Übersichtsarbeiten - OUP 06/2017

Knorpeltherapie im Patellofemoralgelenk

Gian M Salzmann1, Peter Balcarek2

Zusammenfassung: Knorpelschäden des Kniegelenks bedeuten eine signifikante Einschränkung für den Betroffenen. Zudem erhöht sich die Gefahr der Entwicklung einer Arthrose deutlich. Aus diesem Grund gilt die Empfehlung, bei fokalen Schäden und Einhaltung der Indikationskriterien eine operative Intervention anzustreben. Aufgrund der anatomischen Komplexität dieses Gelenkabschnitts stellt die patellofemorale Knorpelchirurgie eine besondere Herausforderung dar. Co-Pathologien bestehen in einem sehr hohen Anteil der Betroffenen und müssen adressiert werden. Durch moderne Verfahren der Knorpeltherapie mit korrektem Angehen der Co-Pathologie lassen sich aber mittlerweile zufriedenstellende Ergebnisse erreichen. Jedoch reichen diese Ergebnisse meistens nicht an die des tibiofemoralen Gelenkabschnitts heran.

Schlüsselwörter: Knorpel, Patella, Trochlea, Patellofemoral, Knie, Knorpelzelltransplantation, Mikrofrakturierung

Zitierweise
Salzmann GM, Balcarek P: Knorpeltherapie im Patellofemoralgelenk. OUP 2017; 6: 320–327 DOI 10.3238/oup.2017.0320–0327

Summary: Symptomatic osteochondral lesions of the patellofemoral joint are clinically challenging to manage because of the limited healing potential of articular cartilage; the complex morphology of the patellofemoral joint; the heterogeneity of the articular surface between patients; and high stresses across the joint, which can be altered by malalignment, tilt or maltracking. Co-pathology has to be addressed whenever existent. Irrespective of the surgical technique used, outcomes are generally worse in the patellofemoral compartment than in the tibiofemoral joint. The concomitant management of associated pathology, including patellar malalignment, is recommended because it has been shown to improve the success of cartilage restoration procedures.

Cartilage, patella, trochlea, patellofemoral, knee, ACI,
microfracture

Citation
Salzmann GM, Balcarek P: Knorpeltherapie im Patellofemoralgelenk. OUP 2017; 6: 320–327 DOI 10.3238/oup.2017.0320–0327

Knorpelschäden im Bereich des Kniegelenks sind eine immer häufiger diagnostizierte Entität. Das hängt zum einen mit der vermehrten sportlichen Aktivität der Bevölkerung zusammen. Zum anderen ist die Behandlungssensitivität durch frequente MR-Bildgebung deutlich angestiegen. Nach der medialen Femurkondyle sind Knorpelschäden retropatellär und trochleär die häufigsten. Das funktionelle Ergebnis nach Knorpelschadenbehandlung ist jedoch patellär und trochleär das schlechteste im Vergleich zu den anderen Lokalisationen im Kniegelenk. Das lässt sich begründen durch die ausgeprägte anatomische Komplexität dieses Gelenkabschnitts zum einen und der Konstellation des Knorpels dort zum anderen.

Ätiologie

Die ätiologische Unterteilung von Knorpelschäden ist relativ simpel entweder traumatisch oder degenerativ bedingt. Infekt-assoziierte oder Rheuma-assoziierte Knorpelschäden werden auch beschrieben, sind aber vergleichsweise selten aufzufinden. Osteochondrosis-dissecans-(OD) Läsionen finden sich trochleärseits und stellen in der Regel eine wahrscheinlich hereditäre chronische oder akut auf chronische Entität dar. OD-Läsionen im Bereich der Patella sind eine absolute Rarität [1]. Des Weiteren lassen sich im jungen Patientengut mitunter osteolytische Läsionen am superolateralen Anteil der Patella (häufig bilateral) identifizieren. Diese treten oft in der zweiten Lebensdekade auf. Es wird vermutet, dass eine Ossifikationsstörung im Sinne einer Patella bipartita oder multipartita vorliegt, welche sich im weiteren Verlauf dann aber zumindest partiell verschlossen hat. Diese Läsionen können dann als sog. dorsaler Patelladefekt (DPD) symptomatisch werden [2].

Wichtige Differenzialdiagnosen hierzu sind OD-Läsionen und Chondroblastoma. Gerade bei OD-Läsionen als auch bei dorsalen Patelladefekten spielt die sensible Behandlung von Knochendefekten eine enorme Rolle im Erreichen eines guten Gesamtergebnisses der osteochondralen Reparatur. Stattgehabte Frakturen der Patella infolge konservativer aber auch operativer Versorgung hinterlassen nicht selten chronische rein chondrale und osteochondrale Defekte an der Patellarückfläche. Die klassische Ursache für einen retropatellaren Knorpelschaden ist aber die primäre laterale Patellaluxation [3]. In diesen Fällen kommt es häufig zu Schäden im Bereich der distalen medialen Patellarückfläche. Diese können assoziiert sein mit Contre-coup-Schäden im Bereich der proximalen lateralen Femurkondyle. Im Rahmen der akuten Patellaluxation beträgt das Auftreten einer begleitenden osteochondralen Fraktur (Abb. 1) zwischen 20 und 60 % [4]. Während bei der akuten Patellaluxation vorwiegend retropatellare Defekte auftreten, kann bei der habituellen Patellaluxation durch den ruckartigen Zug des M. quadriceps bei der Spontanreposition eine Abscherfraktur eher an der lateralen Femurkondyle verursacht werden.

Diese chondralen oder häufiger osteochondralen Abscherfrakturen werden umgangssprachlich auch oft „Flakes“ genannt. Diese Konstellation bedeutet in den meisten Fällen eine dringende Operationsindikation, um nicht die Möglichkeit zu verpassen, das Fragment in toto zu refixieren. Chronische Patellainstabilitäten, welche sich mit oder ohne initiale Knorpelschäden entwickelt haben, führen dann sehr oft zu chronisch und damit automatisch degenerativen, meist retropatellären Knorpelschäden. Diese befinden sich nicht immer zwingend im Bereich der medialen Patellarückseite, sondern haben sich oft nach zentral und weiter ausgebreitet (Abb. 2). Der mediale Begrenzungsrand des Schadens ist häufig nicht mehr rein chondral, sondern oft bereits nach ganz medial hin komplett degenerativ verändert und stellt damit automatisch eine chirurgische Herausforderung dar im Sinne einer potenziellen Refixation von Trägermaterialien.

Diese chronisch instabilen Patienten haben eher selten chronische trochleäre Schäden. Eine Knorpeltherapie kann hier nur funktionieren, wenn man die bestehende Co-Pathologie ausschaltet. Im weiteren Fortschritt trifft man dann auf bifokale patello-trochleäre Schäden, welche sich in den größten Anteilen der Durchbewegung küssen. Hier besteht per se eine Kontraindikation für eine Knorpeltherapie. Oft sieht sich der Arzt aber konfrontiert mit jungen Patienten und einer deutlichen Einschränkung der Aktivität. Hier kann nur individuell und oft nicht mehr Leitlinien-gerecht gehandelt werden. Die Indikation für teil-prothetische Versorgungsvarianten kann geprüft werden [5]. Ein nicht geringer Anteil an Patienten leidet unter einer globalen Chondromalazie des retropatellaren Knorpels. Diese flächige Erweichung geht ohne bedeutende Substanzdefekte einher. Typische Belastungsbeschwerden werden beschrieben. Ein Auftrainieren der Muskulatur ist für die Patienten sehr oft nur eingeschränkt möglich, weil der Schmerz während des Trainings exazerbiert. Bei diesem Patientengut fällt eine optimale Behandlung oft schwer, da operative Verfahren wenig zielführend sind und konservative frustran.

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