Übersichtsarbeiten - OUP 06/2017

Knorpeltherapie im Patellofemoralgelenk

Typ 1: distal

Typ 2: lateral

Typ 3: medial und

Typ 4: zentral/panpatella

(Je höher die Zahl des Typs, desto schwerwiegender die Läsion in Anbetracht der Prognose) [11]. Zudem sollte die Tiefe des Schadens anhand der ICRS-Klassifikation (International Cartilage Repair Society) erfolgen. Des Weiteren kann dem Schaden selbst mittels AMADEUS-Score eine Schweregrad-Beurteilung zugeordnet werden [12]. Mithilfe des MRT können wichtige Zusatzinformationen wie der TTTG oder TTPCL, Trochleaform, Tilt, patellotrochleäre Überdeckung [13] und damit die Höhe identifiziert werden. Die konventionell radiologische Diagnostik sollte das betroffene Kniegelenk in 3 Ebenen abbilden. Zudem sollte eine Ganzbeinaufnahme erfolgen. Eine erweiterte Diagnostik im Sinne von 30–60–90°-Aufnahmen ist abhängig von der klinischen Untersuchung. Rotations-CT/MRT-Untersuchungen müssen angefertigt werden bei Verdacht auf rotatorische Fehlstellungen. Dabei kann auch immer der TTTG bestimmt werden.

Andere radiologische Untersuchungen bleiben besonderen Fragestellungen vorbehalten. In der kompletten Diagnostik dieses Patiententguts sollte der Arzt nicht davor scheuen, auch intra- und/oder periartikuläre Infiltrationen durchzuführen, um einen Gelenkschmerz von einer peripheren Schmerzursache unterscheiden zu können. Des Weiteren können Tapes hilfreich sein, um z.B. eine lateralisierte Patella zu medialisieren. Damit können potenzielle Operationen simuliert werden und eine gewisse Vorhersage eines Operationsergebnisses abgeschätzt werden. Im Besonderen muss durch den Arzt die muskuläre Kompetenz und Führung des patellofemoralen Gelenkabschnitts genauestens eingeschätzt werden. Es ist durchaus möglich, dass eine Schwäche oder Fehlfunktion der Quadrizepsmuskulatur deutliche patellofemorale Beschwerden verursacht. Bei diesen Patienten führt eine eventuelle Operation zu einer Verschlechterung der Beschwerden auf Patientenseite. Die Unterstützung eines erfahrenen Physiotherapeuten in der Analyse des Kasus ist oft hilfreich, um hier eine Einschätzung von dieser Seite zu bekommen.

Therapie

Die konservative Therapie von patellofemoralen Knorpelschäden spielt sicher eine Rolle, ist aber im Nicht-Arthrose Kniegelenk nur bei Chondromalazie indiziert. Besteht ein symptomatischer Knorpelschaden bei jungen Patienten ohne Arthrose-Zeichen, muss eine operative Intervention ernsthaft in Betracht gezogen werden [14]. Dies vor dem Hintergrund, dass dadurch das Gelenk wahrscheinlich vor der Entwicklung einer verfrühten Arthrose geschützt werden kann oder diese zumindest deutlich in die Zukunft verlagert werden kann – abgesehen von einer schmerzfreien Rückkehr des Patienten in bekannte Aktivitäten. Die Symptomdauer sollte so kurz wie möglich gehalten werden, da sie einer der wichtigsten Faktoren ist in der Sicherung des Gesamtergebnisses einer Knorpeltherapie [15]. Die operative Therapie muss mit den Patienten sehr penibel geplant werden, Patienten müssen zudem auf eine lange Rehabilitationszeit vorbereitet werden.

Es gilt zu unterscheiden, ob eine frische Luxation vorliegt, ein direktes Anpralltrauma den Schaden hervorgerufen hat, eine chronische Instabilität aufzufinden ist, eine Fehlstellung zu einem chronischen Knorpelschaden geführt hat oder eine Kombination mehrerer pathologischer Ursache der Beschwerden ist. Mouzopoulos und Kollegen haben einen Algorithmus beschrieben, welcher sicher als Grundlage für ein operatives Herangehen bei patellofemoralen Knorpelschäden herangezogen werden kann [16]. Liegt eine frische Erstluxation und eine Flake-Verletzung vor, ist eine zeitnahe Versorgung (Tage) zu empfehlen (Abb. 1 und 5). Auch dieser Patient muss jedoch klinisch-anamnestisch und Bild-morphologisch komplett „basisanalysiert“ werden.

Besteht der Verdacht auf ausgedehnte Instabilitäts-fördernde Komponenten wie beispielsweise 7° Valgus oder deutlich überhöhter TTTG, muss mit dem jeweiligen Patient eingehend besprochen werden, ob in gleichem Eingriff diese Co-Pathologie behoben wird. Die Autoren dieses Artikels empfehlen diese Vorgehensweise. Der vorliegende Flake muss genau analysiert werden. Häufig sind diese osteochondral und können damit hervorragend refixiert werden. Das funktioniert eigentlich nur über eine Arthrotomie. Ob diese medial oder lateral erfolgt, muss vom Co-Eingriff abhängig gemacht werden. Laterale Arthrotomien lassen sich in der Regel gut mit Tuberositas-Osteotomien und lateralen Verlängerungsplastiken kombinieren. Vor jeder Arthrotomie muss eine Arthroskopie erfolgen.

Die weitere Indikation der operativen Intervention kann nicht allein vom MR-Bild abhängig gemacht werden. Durch Arthroskopie kann der bestehende Schaden genau analysiert werden, genauso wie der vorliegende Flake. In seltenen Fällen führt die initiale Arthroskopie zu einem Umschwenken des initialen OP-Plans. Flakes, welche in die Kniekehle abgerutscht sind, können durch Arthroskopie deutlich einfacher geborgen werden als durch Arthrotomie. Ist der Flake viel kleiner als erwartet und damit auch der Knorpelschaden, kann auch auf eine Knorpel-Intervention verzichtet werden und lediglich der Flake geborgen werden. Dies ist häufig bei kondylären Schäden der Fall.

Alternativ können diese direkt mikrofrakturiert werden. Eignen sich Flake und Knorpelschaden für eine Refixation, sollte dies avisiert werden. Häufig ist der Flake einteilig. Abhängig von der Zeit zwischen Unfall und Operation ist dieser angeschwollen und muss mitunter vor Refixation getrimmt werden. Auch dies ist ein Grund für ein eher zeitnahes Vorgehen. Die technische Realisierung der Fixation kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Hier gibt es keine harte Evidenzlage [17, 18].

Die Autoren dieses Artikels präferieren resorbierbare Pins, welche ausreichend interfragmentäre Kompression erzeugen und sich resorbieren können. Ein Zweiteingriff bleibt in diesem Fall aus. Oft macht aber die Resorption Probleme im Sinne von ossären Lysen oder chondralen Defekten. Zudem verursachen sie einen artifiziellen osteochondralen Stift-förmigen Knorpelschaden pro Pin. Aus diesen beiden Gründen sollte die Anzahl der Pins klein gehalten werden. Die Knochen- auf Knochen-Heilung geschieht rasch und es bedarf keiner Winkelstabilität. Lässt sich der Flake nicht refixieren, kann er bei kleiner Größe einfach entfernt werden. Ist der Flake rein chondral, kann trotzdem eine Refixation angestrebt werden, wobei hier die Versagensraten deutlich höher sind als bei osteochondralen Flakes (jüngere Patienten haben höhere Erfolgsraten). Ist der chondrale Flake in mehrere Teile zerbrochen, sollte eine Refixation vermieden werden (Abb. 5). Ist der osteochondrale Flake getrümmert und eine Refixation technisch hoch anspruchsvoll oder assoziiert mit multiplen Pins oder anderem Fixationsmaterial, sollte dies nicht angestrebt werden. In beiden Fällen kann der Flake entfernt werden und auf klassische Verfahren der Knorpelreparatur zurückgegriffen werden [19, 20]. Davor müsste der Patient auf eine potenzielle Probenentnahme für eine sekundäre ACT (autologe Chondrozytentransplantation) aufgeklärt werden.

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