Übersichtsarbeiten - OUP 11/2018

Muskel- und Sehnenverletzungen der oberen Extremität

Der Riss der distalen Bizepssehne betrifft zu 95 % Männer mit einem Altersgipfel zwischen 40 und 60 Jahren [21]. Die Sehne macht zum Ansatz einen Twist, sodass die Sehne des langen Kopfs an der Tuberositas radii und die Sehne des kurzen Kopfs etwas unterhalb davon ansetzt [11]. In der Regel kommt es zur Avulsion von der Tuberositas radii (Abb. 6). Risse im Sehnenverlauf oder am myotendinösen Übergang sind selten. Partialrupturen am Ansatz kommen auch vor. Ursächlich für einen Riss ist eine unerwartete Krafteinwirkung auf den gebeugten und supinierten Unterarm [33]. Der komplette Riss führt zu einer Schwächung der Supinationskraft um 21–55 % und der Flexionskraft um 10–40 % [10, 17]. Eine relevante Retraktion des Muskelbauchs nach cranial entsteht erst, wenn auch die Aponeurose gerissen ist. In der Anamnese wird häufig ein schmerzhaftes Rissgeräusch genannt, und klinisch zeigen der Hook-Test (von lateral!) und der Sqeese-Test eine Sensitivität von 96–100 % [10, 17]. Der klinische Befund ist vielfach eindeutig (Abb. 7), sodass ein MRT nur im Zweifel notwendig ist. Therapiestandard ist aufgrund des relevanten, zu erwartenden Kraftdefizits die operative Therapie. Für die Refixation stehen verschiedene Verfahren mit Nahtankern, Interferenzschraube oder Buttons zur Verfügung. Ziel ist die exakte Wiederherstellung der ursprünglichen Länge der Muskel-Sehnen-Einheit. Postoperativ erfolgt eine Ruhigstellung in einer Schlinge für 6 Wochen. Der Belastungsaufbau beginnt ab der 11. Woche. Die Komplikationsrate der operativen Therapie ist hoch und wird in einem neueren Review mit 33,2 %, davon 13,7 % neurologisch, angegeben [22]. Auch heterotope Ossifikationen kommen häufig vor, haben meist aber keinen negativen Einfluss auf die Beweglichkeit. Das Risiko kann jedoch durch die postoperative Indometacin-Gabe (75 mg/Tag mindestens 10 Tage) hoch signifikant gesenkt werden [5]. Die funktionellen Ergebnisse der operativen Therapie liegen bei 96–100 % [33]. Partialrupturen bedürfen auch vielfach der operativen Therapie, da der distale Sehnenansatz nur eine geringe Heilungstendenz zeigt. Sekundäre Rekonstruktion mit einem Auto- oder Allograft können die Funktion ebenfalls signifikant verbessern [34].

Trizeps

In der Literatur sind ca. 500 Rupturen der Trizepssehne vielfach in Form von Fallbeschreibungen beschrieben. Die Sehne zeigt einen 2-schichtigen Aufbau, wobei die oberflächliche Schicht aus den konfluierenden Sehnen des langen und des lateralen Kopfs gebildet wird, während die tiefe Schicht vom medialen Kopf gebildet wird. Die meisten Verletzungen entstehen durch exzentrische Belastung bei einem Sturz mit dem Versuch, sich abzustützen. Auch im Kraftsport kann es zu Verletzungen der Trizepssehne kommen [23, 29, 31]. In 50 % der Fälle bestanden schon vor dem Riss Probleme [23, 29, 31]. Die Avulsionsverletzung ist die Regel (Abb. 8). Der Riss kann die gesamte Sehne, aber auch nur partiell den oberen oder den unteren Sehnen-Layer betreffen. Diagnostisch zeigt sich vielfach eine tastbare Lückenbildung am Ansatz (Abb. 9) und ein Kraftdefizit für die Ellenbogen-Extension. Die Sehne retrahiert teilweise nur wenig, sodass auch ein kompletter Riss übersehen werden kann. Radiologisch ist das Fleck-Zeichen, die knöcherne Avulsion eines Osteophyt vom Olecranon, beweisend für eine Ruptur. Dieses zeigt sich in 61–88% der Fälle [9]. Im Zweifel ist ein MRT erforderlich. Die Therapie ist in aller Regel operativ, konservativ verbleibt ein Kraftdefizit von 30–50 % [1]. Auch Partialrupturen, insbesondere des langen Kopfs, bedürfen auch der operativen Therapie. Operativ wird die Sehne mit Nahtankern oder transossären Nähten am Olecranon refixiert. Postoperativ erfolgt eine Immobilisation in einer 20° Gipsschiene oder einer Orthese für 6 Wochen. Die Belastungsaufnahme erfolgt an der 11. Woche. In ca. 90 % führt die primäre Rekonstruktion zu guten Ergebnissen mit Erreichen des präoperativen Aktivitätsniveaus. Aber es kann trotzdem ein leichtes Kraftdefizit verbleiben [1, 9]. Sekundäre Rekonstruktionen, ggf. mit einem Sehnengraft, zeigen noch in 70–90 % gute Ergebnisse [29, 31]. Die Komplikationsrate ist insgesamt gering. Rerupturen bis 6 % sowie Naht- und
Ankerinsuffizienzen, Bursareizungen und Kraftdefizite sind beschrieben [9, 23, 31].

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Mathias Ritsch

Sportorthopädie Rosenheim

Salinstraße 11

83022 Rosenheim
info@sportortho-ro.de

Literatur

1. Balazs GC, Brelin AM, Dworak TC, Brooks DI, Mauntel TC, Tintle SM, Dickens JF: Outcomes and complications of triceps tendon repair following acute rupture in American military personnel. Injury. 2016; 47: 2247–51

2. Bloch W: Physiologische Muskelheilung und Störfaktoren. In: Müller-Wohlfahrt HW, Uebelacker P, Hänsel L (Hrsg): Muskelverletzungen im Sport. Stuttgart, New York: Thieme, 2010: 104–24

3. Butt U, Mehta S, Funk L, Monga P: Pectoralis major ruptures: a review of current management. J Shoulder Elbow Surg 2015; 24: 655–62

4. Byrne C, Twist C, Eston R: Neuromuscular function after exercise-induced muscle damage. Sports Med 2004; 34: 49–69

5. Costopoulos CL, Abboud JA, Ramsey ML, Getz CL, Sholder DS, Taras JP, Huttman D, Lazarus MD: The use of indomethacin in the prevention of postoperative radioulnar synostosis after distal biceps repair. J Shoulder Elbow Surg 2017; 26: 295–8

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