Arzt und Recht - OUP 01/2013
Praxismietvertrag: Schutz gegen konkurrierende Mieter im selben Haus
Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Karlsruhe
Einleitung
In der Regel werden Arztpraxen in gemieteten Räumen betrieben. Dies geschieht immer häufiger in sogenannten „Ärztehäusern“, in denen sämtliche Räume an verschiedene Arztpraxen vermietet werden. Entsprechend hoch ist das Interesse der eine Praxis betreibenden Ärzte, dass ihnen nicht durch die Vermietung von Räumen an andere Ärzte mit denselben Tätigkeitsinhalten Konkurrenten „vor die Nase gesetzt“ werden.
Der erforderliche Konkurrenzschutz kann sich aus dem Vertragsverhältnis zum Vermieter ergeben. Die Grenzen und Konsequenzen dieses Konkurrenzschutzes wurden jüngst durch 2 Urteile des Bundesgerichtshofs klarer gestellt, sodass Ärzte in Zukunft nach aktueller Rechtslage besser gegen die Konkurrenz ärztlicher Mitmieter in demselben Haus geschützt sind.
Urteil des BGH vom 11.01.2012, Az. XII ZR 40/10
1
: Auslegung einer Konkurrenzschutzklausel
Zum Sachverhalt
In gemieteten Räumen wurde eine Praxis für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde betrieben. Nachfolgend schloss die Vermieterin mit der Klägerin einen Mietvertrag über Gewerberäume in dem sogenannten „Ärztehaus“ zum Betrieb eines Optik- und Hörgerätegeschäfts. Dieser Mietvertrag enthält die Klausel „Konkurrenzschutz für den Mieter wird in folgendem Umfang vereinbart: Kein weiteres Optik- und Hörgerätegeschäft …“.
Die Betreiberin der HNO-Praxis begann im „verkürzten Versorgungsweg“ Hörgeräte unmittelbar an Patienten abzugeben. Dabei übernimmt der HNO-Arzt unter anderem die audiometrische Messung und das Erstellen von Ohrabdrücken zur Anpassung und Lieferung von Hörgeräten, die Feinanpassung der vom Hersteller direkt an ihn gelieferten Hörgeräte sowie die Einweisung der Patienten.
Die Betreiberin des Optik- und Hörgerätegeschäfts begehrt mit Ihrer Klage von der Vermieterin, gegenüber der Betreiberin der HNO-Praxis auf die Einhaltung der Konkurrenzschutzklausel hinzuwirken, eine Mietminderung hinzunehmen und Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns zu leisten. Hierzu hatte sie argumentiert, dass die Konkurrenzschutzklausel dem Wortlaut nach nicht ausdrücklich auch die Abgabe von Hörgeräten durch eine HNO-Praxis erwähnt. Dies sei eine Regelungslücke des Vertrages, die zu ihren Gunsten durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden müsse.
Aus den Gründen
Der BGH sieht in der Gewährung der Abgabe von Hörgeräten im „verkürzten Versorgungsweg“ durch die Arztpraxis keinen Verstoß gegen die Konkurrenzschutzklausel.
Die Argumentation der Klägerin ließ er nicht gelten. Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besage nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages (Regelungslücke) handelt. Von einer solchen Unvollständigkeit könne nur gesprochen werden, wenn ohne Vervollständigung des Vertrages das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem tatsächlich Vereinbarten stehen würde und eine angemessene interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre. Zudem dürfe die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer wesentlichen Erweiterung des Vertragsinhaltes führen. Zur Verwirklichung des Regelungsplans der Vertragsparteien sei nicht erforderlich, den vereinbarten Konkurrenzschutz auf die Abgabe von Hörgeräten im „verkürzten Versorgungsweg“ auszudehnen.
Maßgeblich sei vielmehr, welchen Umfang des Konkurrenzschutzes die Betreiberin des Optik- und Hörgerätegeschäfts bei Abschluss des Mietvertrages erwarten konnte. In der Konkurrenzschutzklausel des Mietvertrages wurde der gewährte Konkurrenzschutz konkret beschrieben und auf das Verbot der Vermietung von Räumlichkeiten an Dritte zum Betrieb eines Optik- und Hörgerätegeschäfts begrenzt. Die Klägerin sollte demnach primär vor unmittelbarer Konkurrenz durch einen gleichartigen Geschäftsbetrieb geschützt werden. Der Klägerin war bei Abschluss des Mietvertrages bekannt, dass in dem Mietobjekt eine Praxis für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten betrieben wird. Sie musste daher bereits zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, dass der dort praktizierende Facharzt sämtliche Leistungen erbringen wird, zu denen er berechtigt ist und es zu Überschneidungen zwischen ihrem Leistungsangebot und der ärztlichen Tätigkeit kommen kann. Hätten die Vertragsparteien tatsächlich die Absicht gehabt, die Klägerin auch vor ärztlichen Leistungen zu schützen, die sich mit ihrem eigenen Geschäftsbereich überschneiden, hätte es nahegelegen, bei der Formulierung der Konkurrenzschutzklausel nicht auf den Betrieb eines weiteren Optik- und Hörgerätefachgeschäfts abzustellen, sondern die Leistungen, für die der Klägerin Konkurrenzschutz gewährt werden sollte, konkret zu benennen. Dass von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde, spreche dafür, dass nach dem Regelungsplan der Parteien die Klägerin tatsächlich nur von der Konkurrenz durch ein weiteres Optik- und Hörgerätegeschäft geschützt werden sollte.
Die Ärztin der HNO-Praxis betreibe jedoch weder zugleich ein Hörgerätegeschäft, noch übe sie die Tätigkeit eines Hörgeräteakustikers aus, wenn sie im „verkürzten Versorgungswege“ Hörgeräte an Patienten abgibt. Bei den Tätigkeiten handele es sich um ärztliche Leistungen, die zum beruflichen Bereich eines HNO-Arztes gehören oder zumindest mit diesem in sehr engem Zusammenhang stehen.
Eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke lasse sich auch nicht damit begründen, dass ohne eine Vervollständigung des Vertrages keine angemessene und interessengerechte Lösung zu erzielen wäre. Der Standortvorteil, der der Klägerin durch die Konkurrenzschutzklausel gewährt wurde, bestehe fort. Die Klägerin habe nach Abschluss des Mietvertrages zunächst viele Jahre nur ein Optikgeschäft betrieben. Die wirtschaftliche Grundlage ihres Betriebes war bis dahin nicht von der Möglichkeit des Verkaufs von Hörgeräten geprägt. Durch die Erweiterung ihres Geschäfts hat die Klägerin sich nur die Möglichkeit geschaffen, durch eine Vergrößerung ihres Leistungsangebotes ihre Ertragslage zu verbessern, indem sie den Vorteil nutzt, dass in dem Ärztehaus ein HNO-Arzt praktiziert. Da jedoch jeder Patient frei darüber entscheiden kann, wo er sich ein verordnetes Hörgerät anfertigen lässt, hat die Klägerin durch die Eröffnung der Akustikabteilung nur die Chance erworben, dass sie Patienten der HNO-Praxis als Kunden gewinnt.