Originalarbeiten - OUP 12/2018
KnorpelRegister DGOU: Was können wir aus der Versorgungsforschung lernen?
Das Studienprotokoll des KnorpelRegister DGOU wurde bereits publiziert und basiert auch auf den Erfahrungen von Registerforschung in anderen Ländern [10]. Zur Erfassung von Behandlungsergebnissen im Sinne einer Funktionsanalyse des betroffenen Gelenks haben sich sogenannte patient-reported outcome parameters durchgesetzt. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die Selbstbeurteilung der Funktion des Gelenks durch den Patienten die Basis zur objektivierten Beurteilung des Behandlungsergebnisses darstellt, und schließen somit (außer in einer direkten Interviewsituation) einen durch den Untersucher induzierten Bias aus. Aus diesem Grund und vor dem Hintergrund, dass die Fragebögen insbesondere zur Beurteilung der Alltagsfunktion eines operierten Gelenks oder einer Extremität als relevanter als eine objektive Untersuchung einzustufen sind, stellen sie heute in der überwiegenden Anzahl von Studien wichtige Haupt- und Nebenzielkriterien dar. Für fast alle Gelenke und Pathologien existieren inzwischen validierte Fragebögen mit unterschiedlichem Umfang. Diese Entwicklung und der technische Fortschritt im Sinne einer zunehmenden Verbreitung webbasierter Kommunikationswege und optimiertem Datenschutz auch in Bezug auf sensible Patientendaten führen dazu, dass eine automatisierte Erfassung von Behandlungsergebnissen über webbasierte Plattformen ohne direkten Arztkontakt sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Für Registerstudien mit großer Fallzahl stellen sie auch wegen der geringen personellen Kapazitäten, die zur Datenerfassung via Web-Eingabe notwendig sind, eine ideale Methodik dar. Auf Basis dieser Überlegungen sind in den vergangenen Jahren von vielen Anbietern „Remote Data Entry“-Systeme entwickelt worden. Nach Dateneingabe über aktive PDF-Formulare oder HTML-basierte Fragebögen erfolgt die Datenübermittlung über gesicherte Transfers und mündet in Log-Files – gesicherten SQL-Datenbanken, welche in Bezug auf die Datensicherheit und Dokumentation den Forderungen der Good Clinical Practice (GCP) entsprechen. Beim KnorpelRegister DGOU wird auf eine solche Technologie (RDE light, Studienzentrum Freiburg) zurückgegriffen. Nach einmaliger Registrierung des Patienten zum Zeitpunkt der Operation durch Zuordnung einer Studien-Identifikationsnummer und Hinterlegung der E-Mail-Kontaktdaten können durch den Arzt die patienten- und fallcharakteristischen Daten eingegeben werden. Durch Zeitpunkt und Fragebogen-spezifische Links, die der Patient dann per E-Mail zugestellt bekommt, erfolgt dann die vollständig automatisierte Nachverfolgung der Patienten über einen mehrjährigen Zeitraum. Beim Ausbleiben der Dateneingabe erfolgen automatisierte Erinnerungen sowie abschließend auch eine Information an den eingebenden Arzt.
Im Detail erfolgt die Anlage des Patienten durch den Arzt zum Zeitpunkt der Operation. Zu diesem Zeitpunkt gibt der Arzt neben den Patientencharakteristika auch die Pathologie-spezifischen Parameter sowie die durchgeführte Therapie ein. Ab diesem Zeitpunkt erfolgt die Evaluation einzig und allein durch den Patienten, auch mit der Intention den zeitlichen Aufwand für den Arzt gering zu halten. So erhält der Patient bereits am Tag nach Anlagedatum die ersten Fragebögen, die sich auf den präoperativen Zustand seines Gelenks sowie die medizinische Vorgeschichte beziehen. Anschließend erfolgt die Evaluation anhand erneut per E-Mail zugestellter Fragebögen nach 6, 12, 24, 60 und 120 Monaten. Zu diesen Zeitpunkten erfolgt die Evaluation zwischenzeitlich aufgetretener Komplikationen, sowie die Erhebung der Gelenkfunktion [10].
Das Prinzip des KnorpelRegister DGOU erfolgt in einer pseudonymisierten Form, sodass eine Rückverfolgbarkeit auf den einzelnen Patienten nur im eingebenden Zentrum möglich ist. Dieses Prinzip erlaubt ein hohes Maß an Datensicherheit. Das Recht der Löschung von Daten sowie die Möglichkeit der Abfrage nach Art und Umfang der gespeicherten Daten sind ebenso umgesetzt wie die weiteren, durch die europäische Richtlinie zum Datenschutz (DVGSO) geforderten Maßnahmen. Ebenso verbleibt das Recht zur Auswertung seiner eigenen Daten komplett in den Händen des eintragenden Arztes, sodass – völlig unabhängig vom multizentrischen Charakter der Datensammlung – jeder Arzt das System zur Dokumentation der eigenen Ergebnisse zur wissenschaftlichen Verwendung, aber auch zu Zwecken der Qualitätssicherung einsetzen kann. Erfolgt die Datenerhebung im wissenschaftlichen Interesse ist in Abhängigkeit der Berufsordnung ggf. ein Votum der zuständigen Ethikkommission notwendig. Diesbezüglich erfolgt die Unterstützung durch das Studienzentrum Freiburg, welches die Datenbank technisch und inhaltlich betreut. Der Zugriff bzw. die Auswertung multizentrischer Projekte erfolgt nach Antrag an die „AG Klinische Geweberegeneraiton“ der DGOU. Zur Entscheidung wurde ein unabhängiges review board etabliert, welches über die Annahme des Antrags entscheidet. In erster Linie soll mit diesem Verfahren gewährleistet werden, dass die vorhandenen Daten zur Beantwortung der eingereichten Fragestellung geeignet erscheinen. Da bis zum jetzigen Zeitpunkt die verfügbaren Follow-up-Daten noch beschränkt waren und vom wissenschaftlichen Beirat des KnorpelRegister DGOU generell für Outcome-Analysen ein Mindestnachuntersuchungszeitraum von 24 Monaten gefordert wird, basieren die meisten bisher aus den Registerdaten publizierten Studien auf epidemiologischen Daten zum Zeitpunkt der Operation [11–13]. Outcome-Analysen und Sicherheitsdaten (patient’s safety) werden aber in den Folgejahren sicherlich den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeiten darstellen. Erste Arbeiten aus dem Bereich der Komplikationsanalyse sind bereits verfügbar und sollen im Folgenden kurz zusammengefasst werden. Zum 30. September 2018 konnten in mehr als 140 teilnehmenden Zentren eine Gesamtzahl von mehr als 6000 Patienten registriert werden, 4500 von diesen Patienten wurden mit Knorpelschäden am Kniegelenk und mehr als 1000 Patienten mit Knorpelläsionen an der Hüfte registriert (Abb. 2).
Da der Interpretation von Registerdaten eine große Bedeutung zukommt und da diese Fallsammlungen sicherlich ein hohes Risiko auf Einflussfaktoren haben (wissenschaftlicher Bias), wurde von der AG Klinische Geweberegeneration ein review board ins Leben gerufen, welches beantragte Projekte zur multizentrischen Auswertung nicht nur in Bezug auf die wissenschaftliche Relevanz beurteilt, sondern auch die Umsetzbarkeit mit den vorhandenen Daten prüft. In diesem Zusammenhang wurden auch Qualitätskriterien festgelegt. Unter anderem wurde definiert, dass klinische Outcome-Daten in Form der erhobenen Funktionsscores nur mit einem Minimum-Follow-up von 24 Monaten publiziert werden, um hier eine belastbare Datensubstanz zur Verfügung zu stellen und Fehlinterpretationen auf Basis kurzfristiger perioperativer Einflussfaktoren zu reduzieren. Dieses Vorgehen entspricht den Richtlinien einiger wissenschaftlich anerkannter internationaler Zeitschriften.