Übersichtsarbeiten - OUP 11/2018
MPFL-Insuffizienz und Trochleadysplasie sollten zusammen korrigiert werden
Die Inhomogenität des Patientenkollektivs zeichnet sich in der Beantwortung der Frage nach sportlicher Aktivität ab. So fiel die Bewertung der Frage für den Zeitraum vor der Operation als auch nach der Operation recht variabel aus. Einige Patienten bezeichneten sich zu keiner Zeit als Sportler, während andere wiederum im Leistungssportbereich aktiv und erfolgreich waren. In unserer Befragung entsprachen 0 Punkte keinerlei sportlicher Aktivität und 10 Punkte dem Leistungssport mit Ausbelastung. Die präoperative generelle sportliche Aktivität beträgt in der Selbsteinschätzung durchschnittlich 6,5 Punkte von möglichen 10 Punkten (= sehr aktiv). Postoperativ steigerte sich dieser Mittelwert auf 8,4 Punkte. Hieraus ergibt sich im Wilcoxon Test eine Signifikanz von p < 0,001.
Eine weitere Frage zu diesem Thema erfasste die Einschränkung sportlicher Aktivitäten durch das betroffene Kniegelenk (Abb. 19). Das Maximum von 10 entspricht hierbei keinerlei subjektiven Einschränkungen. Der präoperative Wert von 5,1 stieg hierbei postoperativ auf 7,9 Punkte. Dies stützt das Ergebnis einer uneingeschränkten sportlichen Aktivitätssteigerung.
Gesondert wurde auf die Ausübung besonders kniebelastender Sportarten eingegangen, wie Ski fahren, Fußball und Tennis, etc. Auch bei dieser Frage entspricht der maximale Wert von 10 einer problemlosen Ausübung der Sportart. Der präoperative Wert erreichte eine Steigerung auf 7,6 Punkte (Abb. 20). Einige Patienten gaben in der Befragung an, dass sie trotz empfundener Kniestabilität kein Interesse verspürten einen kniebelastenden Sport wie Tennis oder Fußball auszuüben. Zwei weitere Patienten erklärten, dass sie in einem Fall das Operationsergebnis nicht gefährden möchten und im anderen Fall wiederum das erlernte Vermeidungsverhalten nicht aufgeben konnten. Grund hierfür sei die präoperativ erlernte Angst vor einer möglichen Luxation.
In Anlehnung an allgemein verwendete Schmerzskalen wurde der vordere Knieschmerz vor und nach der Operation untersucht.
Die präoperativen Werte des vorderen Knieschmerzes zeigen eine deutliche Variabilität zwischen den Patienten. So sind präoperativ alle Werte zwischen 0 und 10 vertreten. Der präoperative Mittelwert lag bei 5 Punkten. Postoperativ lässt sich eine deutliche Reduktion der vorderen Knieschmerzen auf einen durchschnittlichen Wert von 1 feststellen (Abb. 21). Eine solche Schmerzreduktion weist natürlich auf eine nicht unerhebliche Steigerung der Lebensqualität hin.
76 % (n = 25) der Patienten waren bereits vor der Operation sportlich aktiv, während 24 % (n = 8) jeglichen Sport verneinten. Bis auf 2 Patienten kehrten alle aus der präoperativ sportlich aktiven Gruppe wieder zurück in ihren jeweiligen Sport. Hier waren die angegebenen Gründe in einem Fall die subjektiv als zu hoch eingeschätzte Kniebelastung. In dem anderen Fall folgte kurzer Zeit nach der Genesung des Patienten eine Operation am Kniegelenk der Gegenseite. Von den 8 Patienten, die präoperativ sportlich nicht aktiv waren, wechselten 3 in die sportlich aktive Gruppe. Die anderen 5 Patienten aus der sportlich inaktiven Gruppe zeigten sich mit der Bewältigung von Alltagsbelastungen hochzufrieden, verneinten jedoch weiterhin das Interesse, Sport zu betreiben (Tab. 2).
Bei den kompetitiv aktiven Leistungssportlern kamen alle Patienten zurück in die gleiche Sportart und führten diese wieder auf Wettkampfniveau aus. Dabei erreichten 58 % nach der Operation ihr altes Leistungslevel bzw. Wettkampfklasse.
Diskussion
Eine Fehlposition des MPFL führt zu erheblichen klinischen Problemen [5]. Die typischen Komplikationen sind der anteriore Knieschmerz, Beugedefizite und Bewegungseinschränkungen in 5–10 % der Fälle [1, 8, 56]. So zeigt sich ein vorderer Knieschmerz nach 2 Jahren bei bis zu 30–50 % der Patienten [1, 19]. Auch nach 3 Jahren fand sich noch ein vorderer Knieschmerz bei bis zu 17 % der Patienten [31]. In unseren eigenen Fallserien von 30 Pa-tienten fand sich bei einem Nachuntersuchungszeitraum von 22,5 Monaten nur bei Ausbelastung ein anteriorer Knieschmerz bei 4 Patienten (13 %). Bei einem dieser Patienten zeigte sich ein Beugedefizit von mehr als 20°. Luxationsrezidive fanden sich nicht.
Als Ursachen für den anterioren Knieschmerz und das Beugedefizit werden Entzündungen und Vernarbungen im Transplantatbereich [14] sowie eine Tunnelfehlplatzierung [34] diskutiert. In postoperativen Kernspintomografien lag nur in 65 % eine gute Position der femoralen Insertion vor. In 35 % war diese zu weit anterior oder proximal [40]. Weiterhin ist als typischer Risikofaktor die Überspannung des MPFL Transplantats gesehen worden [44].
Mit unserer Technik können wir diesen Komplikationen weitestgehend vorbeugen. Die Anlage des femoralen Bohrkanals wird immer unter Röntgenkontrolle durchgeführt. Wir können die Anspannung des Transplantats individualisieren und unter Funktion austesten; das Transplantat ist in der gesamten Transplantatlänge genutzt und somit weniger rigide. Eine andere nicht allzu seltene Komplikation bei anderen Techniken einer MPFL-Plastik ist die Patellafraktur, die bei uns in keinem Fall eintrat. In der Literatur finden sich hierbei meist Querfrakturen [8, 17, 25, 27, 33, 45]. Dhinsa et al. [11] diskutierten großlumige und horizontale Bohrungen als Risikofaktor für solche Frakturen. In unserer Technik werden vornehmlich nahezu vertikale horizontale Bohrungen ohne zusätzliches Verankerungsmaterial verwendet.
Philippot et al. [35] wiesen darauf hin, dass die Zugkraft bei der Refixation nicht mehr als 10 Newton betragen solle. Höhere Zugkräfte führen zu einer vermehrten Belastung mit der Gefahr der Überkorrektur und Hyperkompression der Patella.