Übersichtsarbeiten - OUP 11/2018
MPFL-Insuffizienz und Trochleadysplasie sollten zusammen korrigiert werden
Ein besonderes Problem stellen die Fälle mit höhergradigen Knorpelschäden des Retropatellargelenks beim jungen Patienten dar. Hier können durchaus alleinige Weichteilkorrekturen neben den Instabilitätsbeschwerden auch die retropatellaren Schmerzen verschlechtern und einen zusätzlichen Risikofaktor für fortschreitende degenerative Gelenkschäden darstellen. In solchen Fällen ist die Indikation zur Trochleaplastik sicherlich erschwert und bedarf einer besonderen Aufklärung. Dennoch haben wir auch in diesen Fällen gute klinische Erfahrungen sammeln können, sofern die Instabilitätsbeschwerden führend waren.
Wir führen seit 2010 konsequent bei vorliegender Trochleadysplasie und MPFL-Ruptur einen Kombinationsengriff durch. Unsere Technik und Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt.
Material und Methode
Patienten: Das Patientengut setzte sich aus 20 weiblichen und 10 männlichen Patienten zusammen. Es wurden insgesamt 16 rechte und 17 linke Kniegelenke behandelt, wobei 3 Patienten beidseitig operiert wurden. Das durchschnittliche Alter der Patientengruppe lag am Operationstag bei 23,9 Jahren (Tab. 1). Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung wurden die folgenden Parameter erhoben: Kujala-Score, Tegener-Activity-Scale, Lysholm-Score, IKDC-Score sowie ein subjektiver Patientenfragebogen.
OP Technik: Unsere Technik sowohl bei der Rekonstruktion des MPFL als auch bei der Trochleaplastik erfolgt implantatfrei [22, 48, 49, 50]. Der Haut-schnitt erfolgt unter Berücksichtigung eventueller Folgeoperationen wie bei-spielsweise einem Retropatellarersatz als nach lateral hin geschwungene Inzision über dem medialen Anteil der Kniescheibe. Neben diesem Hautschnitt über der Kniescheibe erfolgt zur Sehnenentnahme eine weitere Inzision über dem Pes anserinus. Die Gracilissehne wird gewonnen und entsprechend aufbereitet (Abb. 2). Die Transplantatlänge sollte 18 cm betragen. Je nach Größe des Kniegelenks kann dieser Wert variieren.
Nach der Gracilissehnen-Entnahme und Präparation der Sehne erfolgt die Darstellung der Trochlea über einen medialen parapatellaren Zugang, der nach oben in das mediale Drittel der Quadrizepssehne zieht. Ausgehend von der Knorpel-Knochen-Grenze wird eine Ablösung der osteochondralen Lamelle bis weit distal in die Trochlea mit einem Meißel durchgeführt (Abb. 3). Die Dicke des noch vorhandenen subchondralen Knochens sollte hier etwa bei 2 mm liegen. Um einen genügend flexiblen osteochondralen Lappen zu erhalten, ist anschließend eine Ausdünnung des subchondralen Knochens mit einer hochtourigen Diamantfräse nötig. Um den Knorpel hierbei nicht zu schädigen, erfolgt dies unter sanftem Anheben des Lappens unter Sicht von kranial (Abb. 4). Eine ständige Spülung soll ein Überhitzen der Fräse vermeiden.
Anschließend erfolgt die vertiefende Knochenabtragung, wobei der osteochondrale Lappen zur Einsicht wiederum ein wenig angehoben wird. Insbesondere in Fällen mit einem grenzwertigen oder auch geringfügig erweiterten TT-TG (15–20 mm) erfolgt die Abtragung in den distalen Abschnitten nach lateral hin, um die Gleitrinne ein wenig zu lateralisieren. Somit kann neben der Korrektur des lateralen Inklinationswinkels der Trochlea darüber hinaus auch eine pathologische TT-TG Distanz effektiv korrigiert werden. Hiermit erhoffen wir uns, das Gleiten und den Anpressdruck zu verbessern. Im nächsten Schritt erfolgt dann die Etablierung der Passagelöcher für das Vicrylband mit einem feinen Pfriem, mit dem später der osteochondrale Lappen in das neue Bett der Trochlea gedrückt wird (Abb. 5). Für die distale Passage durch den Knorpel ist es wichtig, ausreichend weit distal und lateral einzugehen, da der Verlauf des Bands später der neuen, leicht lateralisierten Gleitrinne entsprechen soll. Proximal erfolgt das Eingehen mit dem Pfriem proximal genau auf Höhe der Knorpel-Knochen-Grenze (Abb. 6). Über eine ausreichend feste, große Ösennadel erfolgt anschließend die Passage beider Bandenden nach lateral. Anschließend erfolgt das Einpressen des flexiblen osteochondralen Lappens in den vertieften Knochen und die Fixierung in der Tiefe über den vorgelegten und an der Femuraußenseite straff verknoteten Vicrylfaden.
Zur MPFL-Plastik erfolgt zunächst die Darstellung der supermedialen Patellakante. Hier wird ein 2 cm langer, V-förmiger Knochenkanal gebohrt. Dabei wird einmal vom superomedialen Pol und einmal von der Mitte der medialen Facette möglichst vertikal aufeinander zu gebohrt (Abb. 7). Nach Einzug der Gracilissehne (Abb. 8) wird die Passage zwischen den beiden Kapselblättern zum femoralen Insertionspunkt präpariert.
Der femorale Insertionspunkt wird unter seitlicher Bildwandlerkontrolle unter deckungsgleich eingestellten posterioren Kondylen aufgesucht und mit einem Pfriem markiert und nach radiologischer Kontrolle mit einem K-Draht in den Insertionspunkt platziert. Dieser wird mit einem 6 mm kanülierten Bohrer überbohrt, sodass ein blind endender Knochenkanal entsteht. Es erfolgt die Passage von 2 divergierenden Ösendrähten von medial nach lateral (Abb. 9).
Auch bei einer offenen Wachstumsfuge ist die Rekonstruktion des MPFL möglich [28]. Die femorale Insertion ist hierbei distal der femoralen Epiphyse lokalisiert.
Die beiden freien Enden des Gracilistransplantats werden zum anatomischen medialen femoralen Insertionspunkt geführt und jeweils in die Fadenösen eingeführt (Abb. 10).
Durch Zug am lateralen Ende der Durchzugsdrähte werden die beiden Transplantatenden in den blinden Bohrkanal eingeführt und im Weiteren die Armierungen durch den lateralen Femurkortex in das Blindloch eingezogen. Im letzten Schritt werden die Fadenpaa-re auf dem lateralen Kortex zusammen-geführt und in 30° Flexionsstellung mit einem arthroskopischen Knotenschieber angezogen sowie einem Nadelhalter temporär fixiert. Hiermit kann das Gleiten der Patella in Funktion, der Quadrantentest und die Transplantatspannung in unterschiedlichen Beugegraden beurteilt und ggf. eingestellt werden (Abb. 11).
Abschließend erfolgt die dauerhafte Verknüpfung. Hierdurch gelingt unserer Meinung nach eine gut reproduzierbare, individuelle und einfache Alignementanpassung mit der Möglichkeit, eine Überspannung mit vorderen Knieschmerzen oder gar Beugedefiziten zu vermeiden.