Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Stellenwert der Histopathologie in der Diagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären Gelenkinfektionen*

Veit Krenn1, Andreas H.H. Tiemann2, Carl Haasper3

Zusammenfassung: Die histopathologische Diagnostik der bakteriellen Arthritis, der bakteriellen Osteomyelitis und der bakteriellen periimplantären Gelenkinfektion basiert auf der Beurteilung des Erreger-induzierten, geweblichen
Reaktionsmusters, das auch als Infektions-pathologisches Substrat bezeichnet werden kann. Somit stellt die Histopathologie im Gegensatz zur mikrobiologischen Diagnostik eine indirekte Form der Infektions-Diagnostik dar. Bedingt durch eine Vielfalt an nicht-infektiös und infektiös induzierten Entzündungen
ergibt sich eine umfassende Differenzialdiagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären Gelenk-Infektionen. Die histopathologische Infektionsdiagnostik erfolgt in einem weiten differenzialdiagnostischen Kontext. Diese Differenzialdiagnosen sind im Gelenk-Pathologie-Algorithmus, in der Systematik von Osteomyelitiden und in der SLIM-Konsensus-Klassifikation zusammengefasst. Durch verschiedene Quantifizierungskriterien von Leukozyten können Low-grade-Infektionen enzymhistochemisch und immunhistochemisch diagnostiziert werden. Die Diagnostik von spezifischen Infektionen und der Osteomyelitis basiert auf charakteristischen Gewebemustern. PCR-basierte Methoden vervollständigen das methodische
Repertoire der histopathologischen Infektionsdiagnostik, diese Methoden ermöglichen eine direkte Keimspezifizierung. Durch die Histopathologie können zusätzlich andere, klinisch nicht vermutete Pathologien, insbesondere Abriebpartikel-
Reaktionen, adverse Reaktionen, Kristall-induzierte Entzündungen, Osteomyelitiden, spezifische Infektionen, peritumorale Veränderungen und Tumorinfiltrate diagnostiziert werden.

Schlüsselwörter: Infektionsdiagnostik, Histopathologie, Arthritis, Osteomyelitis, periimplantäre Gelenk-Infektion

Zitierweise
Krenn V, Tiemann AHH, Haasper C: Stellenwert der Histopathologie in der Diagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären
Gelenkinfektionen.
OUP 2017; 12: 608–614 DOI 10.3238/oup.2017.0608–0614

Summary: Histopathological diagnostics including semi-quantitative and quantitative scoring systems, are important diagnostic tools in diagnosing bacterial infections as arthritis, osteomyelitis and periimplant joint infection. Since the reasons for inflammatory reactions are manifold, including infectious and non-infectious pathogenesis the histopathological differential diagnosis of bacterial infection in general is complex. This fact is demonstrated by the arthritis- and osteomyelitis-algorithm and by consensus classification of joint prosthesis pathologies. Up to now PCR based methods, histochemical- and immune-histopathological techniques are useful in identifying specific- and non-specific infections, as well as differentiating postsurgical changes from recurrent infections in patients with joint-spacers. In most histopathological scoring systems for bacterial infection apart from the specific inflammatory patterns, quantifying the number of neutrophil granulocytes per a defined number of high power fields is crucial. Neutrophil granulocytes can be detected through histochemical methods and more specifically by immunhistopathological techniques and by various quantification systems (histopathological scores, CD15 focus score, HOES: human osteomyelitis evaluation score) leading to the diagnosis of bacterial infection. One important function of histopathology, apart from diagnosing infection, is to rule out or define other pathogenetic lesions, such as specific infections, particle and crystal-induced reactions, allergic respectively adverse reactions to implant materials, inflammatory reactions and although rarely benign and malign tumors.

Keywords: histopathology, bacterial infection, arthritis,
osteomyelitis, periimplant joint infection

Citation
Krenn V, Tiemann AHH, Haasper C: The significance of histopathology in the diagnostic of musculoskeletal infections and osteomyelitis. OUP 2017; 12: 608–614 DOI 10.3238/oup.2017.0608–0614

Einleitung

Die Vielfalt von nicht-infektiös und infektiös induzierten
Entzündungen

Bedingt durch die Vielfalt von nicht-infektiös und infektiös induzierten Entzündungen ergibt sich eine umfassende Differenzialdiagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären Gelenk-Infektionen. Die histopathologische
Diagnostik von Infektionen ist generell als eine die mikrobiologische Diagnostik ergänzende, aber auch erweiternde Diagnostik anzusehen [3, 5, 6, 7, 10, 16, 17, 20] und erfolgt in einem weiten differenzialdiagnostischen Kontext (Abb. 1–3). Dieser Artikel versucht das wesentliche Spektrum von Infektionen des Bewegungsapparats histopathologisch darzustellen und beinhaltet insbesondere auch die histopathologischen Differenzialdiagnosen von Arthritis, von Osteomyelitis und der periimplantären Gelenk-Entzündung.

Histopathologische Prinzipien der Infektions-Diagnostik

Indirekte Form der Infektions-

diagnostik

Die Diagnostik der bakteriellen Arthritis, der infektiösen Osteomyelitis und der bakteriellen periimplantären Gelenkinfektion basiert auf der Beurteilung des Erreger-verursachten geweblichen-Reaktionsmusters (sog. Infektions-pathologisches Substrat). Somit stellt die Histopathologie im Gegensatz zur mikrobiologischen Diagnostik eine indirekte Form der Infektions-Diagnostik dar [7, 8, 14]. Im Vordergrund steht die Beurteilung der leukozytären entzündlichen Infiltration und der Folgeveränderungen in Synovialis, in periartikulärem und periimplantärem Bindegewebe sowie Knochengewebe dar [14, 18, 21]. Da geringfügige Entzündungs-Infiltrate, insbesondere umschriebene Granulozyten-Ansammlungen, nicht notwendigerweise durch eine bakterielle Infektion bedingt sind (z.B. Partikel- und Kristall-induzierte Granulozytosen bei Urat-Arthritis, High-grade-Synovialitis bei der Rheumatoiden Arthritis) sollten nicht eindeutige Befunde in einem klinischen und mikrobiologischen Kontext bewertet werden.

Andererseits können bei Vorliegen manifester Entzündungs-Infiltrate mikrobiologisch falsch negative Ergebnisse weitgehend ausgeschlossen werden, da die Beurteilung der Reaktionsmuster erfolgt. Diese sind Ausdruck der sog. Erreger-Wirt-Reaktion und sollten insbesondere bei immungeschwächten Patienten und Patienten mit Risikoprofilen (z.B. Diabetes mellitus, Anämie, hohes Alter) berücksichtigt werden. Die wesentlichen Differenzialdiagnosen von bakteriellen Infektionen sind im Gelenk-Pathologie-Algorithmus, in der Systematik von Osteomyelitiden und in der SLIM-Konsensus-Klassifikation zusammengefasst (Abb. 1, 2 und 3).

Beurteilung des geweblichen
Reaktionsmusters

Neutrophilen-Granulozyten-

(NG-) Detektion

Im Zentrum der histopathologischen Infektionsdiagnostik, insbesondere von akut infektiösen nicht-spezifischen bakteriellen Infektionen, steht die Neutrophilen-Granulozyten-Detektion mittels der HE-Färbung, der PAS-Reaktion, der Chlorazetatesterase-Färbung sowie der immunhistochemischen CD15-Detektion [3, 8, 14].

Makrophagen und Epitheloidzell-Detektion

Eine immunhistochemische Detektion von CD68 zur Darstellung von Epitheloidzellen und Makrophagen kann bei Fragestellungen und Differenzialdiagnose von granulomatösen Epitheloidzell-Reaktionen speziell der kleinherdigen Epitheloidzell-Reaktion erforderlich sein. Dies umfasst insbesondere das Partikel-induzierte Granulom, Kristall-Arthritis, fibrinoide Nekrosen, die mykobakteriellen Infektionen, die Bruzellose, die Mykosen [9] und in selten Fällen auch Parasitosen.

Direkter Keim-Nachweis
mittels Histochemie und
Immunhistochemie

Ein direkter Keim-Nachweis im Sinne einer direkten Keimtypisierung ist durch enzymhistochemische Färbungen insbesondere in der Orthopädischen Pathologie nur eingeschränkt möglich. Ausnahmen bestehen in der enzymhistochemischen und immunhistochemischen Keimdetektion der spezifischen Infektionen wie beispielsweise der Pilzinfektion, der mykobakteriellen Infektion und den Parasitosen.

Direkter Keim-Nachweis mittels PCR-basierter Methoden

PCR-basierte Methoden vervollständigen das methodische Repertoire der histopathologischen Infektionsdiagnostik [11, 13]. Diese Methoden ermöglichen eine direkte Keimspezifizierung (Genotypisierung), eine Beurteilung der Erreger-Vitalität ist jedoch nicht möglich. Die Sensitivität von PCR-basierten geweblichen Analysen ist durch die Formalinfixierung aufgrund partieller Degradation der DNA negativ beeinflusst. Nativmaterial ist mit höherer Sensitivität und Spezifität der infektionspathologischen Diagnose verbunden. Es existieren allerdings neue methodische Ansätze, welche auch eine optimale molekulare Aufarbeitung von Formalin-fixierten und Paraffin-eingebetteten Proben (FFPE) ermöglichen [11, 19].

Standardisierte Gewebeentnahme

Der Vorschlag einer standardisierten
Gewebeentnahme mit Angaben zu den Lokalisationen, des Fixierungsmodus des Gewebes und die Größe der Gewebeproben basiert auf einer interdisziplinären Zusammenarbeit in der AG Implantatallergie (DGOOC) und der AG Septische und Rekonstruktive Chirurgie (DGOOC) und ist im Wesentlichen übereinstimmend mit Experten-Empfehlungen und Empfehlungen einer internationalen Fachkonferenz, Consensus-Meeting on Periprosthetic Infection [23]. In der angloamerikanischen Literatur wird für Synovialgewebe, Neosynovialgewebe/Periprothetische Membran die gleichbedeutende Bezeichnung SLIM (Synovia Like Interface Membrane) verwendet, in dieser Übersichtsarbeit wird SLIM für die Gesamtheit der periimplantären Gewebeformen verwendet [10, 15]. Hilfreich für die histopathologische Diagnostik sind umfassende Angaben zum klinischen Verlauf der Erkrankung mit der klinischen Verdachtsdiagnose und die Übermittlung der bildgebenden Befunde (z.B. Nativröntgen, CT, MRT).

Größe der Gewebsproben, Anzahl der Proben und Lokalisationen

Es gilt für die Histopathologie generell, insbesondere bei entzündlichen Erkrankungen: Je größer die Gewebeprobe, desto aussagekräftiger ist die histopathologische Diagnostik. Da pathologische Ausprägungen in den verschiedenen Kompartimenten eines Gelenks und des Knochens unterschiedlich differenziert sind, sollten 3–6 Gewebeproben an Orten mit intraoperativer Maximalausprägung (z.B. fibrinbelegtes, konsistenzvermindertes Gewebe) der Veränderungen an folgenden unterschiedlichen Orten mit einer Proben-Durchmessergröße von etwa 1–3 cm entnommen werden. Speziell gelten für die Gelenkendoprothetik folgende Lokalisationen:

  • 1. Prothesen-nah (Neosynovialis/Periprothetische Membran/SLIM)
  • 2. Prothesen-fern (Neosynovialis/Periprothetische Membran/SLIM) und
  • 3. ossäres Gewebe Prothesen-nah.

Bei Gelenk-Prothesen-Revisionseingriffen sollten mindestens 3–6 Gewebeproben in gleicher Lokalisation entnommen werden mit einem Gesamtdurchmesser von etwa 1–3 cm. Bei arthroskopischen Gewebeentnahmen (3–6 Proben) sollte der Probendurchmesser je Probe mindestens 0,5 cm betragen.

Knochen-Gewebeproben

Nach Fixierung in gepuffertem Formalin (4 %) sollten die Gewebeproben repräsentativ zugeschnitten werden. Prinzipiell wird Knochengewebe von adhärentem Weichgewebe getrennt und separat eingebettet. Somit ergibt sich eine Weichgewebe-Fraktion, Synovialis/SLIM und eine Knochengewebe-Fraktion [18]. Fragmentierte Knochen-Gewebeproben mit einem Durchmesser < 3 cm werden zusätzlich mit einem Knochenmesser mechanisch fragmentiert und vollständig eingebettet (bis zu etwa 4 Kapseln).

Kontinuierlich erhaltene Knochen-Gewebeproben im Sinne von Knochenresektaten mit einem Durchmesser von > 3 cm sollten mit einer Knochensäge lamelliert (Knochenlamellen-Breite etwa 1 cm) werden und in Abhängigkeit der Fragestellung eingebettet werden (bis zu etwa 9 Kapseln). Die unterschiedlich hohe Konsistenz von Korticalis und Spongiosa sollte bei den Entkalkungszeiten berücksichtigt werden. Im Falle von markierten Knochenresektaten kann eine sog. orientierte Aufarbeitung erfolgen: Resektatränder (proximal, distal), ossäre Herdbefunde mit Subspezifizierung (ventral, dorsal, medial, lateral), makroskopisch unauffälliges Knochengewebe abseits der Herdbefunde und der Präparatoberfläche (ventral, dorsal, medial, lateral). Dieser erweiterte Aufarbeitungsmodus von Knochenresektaten beinhaltet die makroskopische Färbung von relevanten Präparatoberflächen durch unterschiedliche Farben, somit kann eine Aussage zu einer In-sano-Exzision getroffen werden.

Histopathologische Infektionsdiagnostik im Schnellschnitt

Wenngleich Studien eine ausreichende Sensitivität und Spezifität von Schnellschnittuntersuchungen in der Infektionsdiagnostik der periimplantären Infektion belegen, setzt dies eine optimale und zeitnahe Zusammenarbeit zwischen Orthopäden und Pathologen voraus [2, 12]. Auf Grund der Variabilität der granulozytär entzündlichen Infiltration ist der Stellenwert einer infektionspathologischen Diagnose von im Formalin fixierten/Paraffin-eingebetteten Material höher einzustufen.

Histopathologischen Typen der Infektion

Unspezifische bakterielle Arthritis

Die histopathologische Arthritis-Diagnostik folgt definierten Kriterien (Granulozyten-reiches, entzündliches Infiltrat mit sog. degenerierten, neutrophilen Granulozyten (Granulozyten-Apoptosen, NETose), Mikroabszess-Ausbildung, Deckzellschichtulzerationen mit Fibrinauflagerungen/ Fibrininsudationen [1, 4]. Wenngleich die Mikrobiologie die Domäne der Bakterienspezifizierung und Antibiotika-Resistenz-Bestimmung ist, sind gewebliche PCR-basierte Verfahren entwickelt worden, welche bakterielle Infektionen zeitnahe detektieren können.

Spezifische Infektionen

Tuberkulose
(Mykobakterielle Infektion)

Histopathologisch ist eine granulomatöse Epitheloidzell-Reaktion mit variabel ausgebildeten Nekrosen (Granulom von Tuberkulose-Typ) charakteristisch. Periimplantäre Abrieb-induzierte Nekrosen (sog. aseptische Nekrosen) können histopathologisch die Differenzialdiagnose einer mykobakteriellen Infektion darstellen [9]. Die Tuberkulose erfährt auch in der Orthopädie/Unfallchirurgie, insbesondere durch multiresistente Mykobakterien, durch die Migration aus Ländern mit hoher Tuberkulose-Prävalenz und durch immunmodulierende Therapeutika eine erneute Bedeutung. Unterscheidbar sind eine primäre mykobakterielle Arthritis/periartikuläre Infektion von einer primären synovialen/tenosynovialen Verlaufsform, wobei tenosynoviale Verlaufsformen mehrheitlich durch sog. atypische Mykobakterien (MOTT) verursacht sind. Die PCR-basierte Diagnostik von Geweben ist zur Subspezifizierung von Erregern, insbesondere von mykobakteriellen Infektionen, mykotischen Infektionen, bei der Bruzellose und bei der sehr seltenen artikulären Manifestation des Morbus Whipple notwendig.

Mykotische Infektionen

Pilzinfektionen sind charakteristischerweise durch Nekrosen, Fremdkörper-Riesenzellen und granulomatöse Epitheloidzellreaktionen gekennzeichnet (z.B: Candidose, Aspergillose). Eine Keimtypisierung ist histopathologisch möglich und beinhaltet enzymhistochemische Spezialfärbungen, Immunhistochemie und PCR-basierte Methoden [11]. Die Sensitivität von PCR-basierten geweblichen Analysen ist im Allgemeinen durch die Formalinfixierung negativ beeinflusst, Nativmaterial ist mit höherer Sensitivität und Spezifität verbunden.

Osteomyelitis

Histopathologischer Osteomyelitis Evaluations Score (HOES)

Die akute Osteomyelitis wird gemäß den allgemeinen histopathologischen Kriterien einer akuten Osteomyelitis diagnostiziert, es besteht wie bei der Synovialitis generell die Differenzialdiagnose von nicht-infektiösen und infektiösen-Entzündungen des Knochengewebes (Abb. 2). Es liegt bei der akuten Osteomyelitis ein Infiltrat aus neutrophilen Granulozyten und Osteoklasten mit Destruktion und Nekrose der Knochentrabekel vor. Die chronische Osteomyelitis zeichnet sich durch eine Markraumfibrose mit einem plasmazellreichen und Lymphozyten-/Makrophagen-reichen entzündlichen Infiltrat mit Knochenneubildungen mit geringen Anteil an neutrophilen Granulozyten aus. In einer aktuellen, klinisch-mikrobiologisch-histopathologisch korrelativen Studie wurde ein Bewertungsmodus¸ der Histopathologische Osteomyelitis Evaluations Score (HOES) vorgeschlagen [21]. Dieser ist durch definierte histopathologische Kriterien der akuten Osteomyelitis und der chronischen Osteomyelitis festgelegt und ermöglicht eine graduelle diagnostische Bewertung der bakteriellen Infektion des Knochengewebes in einem klinischen Zusammenhang [21].

Histopathologisch kann die Differenzial-Diagnose umfangreicher sein, insbesondere bei klinisch unklaren ossären Herdbefunden. Diese beinhalten neben einer infektiösen Genese auch eine spezifische infektiösen Genese und vor allem auch eine nicht-infektiöse Genese (Abb. 3).

Periimplantäre
Gelenk-Infektion

Die Konsensus-Klassifikation der Neosynovialis/periprothetische Membran (SLIM) in der ursprünglichen und in der erweiterten Form [10, 15] beruht auf definierten histopathologischen Kriterien und beinhaltet einen Algorithmus, welcher die gesamte Differenzialdiagnostik des Gelenk-Endoprothesenversagens umfasst.

High grade- und Low-grade-
Infektion in der SLIM Typ II/II

Die histopathologische Ausprägung einer bakteriellen Infektion in der Neosynovialis/periprothetische Membran ist variabel ausgeprägt, wobei die Quantität der neutrophilen granulozytären entzündlichen Infiltration die Typisierung in High-grade- und Low-grade-Infektion zulässt (Abb. 3).

Kriterien der High-grade-

Infektion

Bei der High-grade-Infektion besteht eine dichte, ausgeprägte granulozytäre entzündliche Infiltration mit konfluenter Anordnung der neutrophilen Granulozyten und Ausbildung von nekrotischen Gewebeabschnitten, Deckzellulzerationen und Fibrininsudationen. Gemäß CD15 Focus Score liegt ein Wert von > 106 vor [8].

Kriterien der Low-grade-Infektion

Im Consensus-Meeting on Periprosthetic Infection (Philadelphia, USA 2013) wurde die histopathologische Infektionsdiagnostik als ein Diagnose-Bestandteil der periimplantären Infektion festgelegt [23] und stellt eines von 3 sog. Minor-Kriterien dar. Welche der diagnostischen Neutrophilen-Granulozyten-Quantifikationen [23] zur Diagnostik der periprothetischen Low-grade-Infektion verwendet wird, wurde nicht festgelegt, dies ist die Entscheidung der Pathologin bzw. des Pathologen.

Quantifizierungskriterien für die bakterielle Low-grade-Infektion

CD15 Focus Score: Der CD15 Focus Score ist ein neu entwickelter Zählalgorithmus [8] für neutrophile Granulozyten (NG). Der CD15 Focus Score stellt

  • 1. eine Lokalisations-unabhängige Zellzählung in einem einzigen Bildfeld dar,
  • 2. orientiert sich an einer spezifischen Eigenschaft von neutrophilen Granulozyten, der CD15 Expression und folgt
  • 3. dem Modus der Maximal-Ausprägung, sog Focus: Ab ? 39 CD15 neutrophile Granulozyten in einem HPF; (Sehfeldgöße: 0,3 qmm, Vergrößerung 200x) sind die Kriterien einer Low-grade-Infektion erfüllt.

Der CD15 Focus Score ermöglicht auch eine orientierende Keimspezifizierung in niedrig- und hoch-virulente Bakterien. Hierauf basierend wurde eine automatische Software entwickelt, CD15 Quantifier, VMscope, Berlin (Abb. 4) welcher den zeitlich aufwändigen Zählprozess reduzieren kann. Ab einem CD15NG/Fokus von 39 kann die Diagnose eines periprothetischen Gelenkinfekts gestellt werden. Die Sensitivität beträgt 0,87, die Spezifität 0,92. (PPV: 0,94; Accuracy: 0,92; AUC: 0,95) Der CD15-Fokus-Score weist somit eine hohe diagnostische Güte auf [8] und ermöglicht insbesondere eine zeiteffiziente Quantifizierung mittels einer Software [8].

2 NG und mehr als 2 NG pro HPF (400x) in der Analyse von 10 HPF

Eine aktuelle Studie demonstriert die Wertigkeit der histopathologischen Diagnostik bei periprothetischen Infektionen in Kombination mit klinischen Parametern [5, 6]. Die Neutrophilen-Granulozyten-Quantifikation beruht auf einer NG-Quantifikation und umfasst mehr als 2 NG pro HPF (400x) in der Analyse von 10 HPF [16].

23 NG in 10 HPF

Folgender Zählalgorithmus vorgeschlagen [14]: Zunächst wird ein suspektes Areal mit einer möglichst großen Anzahl an Neutrophilen Granulozyten (hot spot) identifiziert. Darin werden die NG in 10 HPF (Sehfeldzahl 20, Gesichtsfelddurchmesser 0,625 qmm) ausgezählt, wobei pro HPF maximal 10 NG gezählt werden. Finden sich in einem isolierten HPF beispielsweise 50 NG, so wird dieses dennoch mit 10 NG gezählt. Zeigen sich in der Summe mehr als 23 NG in 10 HPF, ist die Diagnose einer periprothetischen Membran vom infektiösen Typ zu stellen (Sensitivität 73 %, Spezifität 95 %). Wichtig ist, dass nur NG gewertet werden, die sich im Gewebe befinden (Lokalisations-abhängige Zellzählung). Nicht zu zählen sind NG in Blutgefäßen, in Arealen größerer Einblutungen, im Bereich von Fibrin-Insudationen [14].

Infektionsdiagnostik (Infektpersistenz) bei zweizeitigen
endoprothetischen Eingriffen
(Spacer-/Perispacer-Reaktion)

Bei der Perispacer-Reaktion liegt eine fibröse periimplantäre Gewebsreaktion mit Kapillar-Proliferaten, Fibroblasten und Makrophagenakkumulaten vor. Charakteristischerweise stellen sich herausgelöste PMMA-Partikel mit randständigen granulären schwärzlichfarbenen Röntgenkontrastmittel-Depositionen dar. Neutrophile Granulozyten sind üblicherweise diffus gelagert, wobei auch hier immunhistochemische quantitative Kriterien für die bakerielle Infektpersistenz bestehen. Eine neutrophile Granulozytenanzahl von mehr als 200 Zellen pro 10 HPF gilt als ein immunhistochemisches Kriterium für die Infektpersistenz [6]. In einer Studie wurde auch eine extramedulläre Hämatopoese beschrieben [6], bei der Auswertung der CD15 Immunhistochemie ist dieser Befund dahingehend zu berücksichtigen, dass eine CD15-Expression in der intraossären Granulozytopoese nachweisbar sein kann, ohne dass die Kriterien einer bakteriellen Infektion erfüllt sind.

Interessenkonflikt: Ungeachtet eines möglichen Interessenkonflikts ist dieser wissenschaftliche Beitrag unabhängig und produktneutral. Der Inhalt dieser Veröffentlichung beinhaltet keine Versuche an Menschen und Tieren.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Veit Krenn

Zentrum für Histologie, Zytologie
und Molekulare Diagnostik

Max-Planck-Straße 5

54296 Trier

krenn@patho-trier.de

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Fussnoten

*Aus der Sektion Knochen- und Weichteilinfektionen der DGOU

1MVZ-Zentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik, Trier

2Klinik für Orthopädie und Traumatologie, SRH Zentralklinikum Suhl

3AMEOS Klinikum Seepark, Geestland

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