Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019
Schulter-Revisionsendoprothetik – Fakten und Zahlen
Sven Anders, Joachim Grifka, Jens Schaumburger
Zusammenfassung:
Eine Revision nach fehlgeschlagener primärer Schulterendoprothese ist vergesellschaftet mit erschwerter operativer Durchführung, erhöhter Komplikationsrate und schlechteren Ergebnissen. Die Ergebnisse variieren dabei mit der Ursache der Revision. Trotz deutlicher klinischer Verbesserungen zeigen Schulter-TEP-Revisionen häufig schlechte subjektive Zufriedenheitswerte im Vergleich mit typgleichen Primärversorgungen. Zusätzliche Voroperationen an der Schulter scheinen einen negativen Einfluss auf das Revisionsergebnis zu haben. Generell günstigere Voraussetzungen finden sich hingegen bei Infektfreiheit, intakter Rotatorenmanschette (RM), stabilem Gelenk und gutem Knochenlager. Eine Protheseninfektion als Revisionsgrund hat in der Regel die schlechtesten Ergebnisse. Eine inverse Schulter-TEP bietet im Revisionsfall konzeptionell Vorteile bei RM-Defekten und glenohumeraler Instabilität zulasten typspezifischer Komplikationen. Modulare, individuelle und konvertierbare Primärprothesen sollen zukünftig im Revisionsfall umfangreichere anwenderfreundliche Optionen zur Verbesserung der Funktion und Verlängerung der Standzeiten bei verringerter Komplikationsquote bieten.
Schlüsselwörter:
Schulterendoprothese, inverse Prothese, Lockerung, Instabilität, Revision, Ergebnis
Zitierweise:
Anders S, Grifka J, Schaumburger J: Schulter-Revisionsendoprothetik – Fakten und Zahlen.
OUP 2019; 8: 353–360
DOI 10.3238/oup.2019.0353–0360
Summary: Revision after failed primary shoulder arthroplasty correlates with aggravated operative handling, increased risk of complications and worsened results. Results vary by reason. Despite of clinical improvement results of revision shoulder arthroplasty often are inferior in PROM than comparable primary arthroplasties. Additional shoulder operations seem to diminish revision results. In general, absence of infection, intact rotator cuff, joint stability and sufficient bone stock are favourable in revision cases. However, periprosthetic infection is associated with the worst outcome expectancy after revision shoulder arthroplasty. In revision cases, reverse shoulder arthroplasty is advantageous in cuff deficiency and glenohumeral instability by its genuine concept despite of typical complications. Modular, individual and convertible primary shoulder prostheses shall offer additional considerable smart options for functional improvement, long-term survival and reduced failure rate in revision cases in the future.
Keywords: shoulder arthroplasty, reverse shoulder prosthesis, loosening, revision, result
Citation: Anders S, Grifka J, Schaumburger J: Revision in shoulder arthroplasty – facts and figures.
OUP 2019; 8: 353–360 DOI 10.3238/oup.2019.0353–0360
Für alle Autoren: Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg, Asklepios-Klinikum Bad Abbach
Einleitung
Der alloplastische Ersatz des Glenohumeralgelenks stellt eine wertvolle Therapieoption bei hochgradiger Omarthrose mit steigenden Fallzahlen dar. So stieg z.B. die Anzahl von primären Schulterendoprothesen in Finnland im Zeitraum von 2004– 2015 um 160 % [23]. Neben dem absoluten Anstieg der Versorgungszahlen sind in den letzten Jahrzehnten neuartige Prothesentypen (z.B. inverse Prothese) auf den Markt gekommen, die das Indikationsspektrum jenseits der klassischen Schaftprothese erweiterten. Konsekutiv nehmen bei steigender Anzahl an primären Schulter-TEP auch die Revisionsfälle in den letzten Jahren zu [49].
Durch ihre großen Fallzahlen sind Endoprothesenregister besonders geeignet, um Informationen über Ursachen und Häufigkeit von Revisionen nach Schulterendoprothesen zu erhalten [23, 38]. Während klinische Studien und ihre Metaanalysen häufig strikt definierte Ein- und Ausschlusskriterien benutzen, bilden Registerdaten alle versorgten Patienten unabhängig von Alter und Komorbidität ab. Registerdaten spiegeln daher eher die jeweilige Versorgungsrealität wider. Sie verwenden übereinstimmend Überlebensraten als primären Outcome-Parameter, während Patienten-assoziierte Outcome-Parameter (PROM) nicht durchgängig etabliert sind [40]. Kritisch gesehen wird, dass die bloße Betrachtung von Überlebensraten solche Patienten, die revisionsbedürftige Schulterprothesen mit schlechten Score-Werten haben, nicht abbildet. Vorteilhaft hingegen ist, dass in Registerdaten Fehlermodalitäten prothesen- oder herstellerspezifisch unterschieden werden können.
Die wichtigsten Revisionsgründe einer primären Schulter-TEP liegen in Problemen der Glenoid- oder Humeruskomponenten, Instabilitäten, Rotatorenmanschetten(RM)-Defekten oder Infektionen. Sie können einzeln oder in Kombination für jede Versorgungsmodalität (partielle, Oberflächenersatz-, Hemi-, Total-, inverse Prothese) auftreten.
Die nachfolgende Aufstellung betrachtet die Revisionen nach Prothesentyp und Begleitpatholgie.
Revision nach partiellem
Gelenkersatz
Ein partieller Gelenkflächenersatz erhält vorteilhaft den Offset und die physiologische Kopfinklination des Glenohumeralgelenks. Die Revisionsoptionen richten sich nach dem Versagensmodus. Ein besonderes Augenmerk muss im Revisionsfall dem Status der RM sowie des Glenoids gelten. Neben prothesenspezifischem Komponentenwechsel sind typgleiche oder inverse Revisionsprothesen als Individual- oder Konfektionsmodelle möglich. Umfassende Zahlenangaben zu Revisionshäufigkeiten und -ergebnissen fehlen bislang in der Literatur.
Revision nach Oberflächenersatzprothese des Humerus
Diese Oberflächenersatzprothesen machen ca. ein Drittel aller Versorgungen aus [23]. Als Vorteil dieser knochensparenden Versorgung wird ihre Revisionsfreundlichkeit angesehen. Die 5-Jahres-Revisionsrate wurde mit 9,9 % angegeben. Patienten jünger als 55 Jahre zeigten schlechtere Score-Ergebnisse [42]. Zudem wiesen jüngere Patienten nach Oberflächenersatz gegenüber einer Schafthemiprothese im schwedischen Shoulder Arthroplasty Register (SSAR) mit 12,6 vs. 6,7 % eine signifikant höhere Revisionsquote auf [34].
Risikofaktoren für eine Revision lagen nach 56 Monaten in drei Viertel der Fälle (18/24) in einer RM-Ruptur und einem Glenoidaufbrauch [47]. Im Revisionsfall sind Schaftprothesen oder inverse Prothesen in der Regel problemlos implantierbar. Limitierungen durch eine begleitende Rotatorenmanschetten- oder Glenoidpathologie sind zu beachten. Im dänischen Shoulder Arthroplasty Register waren die Ergebnisse einer typgleichen Sekundärversorgung nach initialem Oberflächersatz (n = 1210) denen der Primärversorgung stets unterlegen [41].
Revision nach schaftfreien/metaphysären/
Kurzschaft-Prothesen
Modelle dieses Typs resezieren die Kalotte, verzichten aber auf den konventionellen Schaft. Modellabhängig werden Implantat-Überlebensraten von 93,1 % nach 8,4 Jahren angegeben [7]. Im Revisionsfall sind je nach Versagensmodus anatomische oder inverse TEP-Modelle analog der Oberflächenersatzprothese möglich.