Übersichtsarbeiten - OUP 05/2025

Initiative zur Erfassung von Verletzungen des vorderen Kreuzbandes bei Kindern und Jugendlichen (PAMI)

Amanda Magosch, Natalie Mengis, Caroline Mouton, Christian Nührenbörger, Romain Seil

Zusammenfassung:
Die Zahl kindlicher und jugendlicher Verletzungen des vorderen Kreuzbands (VKB) hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die Behandlung stellt unter anderem aufgrund individueller anatomischer Voraussetzungen, des anhaltenden Wachstums und unterschiedlicher Therapieoptionen eine große Herausforderung dar. Bislang fehlen weitgehend belastbare wissenschaftliche Grundlagen und einheitliche Behandlungsempfehlungen. Vor diesem Hintergrund wurde 2013 auf Initiation der europäischen Gesellschaft für Sporttraumatologie, Kniechirurgie und Arthroskopie (European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery & Arthroscopy, ESSKA) die Initiative zur Erfassung von Verletzungen des vorderen Kreuzbandes bei Kindern und Jugendlichen (Paediatric Anterior Cruciate Ligament Monitoring Initiative, PAMI) geformt. Das übergeordnete Ziel des Projekts ist der Aufbau einer evidenzbasierten Grundlage für die Behandlung von VKB-Verletzungen im Kindes- und Jugendalter sowie die Entwicklung internationaler Leitlinien. Das Projekt ist als multizentrische, langfristige Beobachtungsstudie angelegt. Kinder und Jugendliche mit traumatischer VKB-Ruptur im Alter von 6–17 Jahren werden unabhängig von der gewählten Therapie (operativ oder konservativ) über einen geplanten Zeitraum von 30 Jahren nachbeobachtet. Das PAMI-Projekt ist somit eine der wenigen internationalen Datenbanken zu VKB-Verletzungen im Kindes- und Jugendalter, die sowohl konservative als auch operative Verfahren abbildet. Neben Patienten- und Verletzungsdaten werden klinische Untersuchungsbefunde, Angaben zur Therapie sowie patientenberichtete Ergebnisse im Verlauf erhoben. Bis Juni 2025 wurden 361 Patientinnen und Patienten aus 7 europäischen Einrichtungen eingeschlossen. Insgesamt leistet das PAMI-Projekt einen wichtigen Beitrag zur besseren Versorgung kindlicher VKB-Verletzungen. Es schafft ein europäisches Netzwerk zur Erhebung valider Langzeitdaten und fördert den internationalen Austausch.

Schlüsselwörter:
Vorderes Kreuzband, Knie, Kind, PAMI, international, pädiatrisch

Zitierweise:
Magosch A, Mengis N, Mouton C, Nührenbörger D, Seil R: Initiative zur Erfassung von Verletzungen des vorderen Kreuzbandes bei Kindern und Jugendlichen
OUP 2025; 14: 210–215
DOI 10.53180/oup.2025.0210-0215

Abstract: In recent years, the incidence of anterior cruciate ligament (ACL) injuries in children and adolescents has increased significantly. Managing these injuries presents considerable clinical challenges, due to individual anatomical variation, ongoing skeletal growth, and the broad spectrum of available treatment options inter alia. However, high-quality scientific evidence and standardized treatment guidelines for this patient population remain largely insufficient. To address this gap, the Paediatric Anterior Cruciate Ligament Monitoring Initiative (PAMI) was established in 2013 as initiative of the European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery & Arthroscopy (ESSKA). The primary objective of the PAMI is to build an evidence-based platform for the diagnosis and management of pediatric ACL injuries and to support the development of international clinical guidelines. The PAMI is designed as a multicenter, long-term observational study. It includes children and adolescents aged 6–17 years with traumatic ACL ruptures, regardless of whether they undergo surgical or conservative treatment. Participants are followed over a planned period of 30 years, with data collected prospectively. PAMI is one of the few international registries that comprehensively captures both operative and non-operative management strategies for ACL injuries in skeletally immature patients. Data collection includes patient demographics, injury characteristics, clinical examination findings, treatment details, and longitudinal patient-reported outcome measures. Up to June 2025, 361 patients have been enrolled across seven participating centers in Europe. The PAMI project represents a major step forward in improving the care of pediatric ACL injuries. By establishing a collaborative European network and generating validated long-term clinical data, PAMI not only contributes to a deeper understanding of injury mechanisms and outcomes but also fosters international collaboration aimed at standardizing and optimizing treatment approaches for this vulnerable patient group.

Key words: Anterior cruciate ligament, knee, kid, PAMI, international, paediatric

Citation: Magosch A, Mengis N, Mouton C, Nührenbörger D, Seil R: Paediatric Anterior Cruciate Ligament Monitoring Initiative (PAMI)
OUP 2025; 14: 210–215. DOI 10.53180/oup.2025.0210-0215

R. Seil: Sportklinik, Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL) – Clinique d’Eich, Luxemburg & Luxembourg Institute of Research in Orthopedics, Sports Medicine and Science (LIROMS), Luxemburg & Human Motion, Orthopaedics, Sports Medicine and Digital Methods (HOSD), Luxembourg Institute of Health (LIH), Luxemburg

A. Magosch: Sportklinik, Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL) – Clinique d’Eich, Luxemburg

N. Mengis: Sportklinik, Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL) – Clinique d’Eich, Luxemburg & Kantonspital Baselland, Universitäres Zentrum Bewegungsapparat, Kniechirurgie und Sportorthopädie, Basel, Schweiz

C. Mouton, C. Nührenbörger: Sportklinik, Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL) – Clinique d’Eich, Luxemburg & Luxembourg Institute of Research in Orthopedics, Sports Medicine and Science (LIROMS), Luxemburg

Einleitung

Die Zahl der Verletzung des vorderen Kreuzbandes (VKB) im Kindes- und Jugendalter hat in den letzten 2 Jahrzehnten stark zugenommen [17, 20]. Insbesondere bei Jugendlichen ist außerdem die Zahl der operativen Versorgungen von VKB-Verletzungen drastisch gestiegen [14]. Eine solche Verletzung ist ein einschneidendes Ereignis. Sie kann die Lebensqualität beeinträchtigen, sich auf die Entwicklung des Kniegelenkes sowie seine zukünftige Funktionalität auswirken und zu frühzeitigem Auftreten von Arthrose führen [21]. Etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen erleiden zudem eine weitere VKB-Verletzung, sei es am ipsilateralen erstverletzten und gegebenenfalls operierten Kniegelenk oder am kontralateralen gesunden Knie [2, 15].

Mehr noch als bei Erwachsenen ist die Behandlung einer VKB-Ruptur bei Kindern und Jugendlichen entsprechend ihrem Alter und ihrer Skelettreife sehr individuell zu gestalten. Dabei müssen verschiedene Aspekte, wie bspw. die Ausprägung der Instabilität, die Begleitverletzungen und das verbleibende Kniewachstum, berücksichtigt werden. In Anbetracht des Komplikationspotenzials und der hohen Rate an Zweitverletzungen bedarf diese junge Patientengruppe daher besonderer Expertise. Im Konsensus-Statement des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) werden 3 Behandlungsziele bei kindlichen VKB-Verletzungen formuliert:

  • 1. die Wiederherstellung eines stabilen und funktionalen Kniegelenkes
  • 2. die Reduktion des Risikos assoziierter oder sekundärer Verletzungen und chirurgischer Eingriffe
  • 3. die Minimierung des Risikos chirurgisch bedingter Wachstumsstörungen [7].
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