Übersichtsarbeiten - OUP 06/2023

Posttraumatische cubitale Deformitäten bei Kindern und Jugendlichen
Supracondyläre Korrekturosteotomie des distalen Humerus

Die posttraumatische Deformität des distalen Humerus ist nicht nur ein anatomisches, oder wie öfters initial subjektiv wahrgenommen, gar ein kosmetisches Problem. Die unphysiologische Veränderung der Geometrie kann auch funktionelle Defizite des Ellenbogengelenkes verursachen, die langfristig zusätzlich mit einer sekundären Instabilität einhergehen [7, 8].

Daher ist das Wiederherstellen der anatomischen Geometrie des distalen Humerus durch eine supracondyläre Umstellung hier der zielführende Therapieansatz [3, 9]. In der Literatur wurden mehrere Techniken wie laterale Closing-Wedge-Osteotomie [10–13], mediale Open-Wedge-Osteotomie [14], translationale Step-Cut-Osteotomie [15] sowie Domosteotomie [9, 16–19] mit verschiedenen Fixationsmethoden wie Kirschnerdraht-Osteosynthese [16–19] oder Fixateur externe [14, 20–22] als
valide Optionen beschrieben.

Techniken der supracondylären Korrekturosteotomie

Korrektur in der sagittalen Ebene

Die sagittale Ebene ist die Hauptbewegungsebene des Ellenbogengelenkes [1, 2]. Die posttraumatische Veränderung in dieser Ebene führt zur unphysiologischen Verschiebung des Bewegungsradius mit funktionellem Beuge- oder Streckdefizit [1–3]. Aufgrund der begleitenden sekundären Veränderungen der umgebenden knöchernen sowie weichteiligen Komponenten ist eine Vergrößerung des absoluten Bewegungsradius weder realisierbar noch zielführend [3]. Das Ziel der Korrektur ist das Balancieren zwischen der Extensions- und Flexionsfähigkeit [3].

Sollte die Korrektur primär in der sagittalen Ebene erfolgen, so ist ab
einem Alter von 10 Jahren die Einstellung des distalen Fragments durch eine radialseitige Condylen-Platte eine sehr gute Möglichkeit. Auch eine Korrektur in der frontalen Ebene lässt sich damit in geringerem Ausmaß erreichen.

Korrektur in der frontalen Ebene

In der frontalen Ebene steht dann eine stabile Führung unter Valgus-/Varus-Stress im Vordergrund [1–3]. Die posttraumatische Abweichung der cubitalen Achse ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern kann auch langfristig mit Destabilisierung des Ellenbogengelenkes verbunden sein [3, 7–9].

Im Fall eines Cubitus varus kann eine posterolaterale rotatorische Instabilität aufgrund chronischer Überdehnung des lateralen collateralen
Ligament-Komplexes durch repetitives Außenrotationsdrehmoment auf die proximale Ulna in Folge der
medialen Verschiebung der mechanischen cubitalen Achse und des
Trizepszugvektors entstehen [8].

Im Fall eines Cubitus valgus kann es aufgrund der durch vermehrt valgische Abweichung entstandenen Dysbalance der Lastverteilung zwischen den radialen und den ulnaren Pfeilern mit Überlastung des humeroradialen Gelenkes nicht nur zu schmerzhaften Bewegungen führen, sondern kann es auch langfristig mit einer sekundären medialen Instabilität des Ellenbogengelenkes einhergehen [3, 9].

Die von French vor 60 Jahren beschriebene laterale Closing-Wedge-Osteotomie ist bislang das etablierte Verfahren für die Korrektur der Cubitus varus-Deformität [10]. Seine guten funktionellen Korrekturergebnisse sind in der Literatur zahlreich vorbeschrieben [10–13].

Der kritische Aspekt einer lateralen Closing-Wedge-Osteotomie besteht vor allem bei der Wedge-induzierten lateralen Translation in der frontalen Ebene und der dadurch entstandenen condylären Prominenz, welche insbesondere im Jugendalter nur bedingt remodelliert wird [23].

Um eine condyläre Prominenz zu vermeiden, besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit einer medialen Open-Wedge-Osteotomie [14], diese ist jedoch aufgrund der durch den medialen additiven Keil entstandenen akuten Elongation des ulnaren Pfeilers mit dem Risiko einer Überdehnung des Nervus ulnaris verbunden [9].

Ebenso problematisch ist der Fall eines Cubitus valgus. Hier kommt
eine mediale Closing-Wedge-Osteotomie in Frage. Diese erfordert jedoch
einen ulnarseitigen Zugang, sodass hier intraoperativ ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die Nervenläsion besteht. Um den ulnaren Zugang zu umgehen, ist auch eine laterale Open-Wedge-Osteotomie durch einen radialseitigen Zugang möglich. Jedoch führt diese postoperativ öfters zu einer anatomischen Dysbalance am distalen Humerus mit einer condylären Prominenz. Die Wedge-induzierte condyläre Dysbalance erlaubt nur eine begrenzte Korrekturpotenz, da eine höhere Korrektur auch eine Zunahme der unphysiologischen Geometrie bedeutet. Eine weitere Einschränkung der Wedge-Osteotomie-Technik ist die Limitierung der Korrekturmöglichkeit auf primär nur eine Ebene.

Als Modifikation der Wedge-Osteotomie gilt die Step-Cut-Osteotomie [15]. Allerdings sind hier trotz der anspruchsvollen Durchführung, sowohl die Korrekturpotenz als auch die Möglichkeit einer multidimensionalen Korrektur weiterhin sehr eingeschränkt.

Mehrdimensionale Korrektur

Mehrdimensionale Korrektur über Fixateur externe

Die isolierte Deformität einer singulären Ebene kommt jedoch eher selten vor [3, 5, 6]. Vielmehr besteht eine Kombination von Abweichungen in mehreren Ebenen, welche auf eine ‚gemeinsame knöcherne Deformität zurückzuführen sind [3, 5, 6].

Für eine mehrdimensionale Korrektur ist der Fixateur externe eine
gute Methode [14, 20–22], hier ist ein freies Einstellen des distalen Fragments theoretisch beliebig möglich, jedoch muss auch hier das altersabhängige Remodellierungslimit berücksichtigt werden. Ein weiterer Vorteil ist dessen sehr gute Nachjustierbarkeit, sollte sich die initiale Einstellung im Nachhinein als suboptimal herausstellen. Von Nachteil hierbei ist vor allem die längere Konsolidationsdauer, somit auch längere Fixateur-Tragdauer, insbesondere bei älteren Kindern und Jugendlichen, wobei
zuweilen 10–12 Wochen nicht selten ist. Des Weiteren besteht ein höheres Risiko für Implantat-Lockerung sowie Reizung der Pin-Stelle bis zum Pin-Infekt und Osteomyelitis [24, 25].

Daher wurde in unserer Abteilung bei Patientinnen und Patienten ab
einem Alter von 10 Jahren die supracondyläre Domosteotomie bevorzugt [9]. Die Domosteotomie vermeidet durch ihren zentrischen Drehpunkt nicht nur die Wedge-induzierte laterale Translation [18], sondern erreicht mit der dadurch erzeugten bogenförmigen größeren Osteotomie-Fläche auch eine bessere Stabilität [19]. Des Weiteren erlaubt die domförmige
Osteotomie eine multidimensionale Korrektur [9, 19]. Zusätzlich ist in der frontalen Ebene noch eine mediale Translation möglich, um die condyläre Prominenz zu reduzieren [9].

In der Literatur wurden verschiedenste Zugangs- und Fixationsmöglichkeiten beschrieben [16–19]. In unserer Abteilung wurde der dorsale
Zugang mittels Trizeps-Split-Technik mit dorsaler Plattenosteosynthese mittels einer LCP-Radius- bzw. Tibia-Platte angewendet [9].

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