Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019
Schulter-Revisionsendoprothetik – Fakten und Zahlen
Die Funktion einer inversen Schulter-TEP ist mit ihrem „semi-constrained“ Design bis auf den Subscapularis (SSC) unabhängig vom RM-Status. Im Revisionsfall kann eine inverse TEP bei RM-Insuffizienz und Instabilität das Glenohumeralgelenk stabilisieren. Durch diesen konzeptionellen Vorteil erfuhr die inverse Prothese eine zunehmende Verbreitung für den Primärfall und auch eine zunehmende Attraktivität im Revisionsfall [10].
Instabilität
Eine Instabilität stellte bei der Betrachtung von 2390 Revisionsfällen nach inverser TEP mit 32 % vor einer Infektion (13,8 %) den häufigsten Versagensmodus dar [46]. Prädiktoren einer postoperativen Instabilität (9,2 %) nach inverser Primär-TEP waren nach 28 Monaten männliches Geschlecht, offene Schulter-Voroperation, ein Zustand nach Humeruskopffraktur und eine fehlende SSC-Rekonstruktion. Eine Inlayerhöhung war in 45 % der Revisionsfälle (5/11) unzureichend und erforderte zusätzlich die Implantation einer größeren Glenosphäre [13].
Eine Instabilität stellte auch die Majorität der Revisionen nach inverser Revisions-TEP aufgrund des Versagens einer primären HEP dar. Diese waren hauptursächlich mit RM-Insuffizienz in 80,8 % (127/157) oder einem Glenoidaufbrauch in 24,2 % (38/157) vergesellschaftet. Ein mittlerer ASES-Score von 60 Punkten konnte erreicht werden. Die Überlebensrate nach 2 und 5 Jahren betrug 95,5 bzw. 93,3 % [32].
Im Falle einer instabilitätsbedingten Revision mittels einer inversen Schulter-TEP zeigte sich in 65 Fällen nach 3 Jahren ein signifikanter ASES-Score-Anstieg von 21 auf 68 Punkte unabhängig von der Art der Primärprothese. In 15 % trat eine Instabilität allerdings auch nach der Revision auf, wobei ein BMI > 35 kg/m² und eine vorausgegangene HEP erhöhte Risiken aufwiesen [24].
Glenoid
Aseptische Glenoidlockerungen nach inverser Revisions-TEP traten bei Bitzer et al. mit 10 % gegenüber 1,2 % bei primärer inverser TEP signifikant vermehrt auf (p = 0,014). Dabei waren insbesondere die Verwendung eines Knochenspans bei glenoidalem Defekt sowie von nicht-winkelstabilen Schrauben zur Basisplattenverankerung die relevanten Risikofaktoren [8].
Bei knöchernem Substanzverlust ist im Revisionsfall ein Glenoidaufbau mit Auto- oder Allograft in Erwägung zu ziehen. Ein Glenoidaufbau mit tricorticalem Knochenspan war den Revisionen ohne Knochenverlust im klinischen Ergebnis nicht unterlegen [28]. Neben einer Sine-Arthroplastik kann bei desolaten Verhältnissen auch die Verwendung eines anatomischen Humerus-Großkopfs hilfreich sein. Darüber hinaus liegen erste Ergebnisse von patientenspezifischen Glenoid-Revisionsimplantaten vor [16].
Schaft
Humerusschaftkomplikationen nach primärer inverser TEP traten bei 1035 Versorgungen nach mindestens 5 Jahren mit 3,3 % eher selten auf [5]. Schaftlockerungen können häufig durch Wechsel auf überlange Revisionsschäfte beherrscht werden bei allerdings mäßigem Funktionsgewinn [50].
In der Studie von Wagner et al. betrug 4,4 Jahre nach Wechsel einer inversen TEP (n = 27) auf ein typgleiches Revisionsmodell der ASES-Score 66 Punkte mit einer revisionsfreien 5 Jahres-Überlebensrate von 85 %. Hauptkomplikation einer weiteren Revision waren in 33 % Luxationen [49].
Entkoppelung
Komponentenentkoppelungen stellen gegenüber anderer Revisionsursachen bei inversen Prothesen mit 0,3–12,2 % der Fälle eher Raritäten dar [5, 46]. Gegenüber anderen Fehlermodalitäten zeigen derartige Komplikationen herstellerspezifische Verteilungsmuster in den Registerdaten. Sie können in der Regel ohne großen Aufwand ergebnisneutral korrigiert werden.
Scapula-Notching
Die Folgen eines Kontakts des Inlays einer inversen Prothese am Scapulahals („Notching“) sind Glenoidaufbrauch und -lockerung, deren Häufigkeit in einer Metaanalyse mit 35,4 % beschrieben wird [51]. Offset-Vergrößerung, exzentrische Glenosphären und Inklinationsveränderung können diesen Effekt korrigieren. Modular austauschbare Prothesenkomponenten mit verschiedenen Offsets und exzentrischen Konfigurationen reduzieren den Revisionsaufwand erheblich.
Fazit
Die zunehmende Fallzahl an primären inversen TEPs hat auch eine steigende Zahl an Revisionsfällen zur Folge. Die prothesentypischen Major-Komplikationen der Primärprothese (Glenoidversagen, Instabilität) sind auch im Revisionsfall häufig. Muss eine anatomische Primär-TEP aufgrund von Instabilität und/oder RM-Defekt revidiert werden, erweist sich die inverse TEP aufgrund ihres glenohumeral stabilisierenden Effekts als vorteilhaft. Die Ergebnisse nach einer inversen Revisions-TEP liegen erfahrungsgemäß unter denen einer Primärversorgung und korrelieren mit der Erfahrung des Operateurs [9].
Revision nach Schulter-TEP-Infektion
Infektionen nach primärer Schulter-TEP werden mit einer Häufigkeit von ca. 1 % angegeben. Bei Revisionen oder inversen Schulter-TEPs beschreiben andere Studien eine höhere Infektionsrate von 3,8–5% [11, 51]. Infektionen waren bei inverser TEP (22 %) nach Instabilitäten (38 %) die zweithäufigste Komplikation [9].
Ein positiver Kulturnachweis fand sich in bis zu 50 % bei Schulter-TEP-Revisionen. Beim Keimspektrum wird vor allem Propionibacterium acnes (jetzt Cutibacterium) nachgewiesen, d.h., in der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine Low-grade-Infektion. Sowohl für einen studienübergreifenden Vergleich als auch für Therapiealgorithmen stellten sich allerdings die uneinheitliche Definition und Nachweistechnik einer periprothetischen Schulterinfektion als hinderlich dar [27].
Serum- und Synovialmarker, wie sie zur Diagnose von periprothetischen Infektionen der unteren Extremitäten eingesetzt werden, haben sich bei der Diagnostik von Infektionen von Schulter-TEPs nicht bewährt. Infolgedessen ist die Diagnose in der Regel abhängig von der Genauigkeit von positiven oder negativen Kulturen [33]. Neuere diagnostische Methoden (z.B. Sequenzierung) könnten die Nachweisgenauigkeit verbessern.