Übersichtsarbeiten - OUP 01/2017

Infektionen der großen Gelenke – Diagnostik und therapeutische Strategie

Matthias Kemmerer1, Yves Gramlich1, Gerhard Walter1, Reinhard Hoffmann2

Zusammenfassung: Bakterielle Gelenkinfekte haben für den Betroffenen oft erhebliche Konsequenzen und stellen eine therapeutische Herausforderung dar. Unbehandelt oder zu spät erkannt können durch Sepsis oder Multiorganversagen lebensbedrohliche Krankheitsbilder entstehen. Irreversible Destruktionen stellen ein Risiko für die Extremitätenfunktion dar. Häufig finden sich verzögert der Behandlung zugeführte, fortgeschrittene Infekte. Aber gerade das frühzeitige Erkennen eines Gelenkinfekts und die rasche Einleitung der Behandlung sind für das Ergebnis entscheidend. Die Therapieprinzipien sind multimodal: operatives Debridement, Antibiotikatherapie sowie adjuvante Maßnahmen. Gelingt im Frühstadium eine rasche Infektberuhigung, kann das Gelenk gerettet werden. Andernfalls sind teils aufwendige Maßnahmen bis hin zu Gelenkresektionen mit sekundärem Ersatz notwendig. Bei schwersten Verläufen werden Verfahren wie Arthrodesen, Amputationen oder Exartikulationen erforderlich.

Schlüsselwörter: Gelenkinfekt, Gelenkdestruktion, Extremitätenfunktion

Zitierweise
Kemmerer M, Gramlich Y, Walter G, Hoffmann R: Infektionen der großen Gelenke – Diagnostik und therapeutische Strategie.
OUP 2017; 1: 031–036 DOI 10.3238/oup.2017.0031–0036

Summary: Bacterial joint infections are a therapeutic challenge, and are associated with significant burden for patients. Delays in diagnosis and in the initiation of effective treatment may lead to life-threatening complications, including sepsis and multi-organ failure. The function of affected extremities is at risk when irreversible joint destruction occurs. Infections often present at advanced stages due to delayed initiation of effective treatment, while early diagnosis and rapid initiation of effective treatment are in fact crucial to achieving favorable outcomes. Therapy is in principle multimodal, involving surgical debridement, antibiotic treatment, and adjuvant care. Achievement of rapid reduction in inflammatory activity at an early stage is key to preserving joints and joint function. If this cannot be achieved, complex and extensive interventions may be required, including joint resection or replacement. Procedures such as arthrodeses, amputations or even disarticulations are sometimes inevitable in severest cases.

Keywords: joint infection, joint destruction, function of extremity

Citation
Kemmerer M, Gramlich Y, Walter G, Hoffmann R: Infections of large joints – diagnostics and therapeutic strategy.
OUP 2017; 1: 031–036 DOI 10.3238/oup.2017.0031–0036

Ätiologie und Inzidenz

Zur Infektauslösung sind außer dem Eindringen von Keimen die eingeschränkte Abwehrfähigkeit sowohl der bradytrophen Gelenkstrukturen als auch etwaig einliegende Fremdkörper (Implantate) verantwortlich [1–5].

Unbehandelt sind im Gelenk bereits nach einer Woche irreversible Schäden zu erwarten, dann spricht man am Gelenk bereits von einem Spätinfekt [5, 6].

Am häufigsten entstehen Empyeme an Schulter, Ellenbogen, Hüfte und Knie durch hämatogene Ausbreitung, danach folgen postinterventionelle und posttraumatische Ursachen [5, 7]. Aufgrund steigender Zahl durchgeführter Gelenkeingriffe nimmt die Gesamtzahl postinterventioneller Infekte zu [5, 7].

Die Inzidenz von Gelenkinfekten ist abhängig von ihrer Lokalisation sowie den zuvor durchgeführten Maßnahmen [2]. So zeigen Knieinfekte je nach Eingriffsfaktoren ein unterschiedliches Infektrisiko: Es liegt für die Gelenkpunktion und Arthroskopie um 0,1 % [1, 8], für Infiltrationen mit Kortikoiden [2, 3] oder für Bandersatzplastiken bis 1 % [3, 9]; Schulterarthroskopien werden mit einem Infektrisiko bis 0,7 % veranschlagt [1]. Abhängig vom Schweregrad einer Verletzung mit Gelenkbeteiligung kann das Risiko deutlich höher sein. So liegen die Infektraten bei drittgradig offenen Frakturen teils über 40 % [10, 11]. Seltener sind direkt das Gelenk penetrierende Verletzungen wie tiefe Riss-, Schuss-, Stich- und Bisswunden sowie in Gelenke fortgeleitete Entzündungen wie Bursitiden, Senkungsabszesse, infizierte Hämatome, Phlegmonen, Erysipele, Nekrosen, als Rarität auch ein Hämarthros und anderes [12]. Im Weiteren nicht diskutierte Entitäten sind periprothetische und kindliche Gelenkinfekte.

Einteilung der Gelenkinfekte

Abhängig von Ausdehnung und Schweregrad der entzündeten Gelenkstrukturen existieren verschiedene Einteilungen. Die gebräuchlichste nach Gächter nutzt arthroskopische und radiologische Kriterien [13–15] (Abb. 1). Hierbei werden nicht nur die Prognose, sondern auch die Interventionsstrategie berücksichtigt [6].

Symptomatik

Der akute Infekt zeigt meist ein fulminantes Krankheitsbild. Aufgrund des oft eindrücklichen Lokalbefunds und der meist richtungsweisenden Anamnese ist die Diagnosestellung eines Empyems meist kein Problem [5].

Häufig finden sich lokal alle klassischen Infektionszeichen. Es können auch Allgemeinsymptome wie Fieber, Schüttelfrost bis hin zur Sepsis vorliegen. Der klinische Befund kann aber je nach Ausprägung des Infekts und Weichgewebsmantels – besonders an Schulter und Hüftgelenk – schwierig einzuschätzen sein [1].

Bei einem chronischen Gelenkinfekt findet sich oft eine larvierte Symptomatik mit mäßigen Schmerzen. Lokal finden sich ggf. Fisteln oder ein geringer Erguss, radiologisch können Gelenkzerstörungen, Instabilitäten des Gelenks oder Lockerung von Implantaten vorliegen [6, 12, 15, 16].

Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten

Die Abgrenzung eines Gelenkinfekts von einer aseptischen Entzündung, wie z.B. einer postoperativen Inflammation, Kristallarthropathie oder aktivierten Arthrose und anderem kann schwierig sein.

Auch eine massive gelenknahe Entzündungssymptomatik, bis hin zu seltenen Differenzialdiagnosen wie nekrotisierender Fasciitis oder Pyoderma gangraenosum, erschwert gelegentlich die Abgrenzung von einem Empyem (Abb. 2).

Bei fehlender Immunantwort oder bereits eingeleiteter Antibiotikatherapie können ein mitigierter Verlauf und ein relativ unauffälliger Lokalbefund vorliegen [7].

Diagnose eines Gelenkinfekts

Ein einzelner Parameter zur Detektion existiert nicht, so ergibt sich die Notwendigkeit der Zusammenschau von Befunden.

Neben der klinischen Untersuchung und ausführlichen Anamnese, insbesondere bezogen auf Verlauf und Schmerzqualität (typisch: Ruheschmerz), sind folgende Untersuchungen obligat:

Laborwerte: Blutbild, CRP, Differenzialblutbild, BSG, Harnsäure

Das CRP ist meist richtungsweisend, es gibt jedoch unauffällige Werte bei chronischen Infekten mit Fisteln oder unter Antibiotikatherapie. Schwierig abgrenzbar sind erhöhte CRP-Werte bei zusätzlichen Infektherden oder bei rheumatoider Arthritis [16].

Röntgenuntersuchung des betroffenen Gelenks in 2 Ebenen, ggf. mit gesamter angrenzender Osteosynthese und Nachbargelenken

Gelenksonografie zum Nachweis eines Gelenkergusses und Beurteilung des periartikulären Weichgewebes [6, 15]

Punktion: Ein Erregernachweis muss geführt werden. Bei klarer Notfallindikation zur operativen Revision ist eine Punktion zuvor entbehrlich, da intraoperativ gewonnene Gewebeproben eine höhere Sensitivität besitzen [12, 13]. Die Rate negativer Bakteriologien für intraoperativ gewonnene Proben ist niedriger [1, 6].

Obligat zu fordern für die Punktion sind ein aseptisches Vorgehen, eine Stichinzision der Haut und keine Verwendung von Lokalanästhesie. Ein rascher Transport, eine zügige Bearbeitung sowie eine Bebrütung für 14 Tage sind sicherzustellen. Falsch negative Befunde sind oft der Qualität der Probenbehandlung und/oder einer etwaigen antibiotischen Vorbehandlung geschuldet. Vor Probengewinnung sollte deshalb keine Antibiotikagabe erfolgen [6].

Der makroskopische Aspekt des Punktats ist meist richtungsweisend [1]. Durchgeführt werden sollte eine mikrobiologische Untersuchung unter Verwendung von Kulturmedien sowie die Bestimmung der Zellzahl und -differenzierung. Leukozytenwerte ? 50 000/ml gelten als hinweisend für eine bakterielle Infektion [6, 17].

Die Bestimmung der Leukozytenesterase – als einfacher Schnelltest mittels sogenanntem Urinstick – kann zusätzlich eingesetzt werden; die Bestimmung des Alpha Defensin ist möglich, findet jedoch eher bei periprothetischen Infekten eine sinnvolle Anwendung [5, 6, 18].

Das Punktat kann zusätzlich einer differenzialdiagnostischen serologischen Abklärung auf z.B. Borrelien, TBC, Rheuma und Chlamydien dienen.

Zusatzuntersuchungen

Bei einem chronischen Infekt kann ein Vergleich aktueller mit älteren Röntgenbildern hilfreich sein. Eine CT- oder MRT-Untersuchung mit Kontrastmittel kann die Lokalisation und Ausdehnung des Infekts darstellen. Bei der Interpretation müssen jedoch postoperative Artefakte in der Bildgebung berücksichtigt werden [11]. Selten ist der Einsatz von PET oder einer Szintigrafie erforderlich.

Bei einer Sepsis sind zur Keimbestimmung Blutkulturen und ggf. eine Multiplex-PCR hilfreich [6], zur Verlaufsuntersuchung bei Sepsis die Bestimmung des Prokalzitonins.

Therapie

Bei bakteriellen Gelenkinfekten besteht im deutschsprachigen Raum Konsens für eine operative Behandlung mit zusätzlicher Antibiotikatherapie sowie adjuvanten Maßnahmen (s.u.).

Gleichzeitig bestehende pulmonale oder urologische Infekte stellen keine Kontraindikation zur Operation dar [12, 13]. Seltene Ausnahmen bilden gesicherte Gonokokkeninfekte und kindliche Gelenkinfekte, die initial nach Punktion konservativ behandelt werden können [7, 15].

Arthroskopie oder offene OP?

Nicht für alle großen Gelenke ist eine Überlegenheit des arthroskopischen Vorgehens bei Infekten belegt. Am Ellenbogen und Hüftgelenk sind die Erfahrungen bei arthroskopischer Infektbehandlung gering [19–21].

Das empfohlene, stadienadaptierte Vorgehen nach Gächter [13, 14] birgt das Problem, dass sich das wahre Ausmaß eines Infekts erst während der ersten Operation zeigt.

Infekte des Kniegelenks sind dann meist gut arthroskopisch zu behandeln, wenn zuvor Arthroskopien, Punktionen oder Infiltrationen erfolgten. Bei einliegenden Implantaten, z.B. Kreuzbandersatz, muss ggf. eine offene Revision der Bohrkanäle ergänzt werden [5, 15]. Am arthroskopisch gut adressierbaren Schultergelenk sehen wir in der Infektsituation die Gefahr einer iatrogenen Keimverschleppung periartikulär.

Bei stattgehabter offener Vorbehandlung besteht keine Indikation zur arthroskopisch durchgeführten septischen Revision [5].

Im eigenen Vorgehen fokussiert sich die arthroskopische Infektbehandlung meist auf das Kniegelenk.

Operative Maßnahmen

Obligate Bestandteile jeder septischen Gelenkrevision, unabhängig von der Zugangsart, sind:

Mikrobiologische Probeentnahmen: Es werden zur Steigerung der Nachweisrate bis zu 5 Gewebeproben empfohlen [4] sowie möglichst auch aus der Gelenkflüssigkeit. Abstriche sollten aufgrund geringerer Reliabilität vermieden werden.

Histologie: Proben hierfür sollten aus der Synovia genommen werden, ggf. weitere z.B. aus Knorpel, Knochen, Transplantaten.

Spülung: Wir sehen bei Verwendung einer „dosierten“ Jetlavage bei offenem Vorgehen keine Probleme der Infektausbreitung. Bei der arthroskopischen Spülung ist die Spülmenge abhängig vom Gelenk und Infektausmaß zu wählen. Im Gelenk ist eine Spülung mit derzeit verfügbaren Antiseptika aufgrund nachgewiesener Chondrotoxizität nicht erlaubt. Darüber hinaus ist kein Vorteil gegenüber einer Spülung mit Elektrolytlösung bewiesen [3, 6].

Debridement: Bei der Durchführung des Debridements werden infizierte und nekrotische Gewebsanteile reseziert. Eine Synovektomie ist ggf. ab Stadium III nach Gächter erforderlich, bei Stadium IV gilt sie als obligat [1, 5, 16].

Einliegende Implantate oder Transplantate sind auf ihre Stabilität zu prüfen. Bei Frühinfekten gilt initial das Prinzip eines Erhaltungsversuchs (bis Gächter-Stadium II), eine primäre Instabilität oder ausbleibende Infektberuhigung bei Etappenrevision macht jedoch eine Entfernung von Implantaten, ggf. mit 2-zeitiger Rekonstruktion, erforderlich [5].

Vorbestehende Zugänge sind zu nutzen und zu debridieren. Bedarfsweise sind zusätzliche Zugänge anzulegen, falls nicht alle Gelenkregionen suffizient erreichbar sind [4, 10]. Am Knie sind das häufig posterior orientierte Zugänge. Eventuell notwendige Folgeoperationen sollten bei der Zugangswahl berücksichtigt werden, z.B. für einen später erforderlichen Gelenkersatz [1, 10].

Insbesondere bei Frühinfekten und einliegendem Fremdmaterial empfehlen wir empirisch, lokale Antibiotikaträger einzusetzen, wobei evidenzbasierte Daten einer Überlegenheit ihres Einsatzes fehlen [6].

Ein Wundverschluss sollte nie erzwungen werden, ggf. empfiehlt sich der temporäre Einsatz einer Vakuumokklusion. Bei offener Wundbehandlung ist eine Retraktion der Weichgewebe zu befürchten, sodass ggf. plastische Deckungsmaßnahmen erforderlich werden. Mindestens eine intraartikuläre Drainage sollte eingelegt werden. Die Entfernung der Drainage sollte abhängig von Sekretion und weiterem Verlauf erfolgen.

Second-look-Revisionen sind bei massivem Erstbefund regelhaft und zeitnah einzuplanen. Ansonsten ergibt sich eine Revisionsindikation durch den klinischen Verlauf oder die mikrobiologischen Untersuchungen. Revisionen ermöglichen:

eine Abschätzung des Infektverlaufs, d.h. auch des Ansprechens der bisherigen Therapie

eine erneute lokale Infektbehandlung

eine erneute Probengewinnung

Die Frequenz von Etappenrevisionen orientiert sich am Einzelfall, hilfreich ist das Vorliegen des Antibiogramms der Erstuntersuchung zum Zeitpunkt der Folgeoperation.

Bei einem primär arthroskopisch adressierten Infekt empfiehlt sich ein Umstieg auf ein offenes chirurgisches Verfahren, falls bei der Revision ein Gächter-Stadium > II besteht oder nach 2-maligem arthroskopischen Vorgehen keine lokale Befundbesserung oder weiterhin ein positiver Keimnachweis vorliegt [4].

Bei schwerwiegenden Verläufen mit irreversibler Destruktion sind Gelenkresektionen meist unvermeidbar. Abhängig vom betroffenen Gelenk und anderen Faktoren sind dann Maßnahmen wie Arthrodesen, Gelenkersatz oder Belassen einer Resektionsarthroplastik notwendig [16, 22] (Abb. 5).

Antibiotikatherapie

Die initiale Antibiotikatherapie erfolgt meist kalkuliert, aufgrund der zu erwartenden Keime wird meist die Gabe eines ?-Lactam-Aminopenicillins intravenös empfohlen [15]. Im Rahmen der mehrwöchigen weiteren Therapie kann ggf. abhängig vom Infektverlauf, der Frage der Gewebegängigkeit des Antibiotikums, aber auch dem etwaigen Einsatz lokaler Antibiotikaträger eine rasche Umstellung auf orale Gabe erfolgen.

Bei implantatassoziierten Infekten ist eine Kombination mit Rifampicin zu empfehlen, um die Wirksamkeit gegen eine Biofilmbildung zu steigern [4].

Adjuvante Maßnahmen

Einerseits sind infizierte Gelenke von einer Einsteifung (Arthrofibrose) bedroht, andererseits unterstützt eine Ruhigstellung die Infektberuhigung und Schmerzreduktion.

Eine funktionelle Bewegungstherapie z.B. mittels Motorschiene sowie Physiotherapie dienen der Wiederherstellung der Gelenkfunktion [9, 23].

Die Therapieintensität muss im Verlauf immer wieder an das Ausmaß der Infektberuhigung adaptiert werden und erfordert viel Erfahrung. Eine adäquate systemische Schmerztherapie ist erforderlich, die Verwendung von Schmerzkathetern ist je nach Lokalisation und Infektausdehnung kritisch zu prüfen.

Weiterbehandlung

Die systemische Antibiotikabehandlung sollte für 6 Wochen nach dem letzten Eingriff erfolgen. Aufgrund der geringen Belastbarkeit des Knorpels im Rahmen eines Infekts empfiehlt sich an den unteren Gliedmaßen eine maximale Teilbelastung von 20 kg für 6 Wochen [1, 7].

Klinische und laborchemische Verlaufskontrollen sind obligat. Bei knöcherner Beteiligung werden eventuell radiologische Kontrollen notwendig.

Eigene Ergebnisse

Bei 42 in unserer Abteilung behandelten und nachuntersuchten Kniegelenkempyemen (K) und 29 Schulterinfekten (S) ergaben sich die in der Abbildung 3 dargestellten Häufigkeiten der Indikation zur septischen Revision. Der Altersdurchschnitt betrug für die Kniegelenke 44,3 Jahre, die Geschlechterverteilung m:w lag bei 30:12; für die Schulter waren es 44,75 Jahre und m:w = 18:11. In 11 (K) bzw. 3 (S) Fällen fanden sich keine Keime, mehrere Keime in 6 (K) bzw. 5 (S) Fällen (Abb. 4).

An der Schulter wurden alle Operationen offen durchgeführt. Am Knie wurden 30 Arthroskopien, 14 primär offene Operationen sowie ein Umstieg auf offene Revision im Verlauf in 3 Fällen vorgenommen.

Die Remissionsrate lag für Knie und Schultern bei über 90 %. Beide Gruppen zeigten eine Häufung von Staphylococcus aureus und koagulasenegativen Staphylokokken. Typischerweise finden sich Propionibacter-Nachweise nur an der Schulter. Die Anzahl sowohl der Etappenrevisionen als auch der Rezidivinfekte und die Schweregrade lagen an der Schulter höher als am Knie.

Beispiel

Es handelte sich um einen 54-jährigen Mann mit Kniedistorsion und Kniegelenkempyem (Gächter IV) nach Arthroskopie (Abb. 5). Die Ausbehandlung erfolgte durch Kontaktarthrodese mittels Fixateur externe, Vollbelastung nach 3 Monaten und Materialentfernung nach 6 Monaten. Die Kontrolle nach 18 Monaten zeigte, dass der Infekt sich beruhigt hatte und keine Schmerzmittel benötigt wurden.

Diskussion

Es ist allgemein akzeptiert, dass es sich bei einem akuten Gelenkinfekt um einen Notfall handelt. Die Diskussion über die geeignete Vorgehensweise, z.B. Punktion plus Drainage versus Operation, sowie die Wahl arthroskopisch versus offen chirurgisch wird in der Literatur uneinheitlich und wenig pragmatisch geführt. Die Entscheidung für ein arthroskopisches Vorgehen sollte getroffen werden, wenn eine Arthroskopie des betroffenen Gelenks zu jeder Zeit gewährleistet werden kann sowie alle Gelenkanteile besser als bei offenem Vorgehen adressierbar sind. Darüber hinaus auch nur, falls die Voroperation arthroskopisch erfolgte. Bei anhaltenden oder zunehmenden Infektzeichen im Rahmen einer Etappenrevision sollte der Umstieg auf eine offene Arthrotomie mit radikaler Synovektomie erwogen werden. Eine konsequente Entlastung bei funktioneller Bewegung des Gelenks wird ebenso wie eine systemische 6-wöchige Antibiotikatherapie nach letzter Revision empfohlen. Physiotherapeutische Maßnahmen sowie klinische, laborchemische, ggf. auch bildgebende Kontrollen sind erforderlich.

Mit dem dargestellten, von uns angewandten Behandlungsregime lässt sich eine hohe Rate an Infektberuhigungen erzielen. Die der Behandlung zugeführten, häufig fortgeschrittenen Infektstadien erlauben jedoch nicht immer eine Wiederherstellung der Gelenkfunktion. Gerade weil eine frühzeitige und suffiziente Behandlung für den Verlauf und das Ergebnis mitentscheidend ist, sollte bei fehlender Erfahrung und adäquater Logistik zur Behandlung eines Empyems eine rechtzeitige Einweisung bzw. Verlegung in ein septisch-chirurgisches Zentrum für Bewegungsorgane erfolgen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Matthias Kemmerer

BG Unfallklinik Frankfurt
am Main gGmbH

Friedberger Landstraße 430

60389 Frankfurt am Main

matthias.kemmerer@bgu-frankfurt.de

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Fussnoten

1 Abteilung Septische Chirurgie, BG Unfallklinik Frankfurt/Main

2 Abteilung Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie, BG Unfallklinik Frankfurt/Main

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