Übersichtsarbeiten - OUP 04/2015
Outcome nach operativ versorgter AC-Gelenksprengung
S. Wurm1, A. Thannheimer1, R. Beickert1, V. Bühren1
Zusammenfassung: Höhergradige AC-Gelenksprengungen werden in der Regel operativ versorgt. Es besteht aber nach wie vor Uneinigkeit über das OP-Verfahren der Wahl, sodass wir retrospektiv das Outcome unserer Patienten untersucht haben. In den vergangenen 3 Jahren sind in unserer Klinik insgesamt 76 Patienten nach AC-Gelenksprengung operativ versorgt worden, ein Follow-up mit SF-36 und Oxford Shoulder Score haben wir von 40 Patienten (10 x Tightrope, 30 x Hakenplatte). Bei den mit Tightrope versorgten Patienten lag der mittlere Oxford Shoulder Score bei 18,8 Punkten; in der Hakenplatten-Gruppe bei 17,8 Punkten. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war nicht signifikant. Auch im SF-36 zeigte sich kein signifikanter Unterschied, sodass im klinischen Outcome beide Verfahren gleichwertig erscheinen.
Schlüsselwörter: AC-Gelenksprengung, Tightrope, Hakenplatte, Oxford Shoulder Score, SF-36
Zitierweise
Wurm S, Thannheimer A, Beickert R, Bühren V. Outcome nach
operativ versorgter AC-Gelenksprengung.
OUP 2015; 04: 174–176 DOI 10.3238/oup.2015.0174–0176
Summary: Although surgery for high-grade disruptions of the acromioclavicular joint is generally accepted, much controversy exists over the optimal surgical technique. Therefore, we have retrospectively analyzed the outcome of our patients. In the last 3 years, 76 patients with acromioclavicular joint dislocation were treated operatively; 40 patients were available for a follow-up (10 x tightrope, 30 x hook plate). Regarding the Oxford Shoulder Score and the SF-36, we did not find any difference between both groups.
Citation
Wurm S, Thannheimer A, Beickert R, Bühren V. Outcome after
surgical treatment of acromioclavicular joint dislocations
OUP 2015; 04: 174–176 DOI 10.3238/oup.2015.0174–0176
Keywords: Acromioclavicular joint dislocation, tightrope, hook plate, Oxford Shoulder Score, SF-36
Einleitung
AC-Gelenksprengungen sind bekannt seit der Zeit des Hippokrates [1, 2]. Sie entstehen klassischerweise durch einen Sturz auf die Schulter bei adduziertem Arm, wobei es zu einer direkten Krafteinwirkung auf das Acromion kommt. Meist sind junge Menschen im Rahmen eines Sportunfalls betroffen.
Die Klassifikation der AC-Gelenksprengungen erfolgt nach Tossy [3] oder erweitert nach Rockwood [4]. Bei Typ I zeigt sich lediglich eine Distorsion der das AC-Gelenk stabilisierenden Bänder; es kommt zu keinem Höhertreten der lateralen Clavicula. Bei Typ II ist das acromioclaviculäre Band zerrissen, wodurch die laterale Clavicula subluxiert. Ab Typ III sind zusätzlich auch noch die Ligg. coracoclavicularia zerrissen, was eine Luxation im AC-Gelenk zur Folge hat. Typ IV entspricht Typ III mit zusätzlich dorsaler Einklemmung der Clavicula im M. trapezius. Bei Typ V nach Rockwood sind neben allen Bändern auch Muskelansätze von der Clavicula abgerissen, was zu einer ausgedehnten Dislokation der Clavicula führt (2–3-fache Schaftbreite), und bei Typ VI ist die laterale Clavicula unter dem Coracoid verhakt.
Rockwood-I- und -II-Verletzungen lassen sich gut konservativ therapieren, bei Rockwood III besteht eine relative OP-Indikation, wohingegen höhergradige AC-Gelenksprengungen in der Regel operativ versorgt werden [5, 6].
Nun gibt es zahlreiche Verfahren zur Stabilisierung des AC-Gelenks, aber in der Literatur herrscht nach wie vor Uneinigkeit über das Verfahren der Wahl [7]. Bei uns an der Klinik werden in der Regel 2 verschiedene Verfahren angewendet: die Stabilisierung mit Hakenplatte oder Tightrope. Zur Überprüfung der Frage, ob sich das klinische Outcome der beiden Patientengruppen unterscheidet, haben wir unsere Patienten retrospektiv untersucht.
Methode
Wir haben alle Patienten, die in unserer Klinik zwischen 1/2010 und 12/2013 bei AC-Gelenksprengung mit Hakenplatte oder Tightrope stabilisiert wurden, angeschrieben und gebeten, den Oxford Shoulder Score sowie den SF-36 auszufüllen. Bei dem verwendeten Oxford Shoulder Score war das beste zu erzielende Ergebnis 12 Punkte. Zudem haben wir uns die Komplikationen der Patienten angesehen.
Die statistische Auswertung der Ergebnisse und ihre Prüfung auf Signifikanz erfolgte mit Hilfe des exakten Tests nach Fischer sowie des Mann-Whitney-Tests. Zur vergleichenden Quantifizierung wurden p-Werte errechnet. Wenn die p-Werte < 0,05 waren, wurden die Unterschiede als signifikant bezeichnet, wenn sie > 0,05 waren, als nicht signifikant.
Ergebnisse
Insgesamt wurden in dem Zeitraum in unserer Klinik 76 Patienten mit einer AC-Gelenksprengung operativ stabilisiert. Das mittlere Alter dieser Patienten lag bei 41 (± 12,3) Jahren. 20 Patienten (Ø 37,3 Jahre) erhielten ein Tightrope, 56 Patienten (Ø 42,3 Jahre) wurden mittels Hakenplatte versorgt.
Ein Follow-up haben wir von 40 Patienten, davon wurden 30 (Ø 45 Jahre) mit Hakenplatte und 10 (Ø 44,7 Jahre) mit Tightrope stabilisiert.
An Komplikationen haben wir bei den mit Hakenplatte versorgten Patienten 2-mal eine vorzeitige Materialentfernung bei Dislokation durchführen müssen (Abb. 1). Des Weiteren hatte ein Patient einen positiven Keimnachweis bei der geplanten Materialentfernung, diese wurde jedoch nicht klinisch relevant.
Von den Tightrope-Patienten wurden 2 bei chronischer Instabilität revidiert, und bei einem Patienten kam es zur Dislokation des Buttons.
Im Oxford Shoulder Score zeigten sich in den beiden Patientengruppen keinerlei signifikante Unterschiede. Die Hakenplatten-Patienten hatten im Schnitt 17,8 (± 8,8) Punkte, die Tightrope-Patienten 18,8 (± 9,8) Punkte. Der Median lag bei 13 bzw. 12 Punkten (Abb. 2). Bei den Unterfragen zu Schmerzen zeigte sich bei den Tightrope-Patienten tendenziell ein schlechterer Wert, wobei der Unterschied jedoch nicht signifikant war.
Im SF-36 (Abb. 3) zeigte sich lediglich in der Kategorie „emotionale Rollenfähigkeit“ ein signifikant besserer Wert in der Tightrope-Gruppe, in allen anderen Punkten unterschieden sich die beiden Gruppen nicht signifikant.
Diskussion
Obwohl AC-Gelenksprengungen relativ häufige Verletzungen sind, sie stellen die zweithäufigste Verletzung des Schultergürtels dar, herrscht in der Literatur nach wie vor Uneinigkeit darüber, welches der zahlreichen zur Verfügung stehenden OP-Verfahren das Verfahren der Wahl ist.
Wir haben uns daher mit dem Outcome unserer Patienten beschäftigt und retrospektiv untersucht, ob sich ein Unterschied zwischen den mit Tightrope und den mit Hakenplatte versorgten Patienten zeigt. Dies war jedoch nicht der Fall. Beide Patientengruppen zeigten ein gutes Outcome mit guten Scores sowohl im SF-36 als auch im Oxford Shoulder Score. Der einzige Unterpunkt, bei dem wir einen signifikanten Unterschied gefunden haben, war die „emotionale Rollenfähigkeit“. Die Patienten, die hier schlechte Werte hatten, haben jedoch z.T. im Freitext noch eine Erklärung hinzugefügt, aus der hervorgeht, dass die schlechten Werte unfall- und verletzungsunabhängig sind. Tendenziell zeigte sich in unserem Patientengut ein etwas schlechteres Scoring der Tightrope-Patienten in den Unterpunkten, die sich mit „Schmerzen“ beschäftigen. Die Unterschiede waren jedoch nicht signifikant. Bei der Einzelfallbetrachtung zeigte sich zudem, dass bei der relativ kleinen Fallzahl bereits ein Patient mit 5-er-Werten in den Schmerzscores ausreichend war, um diese Tendenz hervorzurufen.
Die Komplikationsrate war in unserer Studie auch in der Tightrope-Gruppe etwas höher, wobei jedoch die Patienten, bei denen es zu Komplikationen gekommen ist, in der Nachuntersuchung gleich gute Ergebnisse hatten, wie die Patienten ohne Komplikationen.
Auch in anderen Studien zeigte sich ein gutes Outcome nach operativer Versorgung von AC-Gelenksprengungen [8–10]. Virtanen et al. untersuchten 50 Patienten mit Rockwood-V-Verletzung nach einer Follow-up-Zeit zwischen 15 und 22 Jahren. Die Patienten waren mit unterschiedlichen Verfahren operativ stabilisiert worden, und in dem Langzeit-Follow-up zeigten sich – unabhängig vom OP-Verfahren – im Constant Score keine signifikanten Unterschiede zwischen der verletzten Seite und der gesunden Gegenseite [11]. In einer anderen Studie wurden Patienten verglichen, bei denen die folgenden Verfahren angewendet wurden: Graftrope, Tightrope und Allograft, Allograft Tissue Loop, Schraube, Suture Anchors sowie das Verfahren nach Weaver-Dunn. Insgesamt zeigte sich hierbei eine signifikant bessere Reposition mit Graftrope und Tightrope im Vergleich zu den anderen 4 Verfahren. Die Revisionsrate war am höchsten, wenn die laterale Klavikula reseziert wurde, aber nichtsdestotrotz unterschieden sich auch in dieser Studie die Gruppen nicht im Hinblick auf das funktionelle Outcome oder das Schmerzlevel [12].
Beitzel et al. [7] reviewten 120 Studien, in denen 162 verschiedene Techniken zur Stabilisierung des AC-Gelenks untersucht wurden, aber auch hier kristallisierte sich nicht das Verfahren der Wahl heraus.
Insgesamt zeigt sich, sowohl in unserer Untersuchung als auch in der Literatur, dass das Outcome nach operativer Versorgung einer AC-Gelenksprengung in der Regel sehr gut ist, und zwar unabhängig vom gewählten Operationsverfahren.
Interessenskonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.
Korrespondenzadresse
Dr. Simone Wurm
BG-Unfallklinik Murnau
Prof.-Küntscher-Straße 8
82418 Murnau
Simone.Wurm@bgu-murnau.de
Literatur
1. Adams FL. The genuine works of Hippocrates. New York, NY: William Wood; 1886
2. Assaghir YM. Outcome of exact anatomic repair and coracoclavicular cortical lag screw in acute acromioclavicular dislocations. J Trauma Inj Infect Crit Care 2011; 71: E50–E54
3. Tossy JD, Mead NC, Sigmond HM. Acromioclavicular separations: useful and practical classification for treatment. Clin Orthop Relat Res 1963; 28: 111–119
4. Rockwood C. Subluxations and dislocations about the shoulder. In: Rockwood CA, Green DP (Hrsg) Fractures. Philadelphia: Lippincott, 1984: 860–910
5. Wellmann M, da Silva G, Lichtenberg S et al. Instabilitätsmuster bei Akromioklavikulargelenkverletzungen vom Typ Rockwood III. Orthopäde 2013; 42: 271–277
6. Smith TO, Chester R, Pearse EO et al. Operative versus non-operative management following Rockwood grade III acromioclavicular separation: a meta-analysis of the current evidence base. J Orthop Traumatol 2011; 12: 19–27
7. Beitzel K, Cote MP, Apostolakos J et al. Current concepts in the treatment of acromioclavicular joint dislocations. Arthroscopy 2013; 29: 387–397
8. Salem KH, Schmelz A. Treatment of Tossy III acromioclavicular joint injuries using hook plates and ligament sutures. J Orthop Trauma 2009; 23: 565–569
9. Kienast B, Thietje R, Queitsch C et al. Mid-term results after operative treatment of Rockwood grade III-V acromioclavicular joint dislocations with an AC-hook-plate. Eur J Med Res 2011; 16: 52–56
10. Gille J, Heinrichs G, Unger A et al. Arthroscopic-assisted hook plate fixation for acromioclavicular joint dislocation. Int Orthopaedics 2013; 37: 77–82
11. Virtanen KJ, Remes VM, Tulikoura, ITA et al. Surgical treatment of Rockwood grade-V acromioclavicular joint dislocations. Acta Orthopaedica 2013; 84: 191–195
12. Grassbaugh JA, Cole C, Wohlrab K et al. Surgical technique affects outcomes in acromioclavicular reconstruction. J Surg Orthop Advances 2013; 22: 71–76
Fussnoten
1 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau