Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019
Schulter-Revisionsendoprothetik – Fakten und Zahlen
Sven Anders, Joachim Grifka, Jens Schaumburger
Zusammenfassung:
Eine Revision nach fehlgeschlagener primärer Schulterendoprothese ist vergesellschaftet mit erschwerter operativer Durchführung, erhöhter Komplikationsrate und schlechteren Ergebnissen. Die Ergebnisse variieren dabei mit der Ursache der Revision. Trotz deutlicher klinischer Verbesserungen zeigen Schulter-TEP-Revisionen häufig schlechte subjektive Zufriedenheitswerte im Vergleich mit typgleichen Primärversorgungen. Zusätzliche Voroperationen an der Schulter scheinen einen negativen Einfluss auf das Revisionsergebnis zu haben. Generell günstigere Voraussetzungen finden sich hingegen bei Infektfreiheit, intakter Rotatorenmanschette (RM), stabilem Gelenk und gutem Knochenlager. Eine Protheseninfektion als Revisionsgrund hat in der Regel die schlechtesten Ergebnisse. Eine inverse Schulter-TEP bietet im Revisionsfall konzeptionell Vorteile bei RM-Defekten und glenohumeraler Instabilität zulasten typspezifischer Komplikationen. Modulare, individuelle und konvertierbare Primärprothesen sollen zukünftig im Revisionsfall umfangreichere anwenderfreundliche Optionen zur Verbesserung der Funktion und Verlängerung der Standzeiten bei verringerter Komplikationsquote bieten.
Schlüsselwörter:
Schulterendoprothese, inverse Prothese, Lockerung, Instabilität, Revision, Ergebnis
Zitierweise:
Anders S, Grifka J, Schaumburger J: Schulter-Revisionsendoprothetik – Fakten und Zahlen.
OUP 2019; 8: 353–360
DOI 10.3238/oup.2019.0353–0360
Summary: Revision after failed primary shoulder arthroplasty correlates with aggravated operative handling, increased risk of complications and worsened results. Results vary by reason. Despite of clinical improvement results of revision shoulder arthroplasty often are inferior in PROM than comparable primary arthroplasties. Additional shoulder operations seem to diminish revision results. In general, absence of infection, intact rotator cuff, joint stability and sufficient bone stock are favourable in revision cases. However, periprosthetic infection is associated with the worst outcome expectancy after revision shoulder arthroplasty. In revision cases, reverse shoulder arthroplasty is advantageous in cuff deficiency and glenohumeral instability by its genuine concept despite of typical complications. Modular, individual and convertible primary shoulder prostheses shall offer additional considerable smart options for functional improvement, long-term survival and reduced failure rate in revision cases in the future.
Keywords: shoulder arthroplasty, reverse shoulder prosthesis, loosening, revision, result
Citation: Anders S, Grifka J, Schaumburger J: Revision in shoulder arthroplasty – facts and figures.
OUP 2019; 8: 353–360 DOI 10.3238/oup.2019.0353–0360
Für alle Autoren: Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg, Asklepios-Klinikum Bad Abbach
Einleitung
Der alloplastische Ersatz des Glenohumeralgelenks stellt eine wertvolle Therapieoption bei hochgradiger Omarthrose mit steigenden Fallzahlen dar. So stieg z.B. die Anzahl von primären Schulterendoprothesen in Finnland im Zeitraum von 2004– 2015 um 160 % [23]. Neben dem absoluten Anstieg der Versorgungszahlen sind in den letzten Jahrzehnten neuartige Prothesentypen (z.B. inverse Prothese) auf den Markt gekommen, die das Indikationsspektrum jenseits der klassischen Schaftprothese erweiterten. Konsekutiv nehmen bei steigender Anzahl an primären Schulter-TEP auch die Revisionsfälle in den letzten Jahren zu [49].
Durch ihre großen Fallzahlen sind Endoprothesenregister besonders geeignet, um Informationen über Ursachen und Häufigkeit von Revisionen nach Schulterendoprothesen zu erhalten [23, 38]. Während klinische Studien und ihre Metaanalysen häufig strikt definierte Ein- und Ausschlusskriterien benutzen, bilden Registerdaten alle versorgten Patienten unabhängig von Alter und Komorbidität ab. Registerdaten spiegeln daher eher die jeweilige Versorgungsrealität wider. Sie verwenden übereinstimmend Überlebensraten als primären Outcome-Parameter, während Patienten-assoziierte Outcome-Parameter (PROM) nicht durchgängig etabliert sind [40]. Kritisch gesehen wird, dass die bloße Betrachtung von Überlebensraten solche Patienten, die revisionsbedürftige Schulterprothesen mit schlechten Score-Werten haben, nicht abbildet. Vorteilhaft hingegen ist, dass in Registerdaten Fehlermodalitäten prothesen- oder herstellerspezifisch unterschieden werden können.
Die wichtigsten Revisionsgründe einer primären Schulter-TEP liegen in Problemen der Glenoid- oder Humeruskomponenten, Instabilitäten, Rotatorenmanschetten(RM)-Defekten oder Infektionen. Sie können einzeln oder in Kombination für jede Versorgungsmodalität (partielle, Oberflächenersatz-, Hemi-, Total-, inverse Prothese) auftreten.
Die nachfolgende Aufstellung betrachtet die Revisionen nach Prothesentyp und Begleitpatholgie.
Revision nach partiellem
Gelenkersatz
Ein partieller Gelenkflächenersatz erhält vorteilhaft den Offset und die physiologische Kopfinklination des Glenohumeralgelenks. Die Revisionsoptionen richten sich nach dem Versagensmodus. Ein besonderes Augenmerk muss im Revisionsfall dem Status der RM sowie des Glenoids gelten. Neben prothesenspezifischem Komponentenwechsel sind typgleiche oder inverse Revisionsprothesen als Individual- oder Konfektionsmodelle möglich. Umfassende Zahlenangaben zu Revisionshäufigkeiten und -ergebnissen fehlen bislang in der Literatur.
Revision nach Oberflächenersatzprothese des Humerus
Diese Oberflächenersatzprothesen machen ca. ein Drittel aller Versorgungen aus [23]. Als Vorteil dieser knochensparenden Versorgung wird ihre Revisionsfreundlichkeit angesehen. Die 5-Jahres-Revisionsrate wurde mit 9,9 % angegeben. Patienten jünger als 55 Jahre zeigten schlechtere Score-Ergebnisse [42]. Zudem wiesen jüngere Patienten nach Oberflächenersatz gegenüber einer Schafthemiprothese im schwedischen Shoulder Arthroplasty Register (SSAR) mit 12,6 vs. 6,7 % eine signifikant höhere Revisionsquote auf [34].
Risikofaktoren für eine Revision lagen nach 56 Monaten in drei Viertel der Fälle (18/24) in einer RM-Ruptur und einem Glenoidaufbrauch [47]. Im Revisionsfall sind Schaftprothesen oder inverse Prothesen in der Regel problemlos implantierbar. Limitierungen durch eine begleitende Rotatorenmanschetten- oder Glenoidpathologie sind zu beachten. Im dänischen Shoulder Arthroplasty Register waren die Ergebnisse einer typgleichen Sekundärversorgung nach initialem Oberflächersatz (n = 1210) denen der Primärversorgung stets unterlegen [41].
Revision nach schaftfreien/metaphysären/
Kurzschaft-Prothesen
Modelle dieses Typs resezieren die Kalotte, verzichten aber auf den konventionellen Schaft. Modellabhängig werden Implantat-Überlebensraten von 93,1 % nach 8,4 Jahren angegeben [7]. Im Revisionsfall sind je nach Versagensmodus anatomische oder inverse TEP-Modelle analog der Oberflächenersatzprothese möglich.
Revision nach anatomischer Schaftprothese
Gemäß der Registerdaten stellt dieser Typus als Hemi-(HEP) oder Totalprothese (TEP) nach wie vor die häufigste Versorgung dar. Hier fand sich die höchste kumulierte 10-Jahres-Überlebensrate bei anatomischer Totalprothese (0,96) gegenüber einer Schaft-Hemiprothese (0,93) und Oberflächenersatzprothese (0,85) [39]. Auch andere Studiendaten favorisieren die anatomische TEP hinsichtlich Standzeit, Komplikationsraten und funktionellem Ergebnis. Bei diesem Prothesentyp zeigten allerdings Patienten unter 55 Jahren generell schlechtere 10-Jahres-Überlebensraten [39].
Bei Analyse der Versagensgründe nach primärer anatomischer TEP fanden sich bei 1673 Revisionen am häufigsten ein Glenoidversagen (20,4 %) vor einem RM-Defekt (15,4 %), Schmerz/Gelenksteife (12,9 %), Instabilität (11,8 %), Infektion (9 %) und Humeruskomponentenlockerung (5,1 %) [46].
Glenoid
Die höchste Rate an prothesenbedingten Komplikationen findet sich am Glenoid in Form von radiologischen Lockerungssäumen und klinisch symptomatischen Lockerungen. So war z.B. ein Glenoidverschleiß mit 27 % (53/200) der häufigste Grund für eine Revision nach 6336 primären TEPs aller Typen nach durchschnittlich 3,3 Jahren [17].
In einer Metaanalyse von 21 Studien wurde für „metal-backed“ Glenoide eine deutlich höhere Revisionsquote gegenüber einem „All-PE-Glenoid“ (14 vs. 3,8 %) vorgefunden [37]. Zementlose Glenoide wiesen nach 5 Jahren mit 17,9 % vs. 3,7 % signifikant erhöhte generelle Revisionsraten gegenüber zementierten Glenoiden auf [36].
Bei Revision eines Glenoidversagens ist die Notwendigkeit eines Glenoidaufbaus zu prüfen. Über Erfolgsraten von 90 % nach 2,7 Jahren bei ein- oder 2-zeitigen Glenoidaufbau unter Verwendung eines autologen Beckenkammspan berichteten Gohlke et al. [20].
Schaft
In der Literatur finden sich erste Erfahrungen mit modularen Revisions-Humeruskomponenten bei humeralen Defekten [19]. Darüber hinaus gibt es Berichte über Allograft-Augmentationen bei Humerusdefekten nach primärer Schulter-TEP und inverser Revisions-TEP mit einer revisionsfreien Überlebensrate von 88 % nach 5 Jahren und 78 % nach 10 Jahren. Nach durchschnittlich 67,9 Monaten konnte ein signifikanter Anstieg des ASES-Scores von 33,8 auf 51,4 Punkte beobachtet werden [14].
Instabilität
Im Falle einer dorsalen Instabilität als Revisionsgrund nach anatomischer TEP erwies sich die dorsale Kapsel-Plikatur mit einer Quote von 31 % persistenter dorsaler Instabilität nach 68 Monaten als unbefriedigende Lösung. Stattdessen wurde in diesen Fällen eine inverse TEP empfohlen [2].
Durch Analyse von 359 revidierten primären anatomischen Hemiprothesen empfahlen Hackett et al. [22] schon bei der Primärimplantation eine gute Zentrierung der Humeruskomponente ohne Valgisierung, ein gutes Weichteilbalancing und im Zweifel eine direkte Glenoidimplantation. Bei Zweifeln an einer regelhaften Subscapularis- (SSC) und RM-Funktion sowie fraglicher Tuberositas-Integrität sollte eine primäre inverse TEP erwogen werden.
Nach Konversion einer Hemiprothese zu einer anatomischen TEP waren 81 % mit dem Ergebnis zufrieden oder sehr zufrieden. Die Komplikationsrate betrug 36 %, die neuerliche Revisionsquote 21 % (n = 21) [43].
In einer anderen Studie betrugen nach Konversion einer anatomischen TEP in eine inverse Revisions-TEP die 10 Jahres-Überlebensrate nach einer Glenoidlockerung 78,9 % versus 83,9 % nach knöchernem Glenoidaufbau. Eine Instabilitätsproblematik erwies sich in 5 von 8 Fällen als Ursache für eine wiederholte Revision [1]. Durch den Wechsel einer anatomischen TEP auf eine inverse TEP (n = 21) verbesserte sich in einer anderen Studie der Constant-Score hoch signifikant von 16,7 auf 55,9 Punkte nach durchschnittlich 46 Monaten (p < 0,001) [18].
Die Konversion einer Schaftprothese in eine inverse TEP war in einem gematchen Kohortenvergleich im funktionellen ASES-Ergebnis und Schmerzreduktion vergleichbar mit einer primären inversen TEP unabhängig vom Revisionsgrund (RM-Versagen oder Komponentenlockerung) bei allerdings signifikant schlechterer Patientenzufriedenheit und vermehrter Komplikationsrate (31 % vs. 13 %) [45]. In einer anderen Studie zeigten anatomische Primär-TEPs bei Revision durch eine inverse TEP gegenüber inversen Primär-TEPs nach 51 Monaten statistisch bessere Ergebnisse im Constant-Murley-Score (p < 0,05) mit einer Revisionsquote von 24 % (12/50) [35].
Fazit
Die hauptsächlichen Versagensmodi der anatomischen TEP (Glenoidversagen, RM-Defizienz, Instabilität) erfordern zusammenfassend häufig die Revision in Form einer „semi-constrainten“ inversen TEP. Instabilitäten können sich auch nach der Revision als hartnäckig erweisen. Typgleiche Revisionen einer anatomischen TEP sind möglich, aber selten erforderlich. Der Rückbau einer anatomischen TEP auf eine Hemiprothese, z.B. mit Großkopf, ist bei desolater Glenoidsituation möglich.
Revision nach inverser
Schulter-TEP
Die inverse Schulter-TEP hat seit ihrer Vorstellung 1993 (Grammont) das Indikationsspektrum sowohl bezüglich der adressierten Schulterpathologie als auch der Patientenkonstitution verändert. Heutzutage werden auch jüngere Patienten mit desolater Schulterpathologie (RM-Totaldefekte) mit einer inversen TEP versorgt. In Finnland fanden sich im Zeitraum von 2004–2015 Fallzahlsteigerungen von 4500 % [23]. Von einigen Autoren wird dieser Zeitraum auch als „Ära der inversen Schulter-TEP“ bezeichnet [48].
Die Überlebensrate nach inverser TEP nach 8 Jahren betrug 97 % und wurde von einem durch ROM- und Kraftverlust abnehmenden Constant-Murley-Score gegenüber dem 5-Jahres-Ergebnis begleitet [6]. Andere Daten beschreiben die kumulierte 10-Jahres-Überlebensrate mit 0,91 [30]. Prothesentypspezifische Komplikationsmuster (z.B. Scapula-Notching, Entkoppelung) sind zu verzeichnen.
Die Funktion einer inversen Schulter-TEP ist mit ihrem „semi-constrained“ Design bis auf den Subscapularis (SSC) unabhängig vom RM-Status. Im Revisionsfall kann eine inverse TEP bei RM-Insuffizienz und Instabilität das Glenohumeralgelenk stabilisieren. Durch diesen konzeptionellen Vorteil erfuhr die inverse Prothese eine zunehmende Verbreitung für den Primärfall und auch eine zunehmende Attraktivität im Revisionsfall [10].
Instabilität
Eine Instabilität stellte bei der Betrachtung von 2390 Revisionsfällen nach inverser TEP mit 32 % vor einer Infektion (13,8 %) den häufigsten Versagensmodus dar [46]. Prädiktoren einer postoperativen Instabilität (9,2 %) nach inverser Primär-TEP waren nach 28 Monaten männliches Geschlecht, offene Schulter-Voroperation, ein Zustand nach Humeruskopffraktur und eine fehlende SSC-Rekonstruktion. Eine Inlayerhöhung war in 45 % der Revisionsfälle (5/11) unzureichend und erforderte zusätzlich die Implantation einer größeren Glenosphäre [13].
Eine Instabilität stellte auch die Majorität der Revisionen nach inverser Revisions-TEP aufgrund des Versagens einer primären HEP dar. Diese waren hauptursächlich mit RM-Insuffizienz in 80,8 % (127/157) oder einem Glenoidaufbrauch in 24,2 % (38/157) vergesellschaftet. Ein mittlerer ASES-Score von 60 Punkten konnte erreicht werden. Die Überlebensrate nach 2 und 5 Jahren betrug 95,5 bzw. 93,3 % [32].
Im Falle einer instabilitätsbedingten Revision mittels einer inversen Schulter-TEP zeigte sich in 65 Fällen nach 3 Jahren ein signifikanter ASES-Score-Anstieg von 21 auf 68 Punkte unabhängig von der Art der Primärprothese. In 15 % trat eine Instabilität allerdings auch nach der Revision auf, wobei ein BMI > 35 kg/m² und eine vorausgegangene HEP erhöhte Risiken aufwiesen [24].
Glenoid
Aseptische Glenoidlockerungen nach inverser Revisions-TEP traten bei Bitzer et al. mit 10 % gegenüber 1,2 % bei primärer inverser TEP signifikant vermehrt auf (p = 0,014). Dabei waren insbesondere die Verwendung eines Knochenspans bei glenoidalem Defekt sowie von nicht-winkelstabilen Schrauben zur Basisplattenverankerung die relevanten Risikofaktoren [8].
Bei knöchernem Substanzverlust ist im Revisionsfall ein Glenoidaufbau mit Auto- oder Allograft in Erwägung zu ziehen. Ein Glenoidaufbau mit tricorticalem Knochenspan war den Revisionen ohne Knochenverlust im klinischen Ergebnis nicht unterlegen [28]. Neben einer Sine-Arthroplastik kann bei desolaten Verhältnissen auch die Verwendung eines anatomischen Humerus-Großkopfs hilfreich sein. Darüber hinaus liegen erste Ergebnisse von patientenspezifischen Glenoid-Revisionsimplantaten vor [16].
Schaft
Humerusschaftkomplikationen nach primärer inverser TEP traten bei 1035 Versorgungen nach mindestens 5 Jahren mit 3,3 % eher selten auf [5]. Schaftlockerungen können häufig durch Wechsel auf überlange Revisionsschäfte beherrscht werden bei allerdings mäßigem Funktionsgewinn [50].
In der Studie von Wagner et al. betrug 4,4 Jahre nach Wechsel einer inversen TEP (n = 27) auf ein typgleiches Revisionsmodell der ASES-Score 66 Punkte mit einer revisionsfreien 5 Jahres-Überlebensrate von 85 %. Hauptkomplikation einer weiteren Revision waren in 33 % Luxationen [49].
Entkoppelung
Komponentenentkoppelungen stellen gegenüber anderer Revisionsursachen bei inversen Prothesen mit 0,3–12,2 % der Fälle eher Raritäten dar [5, 46]. Gegenüber anderen Fehlermodalitäten zeigen derartige Komplikationen herstellerspezifische Verteilungsmuster in den Registerdaten. Sie können in der Regel ohne großen Aufwand ergebnisneutral korrigiert werden.
Scapula-Notching
Die Folgen eines Kontakts des Inlays einer inversen Prothese am Scapulahals („Notching“) sind Glenoidaufbrauch und -lockerung, deren Häufigkeit in einer Metaanalyse mit 35,4 % beschrieben wird [51]. Offset-Vergrößerung, exzentrische Glenosphären und Inklinationsveränderung können diesen Effekt korrigieren. Modular austauschbare Prothesenkomponenten mit verschiedenen Offsets und exzentrischen Konfigurationen reduzieren den Revisionsaufwand erheblich.
Fazit
Die zunehmende Fallzahl an primären inversen TEPs hat auch eine steigende Zahl an Revisionsfällen zur Folge. Die prothesentypischen Major-Komplikationen der Primärprothese (Glenoidversagen, Instabilität) sind auch im Revisionsfall häufig. Muss eine anatomische Primär-TEP aufgrund von Instabilität und/oder RM-Defekt revidiert werden, erweist sich die inverse TEP aufgrund ihres glenohumeral stabilisierenden Effekts als vorteilhaft. Die Ergebnisse nach einer inversen Revisions-TEP liegen erfahrungsgemäß unter denen einer Primärversorgung und korrelieren mit der Erfahrung des Operateurs [9].
Revision nach Schulter-TEP-Infektion
Infektionen nach primärer Schulter-TEP werden mit einer Häufigkeit von ca. 1 % angegeben. Bei Revisionen oder inversen Schulter-TEPs beschreiben andere Studien eine höhere Infektionsrate von 3,8–5% [11, 51]. Infektionen waren bei inverser TEP (22 %) nach Instabilitäten (38 %) die zweithäufigste Komplikation [9].
Ein positiver Kulturnachweis fand sich in bis zu 50 % bei Schulter-TEP-Revisionen. Beim Keimspektrum wird vor allem Propionibacterium acnes (jetzt Cutibacterium) nachgewiesen, d.h., in der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine Low-grade-Infektion. Sowohl für einen studienübergreifenden Vergleich als auch für Therapiealgorithmen stellten sich allerdings die uneinheitliche Definition und Nachweistechnik einer periprothetischen Schulterinfektion als hinderlich dar [27].
Serum- und Synovialmarker, wie sie zur Diagnose von periprothetischen Infektionen der unteren Extremitäten eingesetzt werden, haben sich bei der Diagnostik von Infektionen von Schulter-TEPs nicht bewährt. Infolgedessen ist die Diagnose in der Regel abhängig von der Genauigkeit von positiven oder negativen Kulturen [33]. Neuere diagnostische Methoden (z.B. Sequenzierung) könnten die Nachweisgenauigkeit verbessern.
Ein- oder 2-zeitige Wechseloperationen oder Sine-Arthroplastiken sind zur Beherrschung einer Schulter-TEP-Infektion möglich. Im Revisionsfall waren bei Protheseninfektion die Ergebnisse im Vergleich zu anderen Revisionsindikation am schlechtesten [29].
Revision nach primärer Schulter-Frakturprothese
Für die 6756 Fälle der Nordic Arthroplasty Register Association (NARA) lag das relative Revisionsrisiko einer inversen Prothese als primäre Frakturprothese verglichen mit einer Schaftprothese bei 1,4 (CI: 0,9–2,2). Der häufigste Revisionsgrund beider Prothesenmodelle war eine Infektion. Patienten, die jünger als 75 Jahre waren, hatten zudem ein relatives Revisionsrisiko von 2,8 (CI: 2,0–3,8) gegenüber älteren Patienten [38]. Als Gründe für eine höhere Infektionsrate dieser Patientengruppe werden ein generell höheres Patientenalter mit zunehmender Komorbidität, eine längere OP-Zeit und ein größer Prothesengelenkraum diskutiert.
Die Konversion einer anatomischen TEP zu einer inversen Revisions-TEP nach Humeruskopffraktur erwies sich als vorteilhaft für Schmerz und Funktionsgewinn (ASES-Score 59 Punkte) nach durchschnittlich 61 Monaten, allerdings bei einer Komplikationsrate von 32 % (9/28) [25].
Revision nach
periprothetischer Fraktur
Periprothetische Frakturen im Schaftbereich einer Schulter-TEP können insbesondere bei Lockerung ggf. durch eine Stemverlängerung revidiert werden. Ohne Lockerung oder bei unzureichend langen Revisionsschäften sind ggf. sind plattenosteosynthetische Verfahren die (einzige) praktikable Alternative (Abb. 1 a–b). Auf eine Konfliktsituation bei gleichzeitig einliegender Ellenbogen-TEP ist zu achten. Zusätzlich treten zu den TEP-spezifischen Komplikationen noch die Risiken der Osteosynthese (Pseudarthrose, Metallbruch etc.) sowie häufig Begleiterkrankungen (z.B. Osteoporose, rheumatoide Arthritis) hinzu. Ein Rückbau auf eine modulare Großkopf-Hemiprothese ist bei desolatem Glenoid in besonderen Fällen angezeigt (Abb. 2 a–d). Die Ergebnisse derartiger Versorgungen sind erwartungsgemäß unter denen der Primär-TEP anzusiedeln.
Revision nach
Humeruskopfnekrose
Eine Schulter-TEP-Implantation bei avaskulärer corticoidinduzierter oder posttraumatischer Humeruskopfnekrose (HKN) war bei 4129 Patienten mit einem signifikant erhöhtem postoperativen Komplikationsrisiko für Infektion, Dislokation, Revision, Gelenksteife und periprothetische Fraktur verbunden [12]. Art, Umfang und Ergebnis einer TEP-Revision richten sich nach den bereits beschriebenen Modalitäten.
Revision nach TU
Nach Exzision eines Humeruskopf-TUs zeigte die anschließende Versorgung mit einer inversen TEP in einer Metaanalyse die höchste Rate an aseptischen Schaftlockerungen durch einen Knochensubstanzverlust [21]. Individualisierte Revisionsstrategien mit Auto-/Allografts sowie Individualprothesen sind häufig notwendig.
Revision bei sekundären
RM-Defekten
Bereits primäre RM-Defekte, insbesondere bei jüngeren Patienten, führten zu schlechten Ergebnissen einer primären Schulter-TEP [4]. Nach anatomischer primärer Schulter-TEP stellten sekundäre superiore RM-Defekte in einer Metaanalyse von Levy et al. bei 1338 untersuchten Schultern nach 6,6 Jahren mit 11,3 (±7,9) % eine häufige Komplikation dar. Die hierdurch bedingte Re-Operationsrate wurde mit 1,2 (±4,5) % angegeben [31]. Eine vorausgehende RM-Rekonstruktion führte in einer anderen Studie im Falle einer späteren inversen TEP zu schlechteren Scores und höherem Schmerzniveau als ohne Voroperation an der RM [44].
Generelle Überlegungen zur Schulter-TEP-Revision
Generell sieht sich der Operateur im Revisionsfall einer Situation gegenüber, die von mehr oder minder ausgeprägtem Knochensubstanzverlust am Glenoid und/oder Humerus, muskulären Funktionsdefiziten (Rotatorenmanschette) und Gelenkinstabilität geprägt ist. Ein weiteres Komplikationspotenzial besteht, wenn der Patient Gehstützen oder einen Rollstuhl benötigt. Häufig erhöhen eine Gang- und Standunsicherheit des Patienten das Sturzrisiko und damit das Risiko einer periprothetischen Fraktur der oberen Extremität.
Jede Art von Voroperation an der Schulter beinhaltet einen potenziell negativen Einfluss auf das Ergebnis einer primären Schulter-TEP. Art und Umfang der primären endoprothetischen Versorgung sowie der Versagensmodus korrelieren ebenso mit dem Ergebnis einer Revisions-TEP. Für die nicht prothesenbedingten Komplikationen wird eine Komplikationsrate von 6,7 % angegeben, welche mit zunehmendem Alter und zunehmender Anzahl an Komorbiditäten ansteigt [3].
Das Risiko für eine Revisionsoperation nach primärer Schulter-TEP liegt nach den Daten des NHS in England zwischen 2,7 % für ältere Frauen (> 85 Jahre) und bis zu 23,6 % bei jüngeren Männern (55–59 Jahre). Eine Revisionsoperation trat besonders häufig in den ersten 5 Jahren auf [15]. Die adäquate operative Versorgung insbesondere von jüngeren Patienten mit desolater Schultersituation stellt unter dem Aspekt dieses nicht unerheblichen Lebens-Revisionsrisikos nach Schulterprothesenimplantation weiterhin eine Herausforderung dar. Sie sollte daher erst nach dem vollumfänglichen Ausschöpfen konservativer Therapieoptionen erwogen werden.
Fazit
Die Revision einer Schulter-TEP hat sich an den anatomischen Gegebenheiten, den technischen Möglichkeiten und der individuellen Patientenkonstitution zu orientieren. Neben der Verwendung von glenohumeral stabilisierenden inversen Prothesen soll im Revisionsfall die Verwendung modularer Prothesensysteme in Zukunft erweiterte Möglichkeiten zur verbesserten Zentrierung und Weichteilspannung inklusive problemloser Erhöhung des Koppelungsgrades (Konversion von anatomischer Prothese auf inverse Prothese) bieten. Die Literaturanalyse zeigt, dass im Revisionsfall insbesondere Instabilitäten hartnäckig und die Ergebnisse von der Erfahrung des Operateurs abhängig sind. Manchmal sind auch mehrere Eingriffe zur Behebung des Problems notwendig. Als Exit-Strategie bei Revision einer Schulter-TEP ist situationsabhängig die Implantation einer Großkopfprothese oder auch der Rückbau auf eine Sine- bzw. Sine-Sine-Arthroplastik bei allerdings unbefriedigenden Funktionsergebnissen möglich.
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
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Korrespondenzadresse
PD Dr. med. habil. Sven Anders
Orthopädische Klinik für die
Universität Regensburg
Asklepios-Klinikum Bad Abbach
Kaiser-Karl V.-Allee 3
93077 Bad Abbach
s.anders@asklepios.com