Übersichtsarbeiten - OUP 11/2016

Operatives Management proximaler Femurfrakturen

In 10 Jahren behandelten wir 477 Patienten mit pertrochantärer und 134 Patienten mit subtrochantärer Femurfraktur. Bei den pertrochantären Frakturen waren 298 Frauen und 179 Männer betroffen, während bei den subtrochantären Frakturen 76 Männer und 58 Frauen aufgenommen wurden. Von den 477 pertrochantären Frakturen wurden 390 mit einem cephalomedullären Nagel stabilisiert, 60 mit DHS und 9 mit winkelstabilem Platten-Schrauben-System. In 6 Fällen war die Implantation einer Duokopfprothese und in 12 Fällen die Implantation einer Hüft-TEP erforderlich. Subtrochantäre Frakturen wurden bei 110 Patienten mit cephalomedullärem Nagel adressiert, in 12 Fällen wurde ein antegrader Marknagel eingesetzt, in 10 Fällen eine winkelstabile Platte und in 2 Fällen eine Revisionsendoprothese implantiert. Eine auxiliäre Cerclage war bei den trochantären Frakturen in 59 Fällen und bei den subtrochantären Frakturen in 62 Fällen erforderlich. Femurkopf-Frakturen ausgenommen, lag die intrahospitale Gesamtletalität bei 39/1120 Eingriffen (3,5 %). Bei den Prothesen lag sie bei 26/1120 (2,3 %) und bei den Osteosynthesen bei 12/1120 (1,2 %). Die intrahospitale Letalität bei den zementierten Prothesen lag bei 1,1 %.

Diskussion

Proximale Femurfrakturen sind klassischerweise Osteoporose-assozierte Frakturen bei geriatrischen Patienten. Bei jungen Patienten treten sie selten und meist im Rahmen von Hochrasanztraumata auf. Sie zählen derzeit zu den 10 häufigsten Behandlungsdiagnosen der Kliniken in Deutschland bei Patienten über 65 Jahren. Über 50 % der Patienten weisen Einschränkungen der körperlichen Funktion gemäß ASA-Klassifikation Grad 3 und 4 auf [7]. In Deutschland werden jährlich über 125.000 proximale Femurfrakturen mit einer Einjahresmortalität von etwa 25 % verzeichnet. Es handelt sich hierbei um Schenkelhalsfrakturen sowie trochantäre und subtrochantäre Frakturen [3]. Die direkten Behandlungskosten werden auf etwa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland geschätzt [8]. Durch den demografischen Wandel hin zu höherer Lebenszeit werden die Osteoporoseprävalenz und auch die Inzidenz für hüftgelenknahe Frakturen erwartungsgemäß weiter ansteigen [9].

Interdisziplinäre geriatrische
Akuttherapie

Entscheidend für die erfolgreiche Therapie des medizinisch anspruchsvollen geriatrischen Patientenguts ist ein konsequent verfolgter und hinterlegter interdisziplinärer Behandlungsalgorithmus [10], den wir auch in unserer Klinik anhand der im Ergebnisteil dargestellten Daten und den daraus gewonnenen Erkenntnissen sowie in Übereinstimmung mit der aktuellen Literatur erstellt und evidenzbasiert regelmäßig angepasst haben.

Prädisponierend für hüftgelenknahe Frakturen sind höheres Alter, eine niedrige Knochendichte, Osteoporose in der Familie, ein niedriger Body-Mass-Index, Nikotin- und Alkoholabusus sowie das weibliche Geschlecht. Die Frakturheilung wiederum ist ein multifaktorieller Prozess, abhängig von der individuellen Biologie und Lebensweise des Patienten [11]. Die präoperative Vorbereitung soll daher die zielgerichtete Bildgebung und Klassifizierung der Fraktur, die Anamneseerhebung mit Abklärung relevanter Nebendiagnosen und die sorgfältige Operationsplanung inklusive Auswahl des geeigneten Implantats und der geeigneten Operationstechnik beinhalten.

Zahlreiche Studien haben erwiesen, dass sich anhand quantitativer Bildgebung (DXA, QCT oder QUS) das Frakturrisiko von Schenkelhalsfrakturen prospektiv abschätzen lässt [12]. Mit Abnahme der Knochendichte um eine Standardabweichung steigt das Risiko für eine zukünftige Fraktur um etwa 50 % [13]. Die Erkenntnisse dieser Messungen lassen sich in die präoperative Frakturanalyse einbeziehen [14].

Hinsichtlich der Frage des optimalen Zeitpunkts der Operation – unabhängig ob Osteosynthese oder Fraktur-Endoprothese – gilt so rasch wie möglich und spätestens innerhalb von 24 Stunden nach stationärer Aufnahme, da der Operationszeitpunkt eine wesentliche Auswirkung auf den weiteren klinischen Verlauf hat [15, 16]. Es wurde festgestellt, dass jeder Tag Wartezeit auf die Operation die Letalität um mehr als 5 % erhöht [16].

In der Nachbehandlung ist der Knochenstatus ausschlaggebend für eine etwaige medikamentöse Osteoporosetherapie. Grundsätzlich wird in den DVO-S3-Leitlinien 2014 eine spezifische medikamentöse Osteoporosetherapie empfohlen, wenn das absolute Risiko, in den nächsten 10 Jahren eine Schenkelhals- oder Wirbelkörperfraktur zu erleiden, bei über 30 % liegt [17]. Zur Sturzprophylaxe und Prävention hüftgelenknaher Frakturen werden die Bestimmung der 25-Hydroxy-Vitamin-D3-Serumkonzentration und die adäquate Vitamin-D-Substitution empfohlen, da bei den meisten geriatrischen Patienten ein Vitamin-D-Mangel nachweisbar ist [18].

Die patientengerechte Physio- und Ergotherapie inklusive Anleitung zur Selbsthilfe und Sturzvermeidung im Rahmen einer komplexen (geriatrischen) Rehabilitationsmaßnahme unter Einbindung des sozialen Umfelds des Betroffenen ist wesentliche Grundlage für die Sicherung des operativen Erfolgs nach hüftgelenknaher Fraktur im höheren Lebensalter.

Operative Therapie
von Schenkelhalsfrakturen

Die hüftkopferhaltende Therapie der Schenkelhalsfraktur stellt eine dringliche Operationsindikation dar, da eine anhaltende Dislokation mit zunehmend ungünstigerer Prognose bezüglich der Entwicklung einer Hüftkopfnekrose verbunden ist [19]. Sie wird bei Jugendlichen und aktiven Erwachsenen empfohlen. Eine feste Altersgrenze besteht nicht. Der operative Eingriff muss in jedem Einzelfall hinsichtlich Anamnese und Begleiterkrankungen auf seine Indikation hin überprüft werden. Bei der präoperativen Aufklärung muss insbesondere auf das Risiko der Hüftkopfnekrose und der Pseudarthrose mit ggf. erforderlichem Folgeeingriff wie Hüftgelenkendoprothetik hingewiesen werden. Als Zeitintervall wird analog zu akuten Gefäßverschlüssen 6 Stunden empfohlen [20]. Eine Ausnahme von dieser Regel stellt allenfalls die prophylaktische Schraubenosteosynthese einer impaktierten Schenkelhalsfraktur bei Patienten höheren Lebensalters dar: Da in diesem Fall nicht mit einer Unterversorgung der Perfusion des Hüftkopfs gerechnet werden muss, ist ein Zeitintervall von 24–48 Stunden möglich. Als mögliche Osteosyntheseverfahren stehen die kanülierte Schraubenosteosynthese, die 2-Loch-DHS mit Antirotationsschraube und winkelstabile dynamische Schrauben-Plattensysteme zur Verfügung [21]. Welches dieser Osteosyntheseverfahren wann zur Anwendung empfohlen wird, ist in dem Behandlungsalgorithmus zur Therapie der Schenkelhalsfrakturen in Abbildung 4 dargestellt. Die eindeutige Überlegenheit eines der Verfahren konnte bislang noch nicht nachgewiesen werden [19, 22].

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