Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Hüftendoprothetik bei entzündlich rheumatischer Gelenkdestruktion

Prinzipiell ist auch die Verwendung von zementierten Pfannen möglich. Durch eine gute Implantationstechnik können gute Ergebnisse mit langen Standzeiten erreicht werden. Kleinere Defekte am Pfannenrand können mittels Zement ausgefüllt werden, auch ist hier eine Kompensation von ausgedünntem dorsalen Pfannenrand wie bei der dysplastischen Form durch den Zement möglich. In der Literatur finden sich ältere Studien mit höheren Raten aseptischer Lockerungen, die in neueren Studien und Registerdaten mit moderner Zementiertechnik nicht mehr beschrieben werden [35, 36]. Für größere Defekte eignet sich eine Zementauffüllung nicht.

Schaftversorgung

Bei der Schaftversorgung muss ebenfalls der verminderten Knochenqualität Rechnung getragen werden. Auch im Bereich der Metaphyse und des Schenkelhalses wurde eine gestörte Knochenarchitektur nachgewiesen [37, 38]. Dennoch zeigen sich auch bei der RA gute Ergebnisse mit der zementfreien Verankerung [36, 39–41]. Es liegen vor allem Ergebnisse von diaphysär verankerten Prothesentypen vor. Bei jüngeren Patienten mit gut erhaltener Knochensubstanz können jedoch aus Sicht der Autoren durchaus auch Kurzschaftprothesen mit metaphysärer Verankerung verwendet werden (Abb. 10). Einige Studien zeigen zufriedenstellende Ergebnisse bei der RA, es fehlen jedoch noch die Langzeitdaten [42]. Eine 6-wöchige Entlastung an Unterarmgehstützen kann in Betracht gezogen werden [42].

Bei älteren Patienten und Patienten mit bekannter Osteoporose besteht die Indikation für eine zementierte Schaftverankerung. Es ist zu beachten, dass auch jüngere Patienten mit jahrelanger Kortisontherapie ein hohes Risiko für eine Osteoporose aufweisen. Im Zweifelsfall sollte eine präoperative Knochendichtemessung in Betracht gezogen werden. Bei starker Reduktion der Knochenmasse sollte auch beim jüngeren Patienten ein zementierter Schaft erwogen werden, um intraoperative Frakturen bei Verwendung eines zementfreien Implantats zu vermeiden [43].

Bei juveniler RA ist zu beachten, dass ggf. Spezialimplantate notwendig sind, insbesondere bei den dysplastischen Formen mit einer pathologischen Antetorsion des Schenkelhalses. Hier können Konusschäfte mit frei wählbarer Rotation notwendig werden [44]. Kleine Größen müssen bevorratet sein!

Synovialektomie

Beim Ersatz des Hüftgelenkes erübrigt sich meist die Frage, ob zusätzlich eine Synovialektomie durchzuführen ist, weil meist – schon kontrakturbedingt – eine vollständige Resektion der fibrösen Kapsel und mit ihr des Synovialgewebes notwendig wird. Wichtig ist es, auf ventrale Arthrocelen zu achten bzw. auf eine Verbindung des Gelenkraumes mit der Bursa iliopectinea. Die Verbindung sollte ggf. breit eröffnet werden, um einen Flüssigkeitsverhalt in der Bursa zu verhindern (Abb. 11).

Zugang

Die Zugänge zum Hüftgelenk unterscheiden sich beim Rheumatiker nicht gegenüber der Versorgung bei der primären Coxarthrose. Es kommen der anteriore (Smith-Peterson-Zugang), der anterolaterale (Watson-Jones-Zugang), der transgluteale (Bauer-Zugang) sowie der dorsale Zugang (Moore-Zugang) zum Einsatz. Alle Zugänge weisen in neueren Studien exzellente Ergebnisse auf [45]. Bei der Wahl des Zuganges sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden: ein möglichst geringes Muskel,- und Weichteiltrauma, ein niedriges Risiko für neurovaskuläre Komplikationen und eine optimale Implantatpositionierung. Vor diesem Hintergrund erscheint der transgluteale Zugang, bei dem der M.gluteus medius inzidiert wird, von Nachteil zu sein [46]. In jüngerer Zeit ist ein Trend zu minimal-invasiven Zugängen zu erkennen. Dabei erscheint insbesondere der anteriore Zugang, der das Intervall zwischen dem M.tensor fasciae latae und dem M.sartorius nutzt, Vorteile zu bieten [47–49]. Dennoch lassen sich in neueren Studien mittelfristig keine eindeutigen Vorteile nachweisen. Früh postoperativ zeigten einigen Studien ein besseres funktionelles Outcome, das ein Jahr postoperativ häufig nicht mehr nachweisbar war [50, 51]. Zudem zeigen Studien auch, dass eine schlechte Exposition zu höheren Komplikationsraten führen können [52, 53]. Insbesondere besteht eine Gefahr für eine Fehlpositionierung der Prothesenkomponenten.

War in älteren Studien vor allem der dorsale Zugang mit höheren Luxationsraten assoziiert, so lässt sich in neueren Studien diesbezüglich häufig kein signifikanter Unterschied zu anderen Zugängen nachweisen [55, 56].

Prinzipiell ist auch bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis ein geringes Weichteiltrauma von Vorteil, jedoch ist aufgrund der häufig verminderten Knochenqualität sowie der teils ausgeprägten Destruktion der Pfanne eine optimale Exposition von großer Wichtigkeit. Ebenfalls sollte die Exposition eine gute Übersicht für eine vollständige Synovialektomie bieten. Daher sollten minimal-invasive Zugänge nur mit Bedacht und bei Patienten ohne stärkere Gelenkdestruktion angewendet werden. Anhand der aktuellen Studienlage lässt sich schlussfolgern, dass das wichtigste Kriterium für die Wahl des Zuganges die Erfahrung des Operateurs darstellt.

Ergebnisse nach
endoprothetischem
Gelenkersatz

Neuere Studien zeigen sehr gute Ergebnisse für den endoprothetischen Gelenkersatz an der Hüfte bei der RA [35, 57]. Wurde in älteren Studien vor allem deutlich erhöhte Raten an Luxationen, Infektion und auch aspetischen Lockerungen berichtet, lassen sich diese in neueren Studien nicht mehr nachweisen. Es besteht jedoch auch in diesen Studien ein Trend zu moderat erhöhten Luxationsraten und Infektionsraten im Vergleich zu Arthrosepatienten [58]. In einer großen Metaanalyse wurde ein etwa 2-fach erhöhtes Luxationsrisiko anhand der aktuellen Studienlage errechnet [59]. Als Ursache für die erhöhten Luxationsraten werden u.a. die verminderte Muskelkraft bei Rheumakranken sowie die nicht ausreichende Rekonstruktion des azetabulären Drehzentrums bei einer Protrusionsform diskutiert [59]. Aus Sicht der Autoren rechtfertigen diese moderat erhöhten Luxationsraten nicht den generellen Einsatz von tripolaren Pfannensystemen bei der RA, jedoch kann die Verwendung im Einzelfall unter Beachtung der Patienten individuellen Risikofaktoren in Betracht gezogen werden.

In Bezug auf die Rate an periprothetischen Infektionen nach Hüft-TEP Implantation bei RA ist die Studienlage nicht einheitlich. Während einige Studien und Registerdaten keine signifikant erhöhte Rate berichten [60], so zeigen andere teils deutlich erhöhte Raten [6, 58, 61]. Als Ursachen für die erhöhten Infektionsraten werden die systemischen Wirkungen der Grunderkrankungen und die immunsuppressive Therapie, insbesondere die Verwendung von Biologika, diskutiert. Auch wenn es diesbezüglich Hinweise für Wundheilungsstörungen und erhöhte Infektionsraten gibt [62], so ist die Studienlage insgesamt noch nicht ausreichend, um eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen. Die aktuellen Leitlinienempfehlungen zur Medikationspause, insbesondere bei Biologika und Leflunomid stellen eine Vorsichtsmaßnahme dar.

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