Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Sicherheit ambulanter Operationen an der Schulter

Erhan Basad1

Zusammenfassung: Die operative Behandlung der Schulter hat sich mithilfe arthroskopischer und minimalinvasiver Techniken zunehmend in den ambulanten Bereich verlagert. Ambulante Operationen stellen eine Kosteneinsparung im Gesundheitssystem dar. Effizienz und Risiken dieser Entwicklung müssen daher genau untersucht werden. Das Ziel des vorliegenden Übersichtsartikels ist die Darstellung peri- und postoperativer Risiken in Verbindung mit ambulanten Operationen an der Schulter. Hierzu wurde eine
Literaturanalyse zu unerwünschten Ereignissen nach ambulanten Schulteroperationen durchgeführt. Diese zeigte, dass die ambulante Schulterchirurgie – auch für komplexere
Operationen – bei probater Patientenauswahl effizient und sicher durchführbar ist. Die häufigsten Gründe (1,8–2 %), die zu einer ambulanten oder stationären Behandlungsnotwendigkeit führen, sind unbeherrschbare Schmerzen, Nachwirkungen der Narkose (postoperative nausea and vomiting – PONV) oder oberflächliche Wundheilungsstörungen. Schwerwiegendere behandlungspflichtige Probleme wie
tiefe Infekte, Blutungen und Nervenschäden sind wesentlich seltener (0,04–0,1 %). Statistisch nachweisbare Prädiktoren für potenziell behandlungsnotwendige Probleme sind längere OP-Zeiten (< 45 Min.), offene Eingriffe und internistische Risikofaktoren (Diabetes, Hypertonie, COPD). Patientenauswahl, eine effiziente Schmerztherapie und spezialisierte OP-Zentren mit interdisziplinär arbeitenden Teams können diese Risiken deutlich reduzieren.

Schlüsselwörter: Arthroskopie, Schulter, ambulante Operation, Sicherheit, Komplikationen, unerwünschte Ereignisse

Zitierweise
Basad E: Sicherheit ambulanter Operationen an der Schulter.
OUP 2017; 11: 544–548 DOI 10.3238/oup.2017.0544–0548

Summary: The operative treatment of the shoulder has increasingly shifted to the ambulatory area with the help of arthroscopic and minimally invasive techniques. Outpatient surgeries save costs for the health system. The efficiency and risks of this development must therefore be examined carefully. The aim of this review article is the presentation of peri- and postoperative risks in connection with outpatient surgeries. For this purpose, a literature analysis was carried out on adverse events after ambulatory shoulder surgery. It showed that ambulatory shoulder surgery – even for more complex surgeries – can be performed efficiently and safely with a probable patient selection. The most common factors leading to an outpatient treatment or hospital admission (1.8–2 %) are uncontrollable pain, after-effects of anesthesia (postoperative nausea and vomiting – PONV) or superficial wound healings. More severe treatment-related problems such as deep infections, bleeding and nerve damage are significantly less frequent (0.04–0.1 %). Statistically verifiable predictors of potential treatment problems are longer operating times (> 45 minutes), open surgery and internal medicine risk factors (diabetes, hypertension, COPD). Patient selection, efficient pain therapy and specialized surgical centers with interdisciplinary teams can reduce these risks significantly.

Keywords: arthroscopy, shoulder joint, ambulatory surgery, safety, complications, adverse events

Citation
Basad E: Safety in ambulatory shoulder surgery.
OUP 2017; 11: 544–548 DOI 10.3238/oup.2017.0544–0548

Einleitung und Grundlagen

Operationen an der Schulter werden überwiegend arthroskopisch oder minimalinvasiv (mini-open) durchgeführt. Die Arthroskopie bietet eine überlegene Diagnostik und Techniken zur Durchführung komplexerer Maßnahmen. Typische, häufige Indikationen für ambulante Schulteroperationen sind Impingement-Syndrome, subacromiale Bursitiden, Tendinosis calcarea, Rotatoren-Manschetten-Läsionen, Schulter-Arthrofibrosen, Schulter-Eckgelenk-Verletzungen, Schulter-Eckgelenk-Arthrosen, Bizeps-Sehnen-Läsionen, chronische Synovialitis, chondrale und osteochondrale Defekte, freie Gelenkkörper, traumatische Abrisse des Tuberculum, Schulterluxationen und die ganze Bandbreite akuter und chronischer Schulterinstabilitäten.

Ambulante Operationen bieten die Chance für Einsparungen in unserem Gesundheitssystem. Sie sind daher förderungswürdig und kassenärztlich außerbudgetär – das heißt: sie sind nicht gedeckelt. Neben der Kostenersparnis sind es die technischen Fortschritte in der immer weniger invasiven operativen Medizin, welche zu einer steigenden Tendenz bei ambulanten Operationen führen. Auch die postoperative Reha gestaltet sich im Rahmen der „fast track surgery“ schneller und effizienter [30]. Zwischen den Jahren 2003 und 2007 ist in Deutschland die Anzahl der ambulant durchgeführten Operationen in Krankenhäusern um 159 % gestiegen (lt. Bundesverband für ambulantes Operieren 2010).

Bei ambulanten Operationen ist der Patient jedoch am Tag der Operation auf sich gestellt, sobald er das OP-Zentrum oder die Klinik verlässt. Auf die Vermeidung von peri- und postoperativen Komplikationen – bzw. unerwünschte Ereignisse (UE) – ist daher besonders zu achten. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, aufzuzeigen, welche UE bei ambulanten arthroskopischen und minimalinvasiven Operationen an der Schulter auftreten können. Durch diese Kenntnis können UE rechtzeitig erkannt, behandelt bzw. vermieden werden. Dieser Artikel befasst sich mit intraoperativen oder unmittelbar postoperativen Ereignissen, wobei langfristig auftretende Probleme wie Therapieversagen oder Arthrofibrosen nicht berücksichtigt werden.

Patientenauswahl

Ambulante Eingriffe an der Schulter waren anfänglich elektiven und Patienten mit wenig komplexen Operationen vorbehalten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Operateuren und der Anästhesie ermöglichte die Verfeinerung von Behandlungspfaden, auf denen präoperative Patientenselektion, präoperative Lagerung, intraoperatives Druckmanagement und postoperative Schmerztherapie Hand in Hand ablaufen. Voraussetzung für ambulante Chirurgie sind präselektierte Patienten, bei denen kardiale, hämatologische (z.B. Gerinnungsstörungen), metabolische (z.B. Diabetes, renale Störungen) oder pulmonale Komorbiditäten erkannt, konsiliarisch abgeklärt und ggf. ausgeschlossen wurden. Als weiterer Risikofaktor zählt ein hoher BMI (> 40), da bei solchen Patienten längere OP-Zeiten und größere intraoperative periartikuläre Gewebsödeme durch Flüssigkeitsaustritt zu erwarten sind. Darüber hinaus ist auch das Infektionsrisiko bei Patienten mit Adipositas signifikant erhöht. Eine vorbestehende chronische Schmerzmitteleinnahme (Opioide) birgt das Risiko einer opioidinduzierten Hyperalgesie und somit erschwerten postoperativen Schmerztherapie bis hin zur Notwendigkeit einer stationären Aufnahme. Patienten, bei denen eine kognitive Funktionsstörung das Verstehen der Operation und der Nachbehandlung verhindert oder Angstzustände vor Schmerz (Anamnese) sollten erkannt und ausgeschlossen werden. Als Nebenwirkung einer Narkose können vorbestehende kognitive Dysfunktionen noch weiter verstärkt werden. Eine weitere Nachwirkung von Narkosen stellt das Auftreten von Blutdruckabfällen, Übelkeit mit Erbrechen dar – auch bekannt als PONV (postoperative nausea and vomiting). Bei älteren Patienten werden Delirien mit Verwirrtheit und Psychosen gefürchtet. Patienten mit o.g. Vorfällen nach einer Narkose in der Anamnese sollten im Rahmen der Patientenauswahl auffallen [4].

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