage zum Erfolg einer Knorpelbehandlung bei Vorliegen einer Arthrose ist inhomogen. Morphologische Kriterien und klinisches Beschwerdebild korrelieren nicht exakt miteinander, was die Erfolgsprüfung durch klinische Scores erschwert.

Die Arthroskopie versus Placebo-OP-Studie von Mosley et al. [44] hat zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Erwartung an arthroskopische Operationen bei Bestehen einer Gonarthrose geführt. Umfassende Analysen [11] zeigen jedoch, dass entscheidend für den Erfolg das Vorhandensein mechanisch ausgelöster Symptome ist. Bei Blockierungen und eingeklemmten Meniskusrissen sollte die Indikation zur Arthroskopie daher keinesfalls zurückhaltend gestellt werden. Die Knorpelreparatur hat die größeren Erfolgschancen, wenn es sich um eine isolierte Degeneration ohne intraartikuläre Co-Läsionen und Achsabweichungen handelt. Daher ist die Mitbehandlung ligamentärer Insuffizienzen und Achsfehlstellungen erforderlich. Symptomatische Bandinstabilitäten am Kniegelenk sind auch bei fortgeschrittener Degeneration und Alter erfolgreich durch Bandplastiken behandelbar – auch dann, wenn langfristig die Gonarthrose dadurch nicht sicher verhindert werden kann.

Die ACT und MACT sind bei der Gonarthrose kontraindiziert und nur Ausnahmefällen mit begrenzten degenerativen Knorpelschäden vorbehalten. Die Ergebnisse mit der ACT sind schlechter, wenn die Integrität der subchondralen Platte z.B. durch Voroperationen (Mikrofraktur) gestört ist [45]. Mit zunehmender Erfahrung hat sich ein erhöhtes Bewusstsein für die Rolle des subchondralen Knochens bei der Behandlung von chondralen Schäden entwickelt [46]. Ohne ein vitales subchondrales Knochenlager sind die Erfolgschancen einer Knorpelreparatur limitiert. Eine Mikrofraktur und Meniskusteilresektion ohne Korrektur einer Varus-Fehlstellung hat keine Chance auf langfristigen Erfolg. Die Knorpelstimulation als Kombinationseingriff ist in diesen Fällen daher mit einer HTO zu empfehlen. Eine Cochrane-Review-Arbeit [47] zeigte deutlich auf, dass die arthroskopische Arthrose-Behandlung dann einen höheren Effekt aufwies, wenn symptomatische Meniskusschäden adressiert werden konnten. Die resezierende Meniskuschirurgie hat daher einen hohen Stellenwert in der Behandlung von frühen Stadien der Gonarthrose. Je mehr symptomatische Kniebinnenläsionen behandelt werden, umso höher ist der Effekt. Je fortgeschrittener die generalisierte Gonarthrose, umso geringer ist der therapeutische Nutzen. Daher ist der Einsatz der genannten Verfahren in frühen Stadien der Arthrose sinnvoll.

Nicht alleine das Alter, sondern insbesondere auch die Aktivität des Patienten entscheidet über die Wahl der Verfahren. Die Dauer der Symptomverbesserung ist abhängig von der individuellen Progredienz der Arthrose [48]. Der demografische Wandel führt dazu, dass immer mehr Menschen bis ins hohe Alter hohe Aktivitätslevel behalten, die eine mehr gelenkerhaltende und sportorthopädische Herangehensweise der Gonarthrose-Behandlung erfordern. Obwohl uns in der Literatur keine Evidenz in der Erfolgsrate beim Vergleich von unikondylären Endoprothesen und Umstellungs-Osteotomien vorliegt, ist die korrekte Indikation entscheidend: Jüngere und aktive Menschen mit unikompartimentellen Arthrosen profitieren länger von einer gelenkerhaltenden Osteotomie ohne Knochenverlust im Vergleich zur Halbschlittenprothese.

Zusammenfassend sind eindeutig symptomatische und lokalisierbare Gelenkschäden an Knorpel, Menisken und Bändern erfolgreich operativ durch arthroskopische Techniken und Umstellungsosteotomien gelenkerhaltend therapierbar. Je früher das Stadium der Arthrose ist, umso effektiver ist deren Behandlung. Als Kombinationseingriff ist die Umstellungsosteotomie bei lateralen oder medialen Kompartiment-Arthrosen als knochenerhaltendes Verfahren heute etabliert. Zusammenfassend eignen sich alle beschriebenen Verfahren bei korrekter Indikation und im richtigen Stadium der Arthrose einzeln oder kombiniert angewendet gut, um die Gonarthrose gelenkerhaltend erfolgreich zu therapieren.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Erhan Basad

ATOS-Klinik Heidelberg

Zentrum für Hüft- und Knie-Endoprothetik, Regenerative Gelenkchirurgie
Bismarckstraße 9–15

69115 Heidelberg

basad@atos.de

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Fussnoten

ATOS-Klinik Heidelberg, Zentrum für Hüft- und Knie-Endoprothetik, Regenerative Gelenkchirurgie

DOI 10.3238/oup.2013.0116–0121

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