Übersichtsarbeiten - OUP 11/2018
Muskel- und Sehnenverletzungen der oberen Extremität
Die Ruptur des M. pectoralis major ist eine seltene Verletzung. Die Anzahl der Publikationen hat aber deutlich zugenommen. So sind in der Literatur mittlerweile fast 1000 Fälle vielfach in Form von Fallbeschreibungen und retrospektiven Untersuchungen dokumentiert. Der M. pectoralis major ist in 3 Anteile gegliedert. Der claviculäre Anteil ist uniform, während sich der sternocostale Anteil in 6–7 Segmente gliedert [14]. Der Muskel setzt mit einer sehr dünnen und kurzen Sehne breitflächig unmittelbar lateral von der langen Bizepssehne an der Christa tuberculi majores über 5–8 cm an. Es ist häufig ein vorderes und hinteres Sehnenblatt in einer nach cranial offenen U-Form zu unterscheiden. Dabei wird das vordere Sehnenblatt durch den claviculären Anteil und das hintere durch die beiden unteren Anteile gebildet [14]. Die Verletzung des M. pectoralis major tritt im Kraftsport und dort insbesondere beim Bankdrücken (zu ca. 85 %) auf [3, 12, 27, 28, 30]. Die Lokalisation der Verletzung betrifft eher den myotendinösen Übergang und die beiden unteren Anteile [3, 12, 28]. Auch beim Sturz auf den ausgestreckten Arm oder in den außenrotierten Arm sowie bei kräftigen Innenrotationsbewegungen sind Verletzungen des M. pectoralis major beschrieben. Direkte Traumata sind selten [3, 12, 27, 28]. In der klinischen Diagnostik ist besonders der Verlust der Kontur der vorderen Axillarfalte beweisend für eine Ruptur (Abb. 1). Ein Hämatom findet sich nicht selten nur am Oberarm und nicht an der Brust. Bei den chronischen Rupturen lassen sich 2 verschiedene Typen unterscheiden [30]. Der Defekttyp (Typ 1) ist durch einen mehr oder weniger großen Defekt mit Retraktion des Muskels geprägt. Beim Flügelfelltyp (Typ 2) bildet sich im Bereich des Defekts ein regelhaft störendes narbiges Flügelfell aus (Abb. 2). Mediale Rupturen kommen auch vor, sind aber selten. Die Einteilung der M.-pectoralis-major-Ruptur wird nach Zeitpunkt, Lokalisation, Typ und Ausprägung unterschieden [12]. Die konservative Therapie weist mit einer Erfolgsquote von 20–70 % die schlechtesten Ergebnisse mit bis zu 50 % Kraftverlust auf [3, 27]. Nur bei Muskelfaserrissen und kleineren Rissen im muskulären Anteil ist die konservative Behandlung beim Sportler sinnvoll. Aber letztlich entscheidet das Vorgehen der Patient. Die Indikation zur Rekonstruktion ist bei fast allen lateralen Rissen und auch bei bestimmten medialen Rissen gegeben. Chronische Rupturen können auch noch nach Jahren erfolgreich rekonstruiert werden. Die primäre Rekonstruktion sollte innerhalb von 10 Tagen angestrebt werden. Die Rekonstruktion erfolgt mit Nahtankern am Humerus (Abb. 3). So können die freie Funktion, die volle Kraftfähigkeit sowie die kosmetische Wiederherstellung der vorderen Axillarfalte erreicht werden. Mithilfe von Sehnen Auto- oder Allografts sind auch komplexe sekundäre Rekonstruktionen erfolgreich möglich. Postoperativ wird der Arm 6 Wochen in einer Schlinge immobilisiert. Mit dem Belastungsaufbau kann ab der 11. Woche begonnen werden. In der akuten Versorgung werden die besten Ergebnisse mit 90–100 % bei primärer OP innerhalb der ersten 2 Wochen nach Trauma erreicht. Auch in der Isokinetik beträgt die Kraftfähigkeit hier 90–100 % der Gegenseite. Die sekundäre Rekonstruktion > 6 Wochen wird in der Literatur mit 70–90 % guten Resultaten bei einem Kraftverlust von 10–30 % beschrieben [3, 27, 28]. Durch die Verwendung von Auto- und Allografts können die Ergebnisse bei den sekundären Rupturen verbessert werden [6, 30].
Latissimus und Teres major
Verletzungen des Latissimus oder des Teres major sind sehr selten und kommen isoliert, aber auch kombiniert vor. Der häufigste Verletzungsmechanismus ist Hyperextension bzw. Hyperabduktion bei Baseball-Pitchern. Aber auch eine akute Zugbelastung bei ausgestrecktem Arm beim Wasserski oder im Kraftsport beim Kreuzheben kann zur Verletzung führen [8]. Diagnostisch zeigt der Table-top-Test die Verletzung (Abb. 4). Die konservative Therapie bringt auch im Sport über 90 % gute Ergebnisse [25]. In Einzelfällen ist die operative Therapie über einen hinteren axillären Zugang in Seitenlage indiziert [16].
Lange Bizepssehne
Verletzungen der langen Bizepssehne betreffen den Bizepsanker (Slap-Läsion), das Pulley und die Sehne selbst. Die ca. 10 cm lange Sehne reißt am häufigsten proximal intraartikulär oder distal im Sulcus. Häufig ist der Riss der langen Bizepssehne mit einer Pathologie der Rotatorenmanschette vergesellschaftet. Partialrupturen sind ebenfalls häufig. Nach einem vollständigen Riss kommt es in bis zu 80 % zur Deformierung des langen Bizepskopfs, dem sog. Popeye-Zeichen [7]. Partialrupturen mit krampfartigen Schmerzen im Bizeps und Schmerzen können besonders bei muskulösen Patienten anhalten und dauerhaft Beschwerden machen. Der Riss führt zur Abnahme der Flexionskraft im Ellenbogen um 8–16 % und der Supinationskraft um 11–21 %. Auch die Ausdauer ist bis zu 25 % eingeschränkt [26]. Klinisch ist das Popeye-Zeichen richtungsweisend. Ein MRT zum Ausschluss von weiteren Schulterpathologien ist sinnvoll. Im Gegensatz zur distalen Bizepssehne wird der Riss der langen Bizepssehne allgemein konservativ behandelt. Letztlich muss aber im Einzelfall mit dem Patienten entschieden werden, ob eine operative Therapie sinnvoll ist. Die operative Therapie der Wahl ist die subpectorale Tenodese (Abb. 5). Die lange Bizepssehne wird mit Nahtanker, suture plate oder Interferenzschraube am oder im Humerus fixiert. Eine zusätzliche Arthroskopie des Schultergelenks sollte immer durchgeführt werden. Postoperativ erfolgt eine Immobilisierung in einer Schlinge für 4 Wochen. Belastungen des Bizeps sollten nicht vor der 11. Woche erfolgen. Die besten Ergebnisse werden auch hier mit der frühzeitigen Operation erzielt, aber auch bei verspäteten Rekonstruktionen wird in 78 % eine Verbesserung des Schmerzes und in 74 % eine Verbesserung der Kraft beschrieben [13, 26].