Übersichtsarbeiten - OUP 01/2017

Infektionen der großen Gelenke – Diagnostik und therapeutische Strategie

eine Abschätzung des Infektverlaufs, d.h. auch des Ansprechens der bisherigen Therapie

eine erneute lokale Infektbehandlung

eine erneute Probengewinnung

Die Frequenz von Etappenrevisionen orientiert sich am Einzelfall, hilfreich ist das Vorliegen des Antibiogramms der Erstuntersuchung zum Zeitpunkt der Folgeoperation.

Bei einem primär arthroskopisch adressierten Infekt empfiehlt sich ein Umstieg auf ein offenes chirurgisches Verfahren, falls bei der Revision ein Gächter-Stadium > II besteht oder nach 2-maligem arthroskopischen Vorgehen keine lokale Befundbesserung oder weiterhin ein positiver Keimnachweis vorliegt [4].

Bei schwerwiegenden Verläufen mit irreversibler Destruktion sind Gelenkresektionen meist unvermeidbar. Abhängig vom betroffenen Gelenk und anderen Faktoren sind dann Maßnahmen wie Arthrodesen, Gelenkersatz oder Belassen einer Resektionsarthroplastik notwendig [16, 22] (Abb. 5).

Antibiotikatherapie

Die initiale Antibiotikatherapie erfolgt meist kalkuliert, aufgrund der zu erwartenden Keime wird meist die Gabe eines ?-Lactam-Aminopenicillins intravenös empfohlen [15]. Im Rahmen der mehrwöchigen weiteren Therapie kann ggf. abhängig vom Infektverlauf, der Frage der Gewebegängigkeit des Antibiotikums, aber auch dem etwaigen Einsatz lokaler Antibiotikaträger eine rasche Umstellung auf orale Gabe erfolgen.

Bei implantatassoziierten Infekten ist eine Kombination mit Rifampicin zu empfehlen, um die Wirksamkeit gegen eine Biofilmbildung zu steigern [4].

Adjuvante Maßnahmen

Einerseits sind infizierte Gelenke von einer Einsteifung (Arthrofibrose) bedroht, andererseits unterstützt eine Ruhigstellung die Infektberuhigung und Schmerzreduktion.

Eine funktionelle Bewegungstherapie z.B. mittels Motorschiene sowie Physiotherapie dienen der Wiederherstellung der Gelenkfunktion [9, 23].

Die Therapieintensität muss im Verlauf immer wieder an das Ausmaß der Infektberuhigung adaptiert werden und erfordert viel Erfahrung. Eine adäquate systemische Schmerztherapie ist erforderlich, die Verwendung von Schmerzkathetern ist je nach Lokalisation und Infektausdehnung kritisch zu prüfen.

Weiterbehandlung

Die systemische Antibiotikabehandlung sollte für 6 Wochen nach dem letzten Eingriff erfolgen. Aufgrund der geringen Belastbarkeit des Knorpels im Rahmen eines Infekts empfiehlt sich an den unteren Gliedmaßen eine maximale Teilbelastung von 20 kg für 6 Wochen [1, 7].

Klinische und laborchemische Verlaufskontrollen sind obligat. Bei knöcherner Beteiligung werden eventuell radiologische Kontrollen notwendig.

Eigene Ergebnisse

Bei 42 in unserer Abteilung behandelten und nachuntersuchten Kniegelenkempyemen (K) und 29 Schulterinfekten (S) ergaben sich die in der Abbildung 3 dargestellten Häufigkeiten der Indikation zur septischen Revision. Der Altersdurchschnitt betrug für die Kniegelenke 44,3 Jahre, die Geschlechterverteilung m:w lag bei 30:12; für die Schulter waren es 44,75 Jahre und m:w = 18:11. In 11 (K) bzw. 3 (S) Fällen fanden sich keine Keime, mehrere Keime in 6 (K) bzw. 5 (S) Fällen (Abb. 4).

An der Schulter wurden alle Operationen offen durchgeführt. Am Knie wurden 30 Arthroskopien, 14 primär offene Operationen sowie ein Umstieg auf offene Revision im Verlauf in 3 Fällen vorgenommen.

Die Remissionsrate lag für Knie und Schultern bei über 90 %. Beide Gruppen zeigten eine Häufung von Staphylococcus aureus und koagulasenegativen Staphylokokken. Typischerweise finden sich Propionibacter-Nachweise nur an der Schulter. Die Anzahl sowohl der Etappenrevisionen als auch der Rezidivinfekte und die Schweregrade lagen an der Schulter höher als am Knie.

Beispiel

Es handelte sich um einen 54-jährigen Mann mit Kniedistorsion und Kniegelenkempyem (Gächter IV) nach Arthroskopie (Abb. 5). Die Ausbehandlung erfolgte durch Kontaktarthrodese mittels Fixateur externe, Vollbelastung nach 3 Monaten und Materialentfernung nach 6 Monaten. Die Kontrolle nach 18 Monaten zeigte, dass der Infekt sich beruhigt hatte und keine Schmerzmittel benötigt wurden.

Diskussion

Es ist allgemein akzeptiert, dass es sich bei einem akuten Gelenkinfekt um einen Notfall handelt. Die Diskussion über die geeignete Vorgehensweise, z.B. Punktion plus Drainage versus Operation, sowie die Wahl arthroskopisch versus offen chirurgisch wird in der Literatur uneinheitlich und wenig pragmatisch geführt. Die Entscheidung für ein arthroskopisches Vorgehen sollte getroffen werden, wenn eine Arthroskopie des betroffenen Gelenks zu jeder Zeit gewährleistet werden kann sowie alle Gelenkanteile besser als bei offenem Vorgehen adressierbar sind. Darüber hinaus auch nur, falls die Voroperation arthroskopisch erfolgte. Bei anhaltenden oder zunehmenden Infektzeichen im Rahmen einer Etappenrevision sollte der Umstieg auf eine offene Arthrotomie mit radikaler Synovektomie erwogen werden. Eine konsequente Entlastung bei funktioneller Bewegung des Gelenks wird ebenso wie eine systemische 6-wöchige Antibiotikatherapie nach letzter Revision empfohlen. Physiotherapeutische Maßnahmen sowie klinische, laborchemische, ggf. auch bildgebende Kontrollen sind erforderlich.

Mit dem dargestellten, von uns angewandten Behandlungsregime lässt sich eine hohe Rate an Infektberuhigungen erzielen. Die der Behandlung zugeführten, häufig fortgeschrittenen Infektstadien erlauben jedoch nicht immer eine Wiederherstellung der Gelenkfunktion. Gerade weil eine frühzeitige und suffiziente Behandlung für den Verlauf und das Ergebnis mitentscheidend ist, sollte bei fehlender Erfahrung und adäquater Logistik zur Behandlung eines Empyems eine rechtzeitige Einweisung bzw. Verlegung in ein septisch-chirurgisches Zentrum für Bewegungsorgane erfolgen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Matthias Kemmerer

BG Unfallklinik Frankfurt
am Main gGmbH

Friedberger Landstraße 430

60389 Frankfurt am Main

matthias.kemmerer@bgu-frankfurt.de

Literatur

1. Jerosch J: Erkennung und Behandlung von Infektionen nach arthroskopischen Eingriffen. Arthroskopie 2006; 19: 114–122

2. Orchad RA, Stamp WG: Early treatment of induced suppurative arthritis in rabbit knee joints. Clin Orthop Relat Res 1968; 59: 287–293

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