Arzt und Recht - OUP 11/2019

KV greift unzulässig in Therapiefreiheit bei Injektionen ein
Aktueller Fall

Heiko Schott

Sachverhalt

Ein niedergelassener Orthopäde mit Kassensitz hat einen seiner Therapie- und Behandlungsschwerpunkte im Bereich der wirbelsäulennahen Injektionen.

In diesem Zusammenhang werden auch Injektionen mit Gemischen aus Lokalanästhetika und Kortikoiden im sogenannten Off-label-Modus zur Anwendung gebracht. Genau diese sind vorliegend Stein des Anstoßes. Solche Injektionen sind, soweit sie nicht die Facetten intra- oder periartikulär betreffen, nicht über die kassenärztliche Vereinigung liquidierbar1.

Der Orthopäde klärt über alternative Maßnahmen, insbesondere Injektionen ohne Kortison, auf. Im Zuge der Aufklärungen wird der jeweilige Patient in wirtschaftlicher Hinsicht über die Kosten informiert und zudem darauf hingewiesen, dass er einen Kostenübernahmeantrag für die Behandlung nach § 13 SGB V bei seiner GKV stellen kann.

Es finden selbstredend ebenfalls sowohl Risiko- als auch Therapieaufklärungen statt.

Auf Veranlassung einer der größten GKVen gibt die KV – Beschwerdemanagement – dem Orthopäden bei diesem Sachverhalt unter Androhung eines Disziplinarverfahrens auf:

„(...) sich nunmehr vertragsarztrechtskonform zu verhalten und Kostenübernahmeanträge an die Krankenkasse für die angebotenen wirbelsäulennahen Injektionen mit Kortison ebenso zu unterlassen, wie das Angebot dieser Leistung gegen Privatliquidation gegenüber GKV-versicherten Patienten.“

Darüber hinaus würde das arztseitige Vorgehen eine unzulässige Modifikation der GOP 34504 EBM unter schlichter Weglassung des CT darstellen. Dementsprechend sieht die KV das Handeln des Arztes als berufsrechtswidrig an.

Rechtliche Würdigung

Das Vorgehen und die Rechtsauffassung der KV verwundern aus mehreren Gründen.

Aufklärung über IGeL als alternative Behandlungsmöglichkeit statthaft

Gemäß § 630e Abs. 1 BGB ist der Behandler (Arzt) verpflichtet, den Patienten (auch) über alternative Behandlungsmöglichkeiten zu unterrichten und aufzuklären, sofern sie gleichermaßen indiziert und als übliche Methode angesehen werden können. Dass sich die hier zur Verfügung stehenden Alternativen nicht lediglich auf die Mittel der Regelversorgung beschränken, hat sich zwischenzeitlich als herrschende Meinung herausgestellt2. Hintergrund hierzu ist, dass nach einschlägiger juristischer Ansicht (s.o.) jeder Versicherte das Recht hat, sich für IGeL-Leistungen zu entscheiden. Eine solche Entscheidung sollte der Patient allerdings erst dann treffen, wenn er eine umfassende Aufklärung über die Vor- und Nachteile der entsprechenden Methode, deren Konsequenzen und Alternativen erhalten hat.

Bereits aus diesem Grunde ist die von der KV angedachte Untersagung der hier in Rede stehenden Therapieform nicht nur fraglich, sondern nicht durchsetzbar.

Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung und
Recht zum Hinweis auf Kostenerstattungsmöglichkeit

Auch hat der Behandler im Rahmen der Therapie, wenn es sich um eine IGeL-Leistung handelt, den gesetzlich versicherten Patienten über die wirtschaftlichen Folgen aufzuklären. Dies beschreibt der sogenannte IGeL-Paragraf 630c Abs. 3 BGB.

Wenn nun die gesetzlich geschaffene Möglichkeit besteht, dass der Patient einen Kostenerstattungsantrag nach § 13 SGB V bei seiner Krankenkasse stellen kann, wird man dies nach Ansicht des Verfassers sicherlich als ärztliche Nebenleistungspflicht verstehen können. Es kann nicht Sinn und Zweck der Regelung sein, diese Möglichkeit dem Patienten vorenthalten und damit verschweigen zu müssen.

Neben der Tatsache, dass in dem hier beschriebenen Fall der Orthopäde selbst keine Kostenerstattungsanträge formulierte, sondern Patienten lediglich auf diese Möglichkeit hinwies, kann hierin kein berufsrechtswidriges Verhalten gesehen werden. Welchen Verstoß sollte dies darstellen?

EBM oder GOÄ – keine weitere Möglichkeit der Abrechnung zulässig

Nicht nachvollziehbar erscheint die Forderung seitens der KV, Injektionen der beschriebenen Art gegen Privatliquidation gegenüber GKV-versicherten Patienten zu unterlassen.

Auf welcher Grundlage die Unterlassung begehrt wird, erschließt sich nicht.

Es wird hierbei verkannt, dass u.a. nach § 3 Abs. 1, Satz 3 BMV-Ä (Bundesmantelvertrag Ärzte) Leistungen, für die eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht besteht, nur im Rahmen einer Privatbehandlung erbracht werden können. Die Privatbehandlung ihrerseits darf nur mit und über Vorschriften der GOÄ abgerechnet werden, § 1 Abs. 1 GOÄ. Im Wesentlichen gilt selbstredend die Einschränkung des § 18 Abs. 8 MBO-Ä, wonach Leistungen, die Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, nicht privat liquidiert werden dürfen. Wirbelsäulennahe Injektionen mit einem Gemisch aus Anästhetikum und Kortikoid sind – wie beschrieben – wegen ihres Off-label-Status nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, weshalb die privatärztliche Abrechnung ausschließlich und zwangsläufig auf Grundlage der GOÄ zu erfolgen hat.

Keine unzulässige Modifikation einer GOP des EBM

Völlig abwegig erscheint indes, die privatärztliche Liquidation von Off-label-Injektionen als unzulässige Modifikation der GOP 34504 EBM zu werten. Tatsächlich fehlt es hinsichtlich des obligaten Leistungsinhalts an der „Kleinigkeit“ CT, weshalb diese Ziffer zutreffenderweise unter keinem Gesichtspunkt in Ansatz gebracht werden könnte.

Darüber hinaus verkennt die KV bei ihrem Ansatz, dass im Rahmen des EBM denkbar vielmehr grundsätzlich eher nach den GOPen 30724 bzw. 30731 EBM abgerechnet werden könnte. Allerdings scheitert dies, wie beschrieben, an dem Umstand, dass – übrigens auf Drängen der gesetzlichen Versicherungen hin – entgegen jahrzehntelanger Praxis die beschriebenen Injektionen nicht (mehr) über die KV abgerechnet werden dürfen. Es ist demnach gerade keine unzulässige Modifikation einer GOP, sondern vielmehr vertragsärztliche Pflicht, die Abrechnung über die GOÄ zu wählen.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass gesetzlich versicherten Patienten natürlich die originäre Injektion ohne ein Kortikoid als Kassenleistung im Zuge der Alternativaufklärung angeboten werden muss. Dass aber bestimmte Injektionen (hier: Gemisch LA und Kortikoid) von der KV untersagt werden, entbehrt jeglicher Grundlage. Die Zuständigkeit der kassenärztlichen Vereinigung ist bereits hinsichtlich dieser Frage nicht gegeben. Daneben dürfen diese Injektionen mit dem Gemisch als leitlinienkonform und in der Literatur als Mittel der Wahl beschrieben angesehen werden.

Fazit

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