Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016
Hallux rigidus
Kerstin Hengstmann1, Uwe Klapper1
Zusammenfassung: Nach dem Hallux valgus ist der Hallux rigidus eine der häufigsten Erkrankungen des Großzehengrundgelenks und die häufigste Arthrose des
Fußes, die zuletzt in der fortgeschrittenen Arthrose des Großzehengrundgelenks endet. Die zur Erkrankung führenden Ursachen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht geklärt, es werden jedoch verschiedene prädisponierende Faktoren
diskutiert. Die klinische Symptomatik präsentiert sich in
Abhängigkeit von dem vorliegenden Stadium als lokaler Schmerz, Bewegungseinschränkung, Schuhkonflikt und
zuletzt kompletter Einsteifung des Gelenks. In der Therapie kommen gelenkerhaltende ebenso wie das Gelenk opfernde Verfahren zur Anwendung, welche unter Bezug sowohl auf das Krankheitsstadium als aber auch auf individuelle Patientenfaktoren sorgfältig ausgewählt werden müssen.
Schlüsselwörter: Großzehengrundgelenk, Arthrose, Bewegungseinschränkung, Osteophyten, Arthrodese
Zitierweise
Hengstmann K, Klapper U: Hallux rigidus.
OUP 2016; 12: 674–678 DOI 10.3238/oup.2016.0674–0678
Summary: Hallux rigidus is one of the most common diseases of the first metatarsophalangeal joint and the most common arthritis of the foot that recently ends in severe osteoarthritis of the joint. The cause of the hallux rigidus is still not determined, although several predisposing factors have been cited. Depending on the degree of degeneration different symptoms can be found such as local pain, limitation of movement, shoe conflict and finally complete stiffness of the joint can occur. Surgical treatment can basically be joint preserving or joint sacrificing depending on the progress of the degenerative process. The decision making is based on the grade of osteoarthritis, joint mobility and individual aspects of each patient. A very precise clarification has to be done referring to patient’s needs and expectations.
Keywords: first metatarsophalangeal joint, arthritis, limitation of movement, osteophytes, arthrodesis
Citation
Hengstmann K, Klapper U: Hallux rigidus.
OUP 2016; 12: 674–678 DOI 10.3238/oup.2016.0674–0678
Einleitung
Die schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Großzehengrundgelenks sowie die sich im weiteren Verlauf entwickelnde Arthrose des Gelenks werden als Hallux rigidus beschrieben.
Initial besteht zunächst eine Einschränkung der Dorsalextension, im weiteren Verlauf kommt es zur Knorpeldegeneration mit begleitender Synovialitis, die zur Bildung osteophytärer Randanbauten vor allem in den Zonen der Überlastung führt.
Neben der Einschränkung der Beweglichkeit – insbesondere der Dorsalextension – beklagen die Patienten auch die mit ausgeprägtem Schuhkonflikt einhergehenden dorsal gelegenen Osteophyten.
Cotterill [1] stellte 1888 erstmalig das Krankheitsbild dar und vermutete, dass Infektionen sowie rheumatoide Arthritis als Hauptursache angesehen werden müssten. Bereits 1887 wurde unter dem Begriff des „Hallux flexus“ eine plantarflektierte Position der Grundphalanx im Verhältnis zum Metatarsale-I-Kopf von Davies-Colley [2] beschrieben.
Andere Begriffe wie Hallux limitus, dorsal bunion, Hallux dolorosus und Hallux malleolus finden sich in der Literatur wieder [3].
Epidemiologie
Der Hallux rigidus tritt bei 2,5 % der über 50-Jährigen auf und ist hiermit die häufigste Arthrose des Fußes [5, 6]. Die Erkrankung betrifft häufiger das weibliche Geschlecht mit einem Verhältnis von 1,5–2:1 gegenüber der männlichen Bevölkerung [7, 8], wobei der Altersgipfel bei den 30- bis 50-Jährigen liegt [8].
Des Weiteren kann die Erkrankung jedoch auch bereits beim Jugendlichen auftreten und zeigt sich radiologisch regelmäßig in einer Entrundung des Metatarsale-I-Kopfs [7]. Ursächlich kann eine Osteochondrosis dissecans des Metatarsale-I-Kopfs oder auch sportliche Überlastungen im Sinne einer „turf toe“ sein.
Ein bilaterales Auftreten der Erkrankung wurde von Gould [9] und Nilsonne [10] angenommen, wobei jedoch in Studien, welche den postoperativen Verlauf nach Hallux rigidus untersuchten, überwiegend eine einseitige Ausprägung beschrieben wird.
Insbesondere bei der juvenilen Form wurde häufig eine positive Familienanamnese gefunden [11].
Einteilung
Unter der Berücksichtigung sowohl der klinischen Symptomatik als auch des radiologischen Befunds hat sich in Europa die Einteilung nach Regnauld etabliert (Tab. 1).
Ätiologie
Bis heute sind die Ursachen, die zu einem Hallux rigidus führen, nicht sicher geklärt. Verschiedene prädisponierende Faktoren werden diskutiert. Unter ihnen führend ist die traumatische Schädigung des Gelenks, welche sowohl als Einzeltrauma mit intraartikulärer Fraktur, ligamentärer oder osteochondraler Läsion, aber auch als repetitives Mikrotrauma auftreten kann.
Beispielhaft ist hier die Turf-toe-Verletzung. Der zugrunde liegende Unfallmechanismus ist eine axiale Lasteinwirkung auf den im Sprunggelenk in Spitzfußstellung fixierten Fuß. Hierdurch kommt es zu einer Hyperextension im Großzehengrundgelenk mit in Abhängigkeit von der Lastaufnahme entstehenden Verletzungen des plantaren Kapsel-Band-Apparats (plantare Platte, Sehne des Flexor hallucis brevis), aber auch ossären Läsionen. Die Verletzung tritt gehäuft bei auf synthetischem Untergrund (Kunstrasen, Tartanboden) ausgeführten Sportarten (z.B. American Football) auf.
Aber auch Sportarten, die mit einer repetitiven Belastung des Großzehengrundgelenks einhergehen (Stop-and-go-Sportarten, Balletttanz) sowie berufliche Tätigkeiten, die eine dauerhafte Dorsalextension im Großzehengrundgelenk erfordern (Dachdecker, Fliesenleger), werden als prädisponierend angesehen [12].
Neben den genannten äußerlich einwirkenden Faktoren werden anlagebedingte Faktoren wie der Metatarsus primus elevatus, der Pes planovalgus, der Vorfußvarus und der Spitzfuß als prädisponierende Faktoren angesehen [12]. Diese führen zu einer exzessiven Pronation während der Standphase des Gangzyklus.
Anlagebedingte Formvarianten des Metatarsale-I-Kopfs mit Abflachung desselben zeigen ein signifikant häufigeres Auftreten bei Patienten mit einer Arthrose des Gelenks [13]. Eine überhöhte Belastung des Gelenks bei Patienten mit einer relativen Überlänge des 1. Zehs oder des 1. Metatarsale wird ebenfalls diskutiert.