Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Hallux rigidus

Initial ist der Hallux rigidus charakterisiert durch Schmerzen über dem Großzehengrundgelenk, welche unter längerer Belastung zunehmen und dann auch gehäuft mit einer Schwellung bei Ergussbildung einhergehen. Bedingt durch die Synovialitis des MTP-I-Gelenks sind zuletzt die Beschwerden auch über die Belastungsphase hinaus vorhanden.

Bei Fortschreiten des Prozesses entstehen die osteophytären Randanbauten mit Maximalausdehnung auf der Dorsalseite des Metatarsale-I-Kopfs, wo sie gelegentlich als dorsaler Kranz palpiert werden können. In engem oder rigidem Schuhwerk führen diese Osteophyten zusätzlich zu Bewegungsschmerzen, einer lokalen Druckproblematik mit Schwielenbildung und einer Entzündungssymptomatik der Weichteile.

Die durch die eingeschränkte Dorsalextension hervorgerufenen Schmerzen in der Abstoßphase des Fußes führen zu einer Abwicklung desselben über den lateralen Fußrand. Hierdurch können Transfermetatarsalgien der benachbarten Zehenstrahlen, aber auch Ermüdungsfrakturen der Metatarsalia hervorgerufen werden. Im klinischen Bild findet dies in der Vermehrung der plantaren Beschwielung über den nachgeordneten Metatarsaleköpfen seinen Ausdruck. Ebenso kann gegebenenfalls eine Hyperkeratose unter dem IP-Gelenk entstehen durch die hier durchgeführte Kompensation der eingeschränkten Beweglichkeit des MTP-I-Gelenks.

Radiologische Befunde

Zur Standardbildgebung gehören die
a.-p.-Aufnahme des Fußes im Stand, die streng seitliche Aufnahme im Stand sowie die Schrägaufnahme. Ergänzend kann eine Tangentialaufnahme des Vorfußes Auskunft über eine bereits vorliegende Sesambeinarthrose geben. Beurteilt werden:

Gelenkspaltverschmälerung (Abb. 1)

subchondrale Sklerose (Abb. 1)

Geröllzysten (Abb. 1)

osteophytäre Anbauten (Abb. 2–4)

freie Gelenkkörper

Gelenkdestruktion

osteochondrale Läsionen

Längenverhältnisse der Metatarsalia

Längsachse des MFK I in Relation zu der des MFK II (Metatarsus primus elevatus)

Im frühen Stadium des Hallux rigidus zeigen sich im Röntgenbild nur geringförmige Veränderungen wie eine diskrete Verschmälerung des Gelenkspalts oder kleinere dorsale Exostosen (Abb. 2). Im fortgeschrittenen Stadium dominieren dann die Gelenkdestruktion und ausgeprägte Osteophytenbildungen (Abb. 3). Der Gelenkspalt stellt sich nahezu aufgehoben dar (Abb. 4).

Weitergehende Untersuchungen wie z.B. eine MRT-Diagnostik zur Beurteilung des Knorpelüberzugs sollte ausgewählten Fällen, beispielsweise bei angenommener osteochondraler Läsion des Metatarsale-I-Kopfs, vorbehalten werden.

Therapie

Konservativ

Das konservative Therapieregime des Hallux rigidus hängt von den Symptomen des Patienten und dem Fortschritt des degenerativen Prozesses ab. Somit kommt es gehäuft in den Frühstadien der Erkrankung zur Anwendung oder aber bei Kontraindikationen gegen eine operative Therapie.

Krankengymnastische Bewegungsübungen im Sinne einer Traktion mit axialem Zug an der Zehe erbringen einen positiven therapeutischen Effekt. Unterstützend kommen physikalische Maßnahmen, Kälteanwendungen, Iontophorese, Reizstrom und Hochfrequenzstrom zur Anwendung.

Eine supportive medikamentöse Therapie mit NSAR oder auch Coxiben kann in den frühen Stadien mit Synovialitis eine Verminderung der entzündungsbedingten Schmerzen bewirken. Eine intraartikuläre Injektion mit einer Cortison-Lokalanästhetika-Mischung kann kurzfristig einen Rückgang der Symptome bewirken, zeigt aber keinen dauerhaften Effekt, sondern kann im Gegenteil den degenerativen Prozess bei wiederholter Anwendung beschleunigen. Der Effekt einer intraartikulären Hyaluronsäuretherapie ist aktuell noch unzureichend untersucht.

Orthopädieschuhtechnische Maßnahmen finden sowohl als Einlagenversorgung als auch als Schuhzurichtung Anwendung. Ziel ist hier jeweils die Verringerung des Bewegungsausmaßes des Großzehengrundgelenks sowie die externe Stabilisierung desselben durch Einarbeitung rigider Elemente. Besonders häufig ist hier die Hallux-rigidus-Rolle: Dies sind langsohlige Einlagen, welche retrokapital quer entlasten und die Zehe in der Stellung einbetten, welche am wenigsten schmerzhaft ist. Ergänzend kann durch Einarbeitung einer Ballenrolle der eingeschränkte Abrollvorgang wieder egalisiert werden.

Orthesen, welche die Zehenbeweglichkeit einschränken, werden häufig nicht gut toleriert, da die Raumfreiheit in der Zehenkappe eingeschränkt wird und es zu Druckdolenzen unter dem Oberleder in Höhe der Osteophyten kommen kann.

Operativ

Grundsätzlich muss zwischen gelenkerhaltenden und gelenkresezierenden Verfahren unterschieden werden, welche in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung zur Anwendung kommen. Hierbei sollte in den Stadien I und II den gelenkerhaltenden Verfahren der Vorzug gegeben werden.

Arthroskopie

Die arthroskopischen Möglichkeiten begrenzen sich auf die Synovektomie, die Entfernung freier Gelenkkörper und die Beurteilung des Knorpelbelags. Sie sollte daher nur von einem erfahrenen Operateur im Stadium I der Erkrankung durchgeführt werden.

Cheilektomie

Die dorsale Cheilektomie bezeichnet die Resektion des dorsalen Drittels des Metatarsale-I-Kopfs mitsamt den gelenknahen Osteophyten (Abb. 5, 6). Auch die knöchernen Anbauten im Bereich der Basis der Grundphalanx müssen mit reseziert werden. Ergänzend erfolgt wie bei allen gelenkerhaltenden Verfahren die Arthrolyse des MTP-I-Gelenks. Dieses auch als „clean-up arthroplasty“ bezeichnete Verfahren wurde erstmalig 1959 von Du Vries beschrieben [14].

Die intraoperativ erzielte Verbesserung der Beweglichkeit wird noch während der Operation mit einer Zügelung in maximaler Dorsalextension gehalten. Essenziell für den Erfolg der Methode ist die eigenständige, intensive und nahtlose Beübung des Gelenks durch den Patienten selbst. Ohne stattgehabte Osteotomie ist eine sofortige Vollbelastung und Frühmobilisation erlaubt.

Über ein späteres Fortschreiten der Erkrankung muss der Patient aufgeklärt werden.

Kessel-Bonney-/Moberg-Osteotomie

Dieses Verfahren wurde erstmalig von Bonney und McNab 1952 beschrieben [15] und zweitmalig von Moberg 1979 [16], weswegen beide Termini zur Anwendung kommen.

Prinzip ist die Entnahme eines dorsalbasigen Keils aus der Grundphalanx, einer Closing-wedge-Osteotomie entsprechend. Als Osteosynthese wird eine Fadencerclage empfohlen. Eine Kombination mit einer Cheilektomie ist sinnvoll, um eine zusätzliche Erweiterung des Bewegungsumfangs zu erzielen [17].

Im Gegensatz zur alleinigen Cheilektomie sind nach der Osteotomie keine sofortigen Bewegungsübungen möglich, da erst die knöcherne Konsolidierung abgewartet werden muss. Daher wird als Nachteil der Operation eine postoperative Gelenkeinsteifung angeführt, wobei bei Anwendern eine Zufriedenheit ihrer Patienten von 82 % aufgezeigt wurde [18].

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