Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Knochenverluste in der Schulterendoprothetik, was tun?

Diese Veränderungen konnten bei bis zu 40 % der Patienten mit Omarthrose gefunden werden [16, 21]. Walch klassifizierte den knöchernen glenoidalen Defekt in 3 Typen (Abb. 1) [26]:

  • Typ A (konzentrisch),
  • Typ B (postoperativ subluxierter Humeruskopf) und
  • Typ C (glenoidale Retroversion).

Eine implantatassoziierte, knöcherne Defektsituation betrifft das Notching. Hierbei kommt es bei der Implantation einer inversen Schulterprothese zu einem konstruktionsbedingten mechanischen Kontakt zwischen der humeralen Gelenkpfanne und dem inferioren Glenoid bzw. dem Skapulahals. Dies tritt typischerweise in Ruheposition und während der Adduktion auf. Durch das Anschlagen des medialen Rands der Humeruskomponente am lateralen Glenoidrand kommt es zu einem massiven Polyethylenabrieb mit vermehrter Osteolyse und Knochenabrieb [19] (Abb. 2a und b), sodass dies langfristig zur Lockerung de r glenoidalen Komponente führen kann [6]. Dieses Phänomen wurde in Studien bei 44 % bis 96 % der Patienten beschrieben [18, 27].

Knöcherne Defektsituationen im Falle einer Revision der Schulterprothese sind häufig. Die Arbeitsgruppe um Antuna beurteilte und klassifizierte intraoperativ den glenoidalen Defekt im Rahmen einer Revisionsoperation nach Entfernung der Glenoid Komponente in Ausmaß und Lokalisierung des Defekts (Abb. 3). Dabei zeigte sich, dass die zentrale Defektsituation signifikant am häufigsten ausgeprägt ist [1].

Methoden und Ergebnisse

Zur Beurteilung der glenoidalen Knochenqualität hat sich gezeigt, dass für die Primärstabilität zwischen 50 % und 100 % knöcherne Substanz vorhanden sein muss. Zeigt sich quantitativ weniger Knochen, kommt es zu einer signifikanten Mikromotion der implantierten Komponente. Idealerweise werden also mindestens 50 % des nativen Knochens hinter der Basisplatte benötigt. Bei weniger als 25 % wird ein strukturelles Transplantat empfohlen [4].

Neer und Morrison beschrieben unterschiedliche Möglichkeiten, um den glenoidalen Knochenverlust zu kompensieren. Dabei wurde die Option einer nach dorsal augmentierten Glenoidkomponente mit Verwendung von Knochenzement zum Auffüllen des knöchernen Defekts aufgrund von schlechten Ergebnissen bereits früh in der Studie aufgegeben. Sofern keine Primärstabilität erzielt werden konnte, lautete die Empfehlung, ein Transplantat zu verwenden [11].

Dabei sind für die Wahl des Transplantats die Größe des strukturellen Defekts und die Lokalisation entscheidend. Das primäre Ziel ist es, die glenoidale Komponente zu stabilisieren [16].

Für die Wahl des Transplantats bieten sich sogenannte Allo- oder Autografts (allogene oder autologe Transplantate) an. Bei kleineren Defekten kann zum Beispiel Fremdspongiosa in Form von Knochenchips einer entsprechend verfügbaren Knochenbank als allogenes Transplantat verwendet werden. Bei größeren Defekten in der Primärendoprothetik empfehlen wir die Verwendung von lokalen Transplantaten wie den Humeruskopfes (Abb. 4a–d). In der Revision bietet sich für kleinere Defekte ebenfalls der Humeruskopf an, bei größeren Defekten Transplantate aus dem Beckenkamm.

Im Einzelfall können auch patientenspezifische, augmentierte Implantate (PSI-Implantate) verwendet werden [16] (Abb. 5–8)

Dieses Verfahren bietet sich bei ausgeprägten, aber umschriebenen Defekten an. Hierfür wird je nach Hersteller ein präoperatives Protokoll (z.B. ein CT mit 3D-Rekonstruktion) zur Planung und Produktion der Implantate und Instrumente durchgeführt.

Dabei ist die Wahl des zu verwendenden Transplantats weniger entscheidend als die zu erreichende Primärstabilität. Dabei sollte nach dem Fräsen der Glenoid-Komponente 30–50 % Kontaktfläche zwischen dem Graft und der Prothese erreicht werden. Im Fall eines superioren glenoidalen Defekts ist es wichtig, den inferioren Tilt auszugleichen [25] (Abb. 9a–e).

Diskussion

In einer retrospektiven Studie von Antuna et al. wurden 48 Patienten nach einer schulterendoprothetischen Revision untersucht. Die Indikation zur Revision waren Lockerung der Glenoidkomponente, Instabilität oder eine glenoidale Implantatfehlposition. Dabei wurde aufgrund einer glenoidalen Defektsituation bei 14 Patienten Fremdspongiosa als allogenes Transplantat verwendet. Bei 3 Patienten musste aufgrund von anhaltenden Beschwerden eine operative Revision erfolgen. Nativ radiologisch zeigte sich ein Remodelling des Transplantats, jedoch mit Migration des Glenoids zur Skapula und Zentralisierung des Humeruskopfs um bis zu 7,5 mm. Nach erfolgter erneuter operativer Revision waren die Patienten nahezu beschwerdefrei [1].

Steinman und Cofield berichteten im Jahr 2000 von 28 Fällen, bei denen ein strukturelles Transplantat mittels Humeruskopf bei glenoidaler Defektsituation in der Primärimplantation verwendet wurde. In der postoperativen Evaluation gaben 25 Patienten wenig und 3 Patienten moderaten Schmerz an [20].

Weitere Studien zeigten in der endoprothetischen Revision nach Verwendung eines autologen Transplantats vom Beckenkamm gute Resultate [13].

Die Zeitdauer der knöchernen Integration des Transplantats ist nicht genau bekannt. Postoperative szintigrafische Untersuchungen zeigen jedoch eine beschriebene Mehranreicherung im Bereich des eingebrachten Transplantats bis zu 2–3 Jahre nach erfolgter Implantation [2].

Histopathologische Nachuntersuchungen zeigen ein Jahr nach Implantation von allogener Knochenspongiosa wenig bis keine knöcherne Konsolidierung. Der untersuchte Knochen imponierte nekrotisch ohne wesentliche osteoblastische Aktivität bei reichlich fibröser Weichgewebereaktion. Nativ radiologisch ergab sich eine zufriedenstellende knöcherne Konsolidierung. Die Patienten waren auch nach einem weiteren Jahr ohne erneute operative Revision wenig schmerzgeplagt [14].

Eine weitere, wenn auch selten genutzte operative Möglichkeit ist die zweizeitige Re-Implantation der glenoidalen Komponente nach initialer Implantatentfernung und Verwendung eines Transplantats zur knöchernen Defektversorgung.

Die Indikation hierfür ist zum Beispiel ein ausgedehnter, glenoidaler Defekt, zunächst mit dem Versuch der knöchernen Reintegration und Konsolidierung des Transplantats mit anschließender Implantatversorgung im Verlauf. Dabei werden in der Literatur keine einheitlichen Zeitpunkte für die definitive Versorgung der Schulter angegeben.

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