Übersichtsarbeiten - OUP 03/2017

Lumbale und zervikale Bandscheibenprothetik
Aktuelle Entwicklung und SportfähigkeitTrends and ability to practice sports

Diese positiven Beobachtungen konnten mittlerweile durch weitere Studien belegt werden, auch hinsichtlich weiterer Ergebnis-Parameter wie ausstrahlender Schmerz, Funktion und Mobilität sowie sozio-ökonomischer Daten [3, 5, 10, 15, 17, 22, 26]. Von einigen Autoren der vorweg genannten Studien konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen TDR und Fusion gesehen werden, sodass diese beide Verfahren hinsichtlich des klinischen Ergebnisses noch als gleichwertig zu bezeichnen sind.

Indikation zur
Bandscheibenprothese

Eine Bandscheibenprothese kann in der Halswirbelsäule (HWS) oder in der Lendenwirbelsäule (LWS) implantiert werden. Möglich ist dies an der Wirbelsäule lediglich, wenn in einem Zwischenwirbelraum (in Ausnahmefällen auch in 2 oder 3 Etagen) ein „weicher“ Bandscheibenvorfall oder ein diskogener Schmerz vorliegt. Somit spricht die Arthroplastik vorwiegend jüngere Patienten (18–60 Jahre) an. Im Bereich der LWS führen objektive Befunde wie ein Vakuum-Phänomen, Modic-Veränderungen und der Bandscheibenvorfall zur Indikationsstellung.

Kontraindikationen stellen Facettengelenkarthrose, knöcherne Rezessusstenose, Spondylolisthesis, Spondylolyse, Skoliose, Osteoporose sowie auch eine Instabilität im Index-Segment dar. Bei Adipositas, Spinalkanalstenose und einer vorangegangenen Operation im Index-Level [23, 26, 29] ist die Indikation streng zu überprüfen, da diese als relative Kontraindikationen gesehen werden.

Um die Indikation zur TDR stellen zu können, sind neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung technische Verfahren (MRT, CT, Röntgen) und gegebenenfalls auch infiltrative Maßnahmen (Facettengelenkblockade, periradikuläre Therapie, Diskographie) wichtig. In jedem Fall sollten ebenso wie bei einer Fusion alle Möglichkeiten einer konservativen Therapie ausgereizt werden.

Sicherheit/Komplikationen

TDR und Fusion unterscheiden sich hinsichtlich der publizierten und auch zu erwartenden Komplikationen kaum, denn diese hängen hauptsächlich vom gewählten chirurgischen Zugangsweg ab.

Im Bereich der Halswirbelsäule wird sowohl die Fusion als auch die Bandscheibenprothese von ventral durchgeführt. Neben allgemeinen Operationsrisiken sind als spezifische Risiken Schluckstörungen (1,6–12,0 %) sowie eine Nervus-recurrens-Parese (0,7–3,0 %) zu nennen. Des Weiteren zu erwähnen sind Duraverletzung (0,4–10,3 %)
und neurologische Verschlechterung (2,4–3,4 %) sowie Hämatome (0,2–5 %) und Wundinfektionen (1,3–3 %). Allgemeine Risiken sind die Thrombophlebitis (0,2–0,3 %), die Lungenarterienembolie (1,1–25 %) und weitere kardiale oder pulmonale unerwünschte Ereignisse (0,3–0,8 %) [15, 22, 24].

Bei Eingriffen im Bereich der LWS müssen als spezifische Komplikationen die retrograde Ejakulation (2,1–18,7 %) sowie prothesenassoziierte Komplikationen wie Migration, Einbrechen, Frakturen, Implantatversagen und heterotope Ossifikationen (2,0–39,3 %) bedacht werden. Junge männliche Patienten mit Kinderwunsch sind daher bei einer Prothesenimplantation an der LWS über das Risiko der retrograden Ejakulation aufzuklären und sollten eventuell vorher in einer entsprechenden Einrichtung weiter beraten werden (Samenspende) [5].

Körperliche Aktivität/
Sportfähigkeit

Das Körperbewusstsein nimmt in der heutigen Gesellschaft einen immer höheren Stellenwert ein. Die Anzahl der körperlich aktiven Menschen im Freizeitsportbereich steigt stetig. Somit stellt sich auch die Frage, inwieweit die Wiederaufnahme sportlicher Betätigung nach einer derartigen Operation wieder möglich ist. Auch Patienten nach einem Bandscheibenvorfall und implantierter Bandscheibenprothese stellen sich diese Frage und setzen entsprechend hohe Erwartungen an ein modernes Implantat.

Während des Sports wirken mechanische Kräfte auf die Wirbelsäule und auf die Bandscheibenprothese ein (Stauchungen, repetitive Belastungen, Rotation, Beugung), die über das Ausmaß der normalen Belastung ohne sportliche Aktivität deutlich hinausgehen. Hierbei ist die Krafteinwirkung auf die Wirbelsäule in den einzelnen Sportarten unterschiedlich [8].

Die erste und bislang einzige Kohortenuntersuchung aus dem Jahr 2007 konnte zeigen, dass 94 % der Patienten, denen eine lumbale Bandscheibenprothese implantiert wurde, wieder zum Sport zurückkehrten [25]. Den meisten Patienten (69 %) war dies bereits innerhalb von 3 Monaten möglich, gut 5 Monate nach der Operation waren sie wieder in vollem Umfang in ihrem Sport aktiv. Die dabei wieder aufgenommene sportliche Aktivität schloss Radfahren, Joggen, Fitness, Schwimmen und Outdoorsport (Bergsteigen, Klettern, Skifahren, Snowboarden), Fußball, Fitness, Enduro-Bike, Tennis, Golf und sogar Marathonlauf ein. Alle hier untersuchten Sportler kehrten zu ihrem Sport in vollem Umfang zurück. Neben Kontaktsportarten (Karate, Ringen) wurden auch Fallschirmspringen und Sportarten mit hoher Energieeinwirkung auf die LWS (Fußball, Wildwasser-Rafting, Enduro-Racing, Seekajak) wieder durchgeführt.

Aus dem Bereich der Halsbandscheibenendoprothetik gibt es im Hinblick auf die Sportfähigkeit nur Daten aus einer Arbeit [21]. Die Ergebnisse knüpfen jedoch an die oben genannten in der Lendenwirbelsäule an. Nach der Operation an der HWS berichten über 90 % der insgesamt 50 Patienten nach einem medianen Follow-up von 53 Monaten über ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis. Schon durchschnittlich 4 Wochen nach Operation konnten die Patienten wieder mit dem Sport beginnen. Im Durchschnitt 6 Monate nach Implantation der Prothese waren auch hohe Belastungen im Wettkampfsport in einer Intensität möglich, wie sie vor der Bandscheibenerkrankung praktiziert wurde. Der modifizierte Tegner-Aktivitätsscore (nach Reinke) zeigte sich vor der Erkrankung und postoperativ unverändert. Die Sportarten waren Joggen, Bergsport (Skifahren, Klettern usw.), Radfahren, Ballsport (Tennis, Fußball, Volleyball), Fitness, Schwimmen, Nordic Walking, Golf, Inlineskating, Triathlon, Kampfsport, Reiten, Rennrodeln und Aerobic. Unter diesen untersuchten Athleten waren Sportprofis, die mit der Bandscheibenprothese auf höchstem internationalem Niveau (u.a. bei den Olympischen Spielen) sehr erfolgreich weiter aktiv sein konnten [21]. Daher kann konstatiert werden, dass Erwartungen aktiver Patienten durch das Implantat und die Technik erfüllt und vor der Operation ausgeübte Sportarten ohne höheres Risiko wiederaufgenommen werden konnten.

Fazit

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4