Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Sicherheit ambulanter Operationen an der Schulter

Vaskuläre Verletzungen bei Schulteroperationen sind selten, solange die Zugänge nicht zu weit medial bzw. kaudal im Bereich der Gefäß-Nerven-Stränge liegen. Bei Eingriffen medial des Acromioclaviculargelenks ist ebenfalls die Nähe zum Gefäß-Nerven-Strang und das Vorhandensein eines stark blutenden Venenplexus zu berücksichtigen [29].

Thromboembolische Komplikationen nach arthroskopischen Schulteroperationen sind sehr selten [17, 14] und müssen bei Auftreten hinsichtlich ihrer Ursachen untersucht werden. Wenn keine Gerinnungsstörung oder anatomische Formvariante (z.B. Halsrippe – Costa cervicalis) vorliegt, kann von einer Irritation der Vena subclavia durch mechanische Kompression, Zug oder Arthroskopieinstrumente (Shaver) als Ursache ausgegangen werden. Die Traktion wird auch als Ursache für eine Minderperfusion der Extremität gesehen [14]. Zur Vermeidung sollte bei einer Lagerung mit Traktion auf einen schonenden Zug geachtet werden. Generell besteht nach operativen Eingriffen an der Schulter ein niedriges Risiko einer tiefen Venenthrombose (VT) von 0,5 % und 0,23 % für eine Lungenembolie. Die VT-Inzidenz ist nach arthroskopischen Operationen mit 0,038 % wesentlich niedriger [18]. Eine weitere retrospektive Studie bei Schulterarthroskopien (N = 15.033) fand eine Thromboserate von 0,15 % [28]. Die Seitenlagerung hat ein etwas höheres Risiko für VT. Als Risikofaktoren für VT werden Trauma, hohes Alter und Karzinomerkrankungen gesehen. Die S3-Leitlinien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) empfehlen bei arthroskopischen und minimalinvasiven Schulteroperationen, über die Frühmobilisation als Basismaßnahme hinaus, keine medikamentöse Thromboseprophylaxe, sofern nicht Risikofaktoren vorliegen.

Neurologische UE

Neurologische Schäden können im Rahmen der Lagerung durch Druck oder Zug entstehen bzw. im Rahmen der Operation durch Zugänge, Instrumente und unabsichtliches Vernähen von Nerven auftreten. Der Nervus suprascapularis versorgt den M. supraspinatus sowie den M. infraspinatus und ist aufgrund seiner anatomischen Nähe zur Scapula (suprascapular notch) gefährdet, durch Flüssigkeitsdruck oder Instrumente geschädigt zu werden. Die Schädigung dieses Nervs führt zu Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im Scapulagebiet. Die Schädigung des motorischen Versorgungsgebiets kann zu Abduktions- und Außenrotationsschwäche sowie Muskelatrophie führen. Der Nervus axilaris bzw. Nervus circumflexus entspringt axillar aus dem Plexus brachialis, enthält Fasern aus C5 bis C6 und versorgt den proximalen Oberarm sensibel. Er verläuft unterhalb des Musculus subscapularis und kann durch axillaren Druck oder Instrumente geschädigt werden. Motorisch werden der M. teres minor und der Deltoidmuskel versorgt, weshalb bei einer Schädigung Abduktion und Rotation in der Schulter beeinträchtigt sein können. Weitaus seltener kann der N. musculocutaneus durch Druckschädigung betroffen sein. Er versorgt (C5–C7) den ventralen Unterarm und sorgt motorisch für Flexion und Supination im Unterarm. Laut einer Untersuchung von Boardman kann es bei Schulteroperationen zu Schädigungen der genannten Nerven nach Rotatoren-Manschetten-Reparatur (1–2 %) und ventraler Stabilisierung (1–8 %) kommen [6]. Ausreichende Polsterung der Armablage am OP-Tisch, vorsichtiges Hantieren mit dem Arm durch den Assistenten (oder Armhalter) und das „stumpfe“ Anlegen der Portale gehören zu den allgemeinen Empfehlungen zur Vermeidung von Nervenschäden. Bei Arthroskopien ist das anterio-inferiore Portal wegen der Gefahr von Schädigungen des N. musculocutaneus und des N. axillaris mit äußerster Vorsicht anzuwenden. Bei postoperativen anhaltenden Hautveränderungen, Schmerzen und Funktionseinschränkungen muss auch an Reflexdystrophie (komplexes regionales Schmerzsyndrom) gedacht werden. Als Entstehungsmechanismus wird eine neuronale Entzündungsreaktion diskutiert. Die Behandlung mittels Schmerztherapie, Physiotherapie und ggf. lokaler Blockaden sollte interdisziplinär erfolgen.

Infektionsbedingte UE

Oberflächliche Infekte nach Schulteroperationen sind selten und werden mit 0,16 % bis 1,9 % angegeben. Sie können leicht erkannt und behandelt werden. Tiefe, im Gelenk oder subacromial sitzende bakterielle Entzündungen sind seltener, laufen jedoch Gefahr, erst spät erkannt zu werden. Es ist daher wichtig, dass man tiefe Infekte von oberflächlichen unterscheidet. Klinische Zeichen einer tiefen Infektion sind schmerzhafte Bewegungseinschränkung, lokale Überwärmung, Erythem, teigige Schwellung und fibrinöse Exsudation. Auch können in schweren Fällen allgemeine Infektzeichen mit Erschöpfung bis hin zur Sepsis auftreten. Zielführend sind Infektparameter wie CRP-Anstieg und wesentlich seltener die Leukozytenerhöhung im Blut. Bei Verdacht auf eine Infektion sollte eine subacromiale oder glenohumerale Gelenkpunktion zwecks Gramfärbung und mikrobiologischer Kultivierung erfolgen. Die häufigsten nachgewiesenen Keime sind Propionibacterium acnes, Staphylococcus epidermidis und Staphylococcus aureus [1, 20]. Die Behandlung bei Infektnachweis muss zügig durch Debridement und resistenzgerechte intravenöse Antibiotikatherapie erfolgen, damit Langzeitfolgen wie Knorpeldestruktion und Arthrofibrosen vermieden werden [19].

Diskussion
und Schlussfolgerungen

Nach Erkenntnissen im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann davon ausgegangen werden, dass die ambulante Schulterchirurgie bei geeigneten Voraussetzungen und der richtigen Patientenauswahl sicher und effizient ist. Von einem weiteren Zuwachs ambulanter Operationen ist auszugehen. Ein Grund für den zu erwarteten Anstieg ist die Kostenersparnis. Die wesentlichen DRGs (diagnosis related groups = diagnosebezogene Fallgruppen) stellen „Andere Eingriffe“ und „Komplexe Eingriffe am Schultergelenk“ dar. Die Verweildaueranalysen dieser DRGs haben gezeigt, dass die Zahl der Kurzlieger mit ca. 1–3 % sehr gering ist. Aus diesem Grund kann von einem hohen „ambulanten Potenzial“ ausgegangen werden.

Da die Anzahl ambulanter und besonders arthroskopischer Schulteroperationen sich in den letzten 20–30 Jahren erheblich gesteigert hat [24], gibt es mittlerweile einige Studien mit höheren Probandenzahlen, welche auf Datenerhebungen mittels Befragungen basieren. In älteren Studien waren die Angaben zu UE bei arthroskopischen Schulteroperationen mit 4–10 % angegeben [3]. In früheren Studien wurden noch schwerwiegende Ereignisse wie N.-phrenicus-Lähmungen, Pleuraperforationen, Instrumentenbrüche, Pneumomediastinum, Pneumothorax, subkutanes Emphysem und größere iatrogene Sehnen- und Knorpelschäden erwähnt. In einer Fallbeschreibung kam es beispielsweise zu einer postoperativen notfallmäßigen Reintubation wegen paravasaler Flüssigkeitskompression auf die Trachea. Auch die Erweiterung des Eingriffs (offener Eingriff) aufgrund von Problemen in der arthroskopischen Technik wird als Grund angeführt, der zu einer ungeplanten Aufnahme mit Behandlungsnotwendigkeit führen kann. Auffällig war in der vorgenannten Studie von 1998 die durchschnittlich verhältnismäßig lange OP-Zeit von 110 Minuten (min. 25 bis max. 180 Minuten) [3]. Die OP-Zeiten haben sich dagegen in der heutigen Zeit deutlich reduziert. In einer aktuelleren Multicenter-Kohorten-Studie [22] wurde bei 103.476 ambulanten Schulteroperationen (2011–2013) in 1,8 % eine notfallmäßige Krankenhausbehandlung innerhalb von 7 Tagen erforderlich. Als häufigste Ursache wurden Schmerzen im OP-Gebiet (23,78 %) festgestellt, wovon fast die Hälfte (43,49 %) innerhalb der ersten 24 Stunden nach OP auftrat. Zentren mit hohen OP-Zahlen und der Einsatz von augmentierter Regionalanästhesie (Nervenblock) waren mit geringeren Risiken einer Notfallbehandlung assoziiert. Ein weiteres signifikantes Risiko stellten lange OP-Zeiten über 2 Stunden dar. Eine wichtige in Deutschland durchgeführte Erhebung von 21.975 ambulanten Schultereingriffen zwischen den Jahren 2002 und 2012 erfolgte mit Hilfe des Qualis-/BVASK-Registers (Bundesverband für Arthroskopie e.V.). Erfasst wurden oberflächliche Wundheilungsstörungen (0,31 %), tiefe Wundinfektionen (0,16 %), revisionspflichtige Blutungen (0,11 %) und punktionspflichtige Ergüsse (0,41 %). Zu dokumentierten Gefäßverletzungen kam es in 2 Fällen (0,009 %), zu Instrumenten-/Materialbruch in 14 Fällen (0,067 %), zu Narkosezwischenfällen in 3 Fällen (0,0001 %) und einer stationären Behandlungsnotwendigkeit in 10 Fällen (0,048 %). Wundheilungsstörungen und Infekte treten auch generell an der Schulter selten auf und werden in der Literatur variierend mit 0,04–3,4 % [5] bzw. 0,3 bis 1,9 % angegeben [1, 15]. Wie sich in einer umfangreichen Kohortenstudie zu Rotatoren-Manschetten-Reparaturen zeigte (N = 903), ist das Risiko einer Wundinfektion bei offenen Techniken (2,5 %) höher als bei arthroskopischen (1,8 %) [16]. Bei der Rotatoren-Manschetten-Naht steht die Schulterteilsteife als häufiges postoperatives UE im Vordergrund [9]. Im Ergebnis sind Komplikationsraten [23] mit einer Notfallbehandlung nach ambulanten Schulteroperationen nach aktuellem Stand mit 1–1,8 % relativ niedrig. Die häufigste Ursache für UE (ca. die Hälfte) bilden postoperative Schmerzen und PONV, was darauf hinweist, dass die Anästhesie eine besonders wichtige Rolle spielt [20]. In einer weiteren aktuellen Studie [7] wurden 33.095 arthroskopische Schultereingriffe auf postoperative Komplikationen untersucht und in Gruppen mit OP-Zeiten (bis 45 Min., bis 90 Min. und > 90 Min.) aufgeteilt. Mithilfe von multivariaten Analysemethoden konnte statistisch gezeigt werden, dass in den Gruppen mit OP-Zeiten von mehr als 45 bzw. 90 Minuten ein erhöhtes Auftreten stationärer Behandlungsnotwendigkeiten und oberflächlicher Wundinfekte vorlag. Als weitere Prädiktoren für stationäre Aufnahmen wurden Diabetes mellitus, Hypertonie und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen ausgemacht. Als Ausblick ist davon auszugehen, dass entsprechend der Ergebnisse einer aktuellen Studie [11] auch die ambulante Schulter-Endoprothetik eine weitere Verbreitung finden könnte.

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