Übersichtsarbeiten - OUP 05/2025
Initiative zur Erfassung von Verletzungen des vorderen Kreuzbandes bei Kindern und Jugendlichen (PAMI)
Bis einschließlich Juni 2025 waren
7 medizinische Einrichtungen aktiv an der Patientenrekrutierung beteiligt:
Akershus Universitetssykehus (N-Nordbyhagen)
Centre Hospitalier de Luxembourg – Clinique d’Eich (L-Luxemburg)
Gelenkpunkt – Facharztpraxis für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie (A-Innsbruck)
Hospital Universitari Dexeus
(E-Barcelona)
Istituto Ortopedico Rizzoli
(I-Bologna)
Máxima Medical Center
(NL-Eindhoven)
Ullevål sykehus – Oslo universitetssykehus (N-Oslo)
Von Oktober 2018 bis Juni 2025 wurden 361 Patientinnen und Patienten mit primärer VKB-Ruptur in die Datenbank aufgenommen, wobei etwa ein Viertel weiblich (n = 91) und etwa drei Viertel männlich (n = 270) sind. Die jährliche Anzahl der für die Datenbank rekrutierten Patientinnen und Patienten ist in Abbildung 2 dargestellt. Das durchschnittliche chronologische Alter zum Zeitpunkt der ersten registrierten VKB-Verletzung liegt bei 12 Jahren (Abb. 3). Elf Patientinnen und Patienten (6 weibliche und 5 männliche) erlitten im genannten Zeitraum als Kinder beziehungsweise Jugendliche eine kontralaterale VKB-Ruptur, sodass sich die Gesamtzahl der registrierten primären Verletzungen im Kindes- und Jugendalter auf 372 beläuft. Die Verletzungen entstanden mehrheitlich beim Fußballspielen (n = 164, 44 % aller Verletzungen), gefolgt vom Skifahren (n = 66, 18 % aller Verletzungen) und Trampolinspringen (n = 21, 6 % aller Verletzungen).
Zusätzlich sind in der Datenbank insgesamt 16 VKB-Transplantat-Rupturen (Re-Rupturen) erfasst. Vier dieser Patientinnen und Patienten wurden bereits mit der ipsilateralen Primärverletzung in das PAMI-Projekt eingeschlossen, während 12 Patientinnen und Patienten initial in einer medizinischen Einrichtung ohne Projekt-Partnerschaft behandelt wurden.
Erste Erfahrungen und detaillierte Datenauswertungen aus dem PAMI-Projekt wurden 2021 von Mouton et al. veröffentlicht [13]. Das Autorenteam befindet sich derzeit in der neuerlichen Auswertung der Datenbasis, sodass im Laufe des Jahres mit einer weiteren Publikation gerechnet werden kann.
Diskussion
Die PAMI ist eine von wenigen internationalen Kooperationsstudien in der orthopädischen Chirurgie und Sportmedizin mit einem pädiatrischen Patientenkollektiv. Bis Juni 2025 schloss das Projekt bereits über 360 Patientinnen und Patienten aus 7 Behandlungseinrichtungen in 6 europäischen Ländern ein. Diese Zahlen spiegeln das große Interesse an länderübergreifender wissenschaftlicher Zusammenarbeit wider. Neben der umfassenden, vielseitigen Datenbank zu VKB-Verletzungen im Kindes- und Jugendalter, ist die PAMI auch eine Gemeinschaft bzw. ein Netzwerk von Ärztinnen und Ärzten, die mit dieser Patientengruppe arbeiten. Zudem spiegelt die Studie auch länderspezifische Trends und Techniken wider, wodurch der internationale Austausch angeregt wird. Langfristiges Ziel des Projektes ist die gemeinsame Erstellung von Behandlungsalgorithmen und -leitlinien, die zur internationalen Standardisierung der Behandlung beitragen werden.
Eine Auswertung der Daten aus dem PAMI-Projekt kann das Verständnis der Verletzungsmechanismen sowie der Risikofaktoren im Kindes- und Jugendalter verbessern und zur Entwicklung spezifischer Präventionsprogramme beitragen. Die Zusammenfassung aktueller konservativer und operativer Behandlungsmöglichkeiten ermöglicht deren Beurteilung und Verbesserung. Hervorzuheben ist der Einschluss sowohl konservativer als auch operativer Therapiemaßnahmen in die Datenbank sowie die von der Therapie unabhängige Nachuntersuchung. Die Therapieoptionen sind somit ganzheitlich abgebildet und dies wird helfen, Personen mit der Notwendigkeit zur operativen Behandlung von den Personen zu unterscheiden, die von einer konservativen Behandlung profitieren. Die Auswertung der kurz, mittel- und langfristigen klinischen Ergebnisse wird dazu beitragen, eine Evidenzbasis zur Optimierung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten zu schaffen und das Verständnis der Anatomie, der Biomechanik und der Entwicklung des kindlichen Kniegelenkes zu verbessern.
Mit einem ähnlichen Konzept wurde 2016 in den Vereinigten Staaten von Amerika die Studie „Paediatric ACL: Understanding Treatment Outcomes“ (PLUTO, Kindliches VKB: Verstehen von Behandlungsergebnissen) begonnen [22]. In 10 amerikanischen Kliniken wurden hierfür Patientinnen und Patienten mit einer VKB-Ruptur bei offener Wachstumsfuge rekrutiert, um unterschiedliche Behandlungsansätze zu vergleichen und zu evaluieren. Bis dato sind noch keine Ergebnisse verfügbar. Die niedrige angestrebte Fallzahl von Patientinnen und Patienten mit konservativem Therapieprozedere (n = 45) könnte die Aussagekraft bezüglich des Behandlungserfolges insbesondere im Vergleich mit operativen Behandlungsmethoden (angestrebte Fallzahl von bis zu n = 255) limitieren [23].
Um gegenwärtige Limitationen in den Einschlusskriterien des Projektes anzugehen, ist für die Zukunft eine Änderung dieser möglich beziehungsweise vorgesehen. Derzeit wird der Einschluss von Patientinnen und Patienten mit knöchernen Avulsionsverletzungen diskutiert. Des Weiteren bildet das aktuelle Studienprotokoll langfristige Beeinträchtigungen nicht ab, sondern erhebt lediglich von der Patientin oder dem Patienten berichtete Ergebnisbewertungen (patient-
reported outcome measure, PROM). Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rücklaufquoten diesbezüglich verhalten, da diese nach den Erfahrungen aus VKB-Registern bei Erwachsenen schnell abnimmt. Als Beobachtungsstudie kann das PAMI-Register Korrelationen zwischen den erhobenen Daten beschreiben, Kausalitäten können hierdurch jedoch nicht abgeleitet werden. Eine Stichprobenverzerrung insbesondere bezüglich der Wahl des Therapieverfahrens ist nicht auszuschließen, da die Entscheidung den behandelnden Ärztinnen und Ärzten obliegt und durch die Standards der Behandlungseinrichtung beeinflusst werden kann.
Abschließend ist festzuhalten, dass auch wenn das PAMI-Projekt sich zunehmender Bekanntheit erfreut, eine weitere Bewerbung der Initiative wichtig ist, um das Netz der Partnereinrichtungen weiter auszubauen und Sponsoren zu gewinnen.
Schlussfolgerung
Das PAMI-Projekt schafft ein europaweites Netzwerk zur Sammlung und Analyse von Daten, die die Diagnostik und Behandlung von VKB-Verletzungen im Kindes- und Jugendalter betreffen. Das Projekt zielt darauf ab, objektive Daten zu generieren und eine belastbare wissenschaftliche Grundlage für internationale Leitlinien zu schaffen. Letztendlich soll das Projekt die Verletzungsinzidenz reduzieren sowie zu optimalen Heilungsverläufen nach Verletzung beitragen um die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen langfristig zu schützen.
