Übersichtsarbeiten - OUP 11/2016

Operatives Management proximaler Femurfrakturen

Severin Langer1, Thomas Klier1, Martin Lorenz2, Volker Bühren1, Christian von Rüden1,3,4

Zusammenfassung: Das operative Management proximaler Frakturen des Femurs erfordert neben der korrekten Indikationsstellung die Auswahl des günstigsten Operationszeitpunkts, des geeigneten Implantats und des korrekten technischen Einsatzes. Gerade bei den meist älteren Betroffenen ist ein interdisziplinäres geriatrisches Akuttherapiekonzept mit einem auf relevante Vorerkrankungen gerichteten Fokus erforderlich. Die konsequente patientengerechte Nachbehandlung im Rahmen einer direkt postoperativ eingeleiteten Rehabilitationsmaßnahme unter Einbeziehung der Patientenangehörigen und Anleitung zur Sturzprävention und Selbsthilfe sind wesentliche Voraussetzungen für die
Sicherung des operativen Erfolgs nach hüftgelenknaher
Femurfraktur insbesondere im höheren Lebensalter.

Schlüsselwörter: proximale Femurfraktur, Schenkelhalsfraktur, trochantäre Fraktur, subtrochantäre Fraktur, interdisziplinäre geriatrische Akuttherapie, Osteoporose

Zitierweise

Langer S, Klier T, Lorenz M, Bühren V, von Rüden C: Operatives Management proximaler Femurfrakturen.
OUP 2016; 11: 622–626 DOI 10.3238/oup.2016.0622–0626

Summary: Operative management of proximal femoral
fractures requires correct indication for surgery, the choice of correct implant, correct timing and correct technique of the operative procedure. Even in geriatric patients an interdisciplinary therapeutic acute care concept focused on treatment of relevant comorbidities is essential. Further therapeutic
activities comprise early patient-related physical rehabilitation including integration of patients´ surrounding field and fall prevention are mandatory preconditions for successful surgical therapy of proximal femoral fractures even in the elderly.

Keywords: proximal femoral fracture, femoral neck fracture, trochanteric fracture, subtrochanteric fracture, interdisciplinary therapeutic acute care concept, osteoporosis

Citation

Langer S, Klier T, Lorenz M, Bühren V, von Rüden C: Operative
management of proximal femoral fractures.
OUP 2016; 11: 622–626 DOI 10.3238/oup.2016.0622–0626

Einleitung

Die proximale Femurfraktur stellt typischerweise eine Verletzung des älteren Menschen dar. Aufgrund der häufig
osteoporotischen Knochenstruktur ist das proximale Femur auch nach Minimaltraumata oder Stürzen aus dem Stand für Frakturen prädestiniert [1]. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz drastisch an. In Deutschland liegt die Häufigkeit über alle Einwohner gesehen bei 90/100. 000 Einwohnern [2]. Proximale Femurfrakturen führen nach wie vor zu einer relevanten Reduzierung der Lebenserwartung und bringen für die Betroffenen häufig eine drastische Verschlechterung der gesundheitlichen und auch sozialen Situation mit sich. Neben den Hüftkopffrakturen sowie den medialen und lateralen Schenkelhalsfrakturen werden auch die per- und subtrochantären Frakturen zu den proximalen Femurfrakturen gezählt (S72.0 bis S72.2 nach ICD-10) [3]. Als Goldstandard der Therapie gelten bei der Schenkelhalsfraktur, der trochantären und subtrochantären Femurfraktur die minimalinvasive cephalomedulläre Marknagel- oder die dynamische Hüftschraubenosteosynthese (DHS), um eine direkte Belastungsstabilität zu erreichen [4]. Die Eingriffe werden möglichst zeitnah standardisiert und über relativ limitierte Zugänge mit entsprechend geringem Blutverlust ausgeführt, um eine frühzeitige Mobilisierung der Patienten zu gewährleisten und negativen Auswirkungen der Immobilisierung vorzubeugen. Es muss berücksichtigt werden, dass bereits die Klinikletalität etwa 6 % sowie die Ein-Jahres-Mortalität bei Männern beinahe 40 % und bei Frauen beinahe 20 % beträgt [5].

Am wichtigsten für den geriatrischen Patienten ist die Gewährleistung sofortiger Mobilität, um eine Pflegebedürftigkeit zu vermeiden und um die Fähigkeit zur selbstständigen Alltagsbewältigung aufrechterhalten zu können, sodass eine Rückkehr in das gewohnte häusliche Umfeld ermöglicht wird. Des Weiteren können nur durch eine rasche Mobilisierung medizinische Komplikationen wie Thrombose, Pneumonie, Muskelatrophie, Dekubitus oder psychische Komplikationen wie Delir und Verschlimmerung eines bereits vorbestehenden kognitiven Defizits vermieden werden. Daher sind operative Stabilisierungsverfahren erforderlich, die eine sofortige Vollbelastung zulassen [6].

Dieser Artikel befasst sich mit Pathophysiologie, Klinik, Diagnostik und Therapie der Schenkelhalsfraktur, der trochantären und subtrochantären Fraktur.

Ergebnisse

Die retrospektive Analyse der eigenen Datenbank zur primären operativen Therapie proximaler Femurfrakturen einschließlich der Jahre 2005–2015 ergab, dass insgesamt 1128 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren behandelt wurden (Abb. 1). Nur 180 Patienten (16 %) waren jünger als 55 Jahre. Das Verhältnis von weiblichen zu männlichen Patienten betrug 59 % zu 41 % (666 Frauen, 462 Männer), wobei das Durchschnittsalter der männlichen Patienten mit 65 Jahren geringer war als das der weiblichen Patienten mit 78 Jahren. Insgesamt wurden 319 (28,3 %) Fraktur-Endoprothesen implantiert. 495 Patienten (43,9 %) wurden mit cephalomedullärem Nagel, 228 (20,2%) mit DHS und Antirotationsschraube, 49 (4,3 %) mit winkelstabilem Platten-Schrauben-System (Abb. 2a–b), 26 (2,3 %) mit (kanülierten) Schrauben, 10 mit antegradem Marknagel (0,9 %) und ein Kind im Alter von 4 Jahren mit 2 ESIN stabilisiert.

Acht Patienten (3 Frauen, 5 Männer) mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren wurden aufgrund einer Femurkopf-Fraktur („Pipkin-Fraktur“) im Rahmen einer Polytraumatisierung hospitalisiert. In 4 Fällen handelte es sich um eine Pipkin-I-, in 2 Fällen um eine Pipkin-II- und in je einem Fall um eine Pipkin-III- bzw. IV-Fraktur. Die Pipkin-III-Fraktur wurde mit zementfreier Hüftgelenk-Endoprothese (Hüft-TEP) versorgt. Die Pipkin-I-Frakturen wurden in 3 Fällen offen reponiert und die Kopffragmente jeweils entfernt, in einem Fall arthroskopisch. Die Pipkin-II-Frakturen wurden allesamt offen reponiert und mit Minischrauben stabilisiert.

509 Patienten wurden mit einer Schenkelhalsfraktur behandelt, wobei 33 dieser Patienten eine laterale Schenkelhalsfraktur erlitten. Das Durchschnittsalter betrug bei den medialen Schenkelhalsfrakturen 74 Jahre und bei den lateralen Schenkelhalsfrakturen 67 Jahre. Während wir bei den medialen Schenkelhalsfrakturen in 189 Fällen (39 %) Osteosynthesen bei einem Durchschnittsalter von 66,4 Jahren und in 287 Fällen (71 %) Hüft-TEP Implantationen bei einem Durchschnittsalter von 80,5 Jahren verzeichneten, erhielten Patienten mit lateraler Schenkelhalsfraktur in 21 Fällen (64 %) bei einem Durchschnittsalter von 54 Jahren eine Osteosynthese (DHS, cephalomedullärer Nagel oder winkelstabiles Platten-Schrauben-System) und in 12 Fällen (36 %) bei einem Durchschnittsalter von 81,3 Jahren eine Fraktur-Endoprothetik (Duokopfprothese oder Hüft-TEP). Die Prothesen können bei den Schenkelhalsfrakturen aufgeteilt werden in 162 zementierte Duokopfprothesen (Abb. 3a–b) bei einem Durchschnittsalter von 85,2 Jahren, 11 zementfreie Duokopfprothesen bei einem Durchschnittsalter von 81,2 Jahren, 73 zementfreie Hüft-TEPs (Durchschnittsalter 71,6 Jahre) und 31 zementierte Hüft-TEPs (Durchschnittsalter 81,5 Jahre), darunter 8 Schnapppfannen.

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