Übersichtsarbeiten - OUP 12/2017

Stellenwert der Histopathologie in der Diagnostik von muskuloskelettalen und periimplantären Gelenkinfektionen*

Ein direkter Keim-Nachweis im Sinne einer direkten Keimtypisierung ist durch enzymhistochemische Färbungen insbesondere in der Orthopädischen Pathologie nur eingeschränkt möglich. Ausnahmen bestehen in der enzymhistochemischen und immunhistochemischen Keimdetektion der spezifischen Infektionen wie beispielsweise der Pilzinfektion, der mykobakteriellen Infektion und den Parasitosen.

Direkter Keim-Nachweis mittels PCR-basierter Methoden

PCR-basierte Methoden vervollständigen das methodische Repertoire der histopathologischen Infektionsdiagnostik [11, 13]. Diese Methoden ermöglichen eine direkte Keimspezifizierung (Genotypisierung), eine Beurteilung der Erreger-Vitalität ist jedoch nicht möglich. Die Sensitivität von PCR-basierten geweblichen Analysen ist durch die Formalinfixierung aufgrund partieller Degradation der DNA negativ beeinflusst. Nativmaterial ist mit höherer Sensitivität und Spezifität der infektionspathologischen Diagnose verbunden. Es existieren allerdings neue methodische Ansätze, welche auch eine optimale molekulare Aufarbeitung von Formalin-fixierten und Paraffin-eingebetteten Proben (FFPE) ermöglichen [11, 19].

Standardisierte Gewebeentnahme

Der Vorschlag einer standardisierten
Gewebeentnahme mit Angaben zu den Lokalisationen, des Fixierungsmodus des Gewebes und die Größe der Gewebeproben basiert auf einer interdisziplinären Zusammenarbeit in der AG Implantatallergie (DGOOC) und der AG Septische und Rekonstruktive Chirurgie (DGOOC) und ist im Wesentlichen übereinstimmend mit Experten-Empfehlungen und Empfehlungen einer internationalen Fachkonferenz, Consensus-Meeting on Periprosthetic Infection [23]. In der angloamerikanischen Literatur wird für Synovialgewebe, Neosynovialgewebe/Periprothetische Membran die gleichbedeutende Bezeichnung SLIM (Synovia Like Interface Membrane) verwendet, in dieser Übersichtsarbeit wird SLIM für die Gesamtheit der periimplantären Gewebeformen verwendet [10, 15]. Hilfreich für die histopathologische Diagnostik sind umfassende Angaben zum klinischen Verlauf der Erkrankung mit der klinischen Verdachtsdiagnose und die Übermittlung der bildgebenden Befunde (z.B. Nativröntgen, CT, MRT).

Größe der Gewebsproben, Anzahl der Proben und Lokalisationen

Es gilt für die Histopathologie generell, insbesondere bei entzündlichen Erkrankungen: Je größer die Gewebeprobe, desto aussagekräftiger ist die histopathologische Diagnostik. Da pathologische Ausprägungen in den verschiedenen Kompartimenten eines Gelenks und des Knochens unterschiedlich differenziert sind, sollten 3–6 Gewebeproben an Orten mit intraoperativer Maximalausprägung (z.B. fibrinbelegtes, konsistenzvermindertes Gewebe) der Veränderungen an folgenden unterschiedlichen Orten mit einer Proben-Durchmessergröße von etwa 1–3 cm entnommen werden. Speziell gelten für die Gelenkendoprothetik folgende Lokalisationen:

  • 1. Prothesen-nah (Neosynovialis/Periprothetische Membran/SLIM)
  • 2. Prothesen-fern (Neosynovialis/Periprothetische Membran/SLIM) und
  • 3. ossäres Gewebe Prothesen-nah.

Bei Gelenk-Prothesen-Revisionseingriffen sollten mindestens 3–6 Gewebeproben in gleicher Lokalisation entnommen werden mit einem Gesamtdurchmesser von etwa 1–3 cm. Bei arthroskopischen Gewebeentnahmen (3–6 Proben) sollte der Probendurchmesser je Probe mindestens 0,5 cm betragen.

Knochen-Gewebeproben

Nach Fixierung in gepuffertem Formalin (4 %) sollten die Gewebeproben repräsentativ zugeschnitten werden. Prinzipiell wird Knochengewebe von adhärentem Weichgewebe getrennt und separat eingebettet. Somit ergibt sich eine Weichgewebe-Fraktion, Synovialis/SLIM und eine Knochengewebe-Fraktion [18]. Fragmentierte Knochen-Gewebeproben mit einem Durchmesser < 3 cm werden zusätzlich mit einem Knochenmesser mechanisch fragmentiert und vollständig eingebettet (bis zu etwa 4 Kapseln).

Kontinuierlich erhaltene Knochen-Gewebeproben im Sinne von Knochenresektaten mit einem Durchmesser von > 3 cm sollten mit einer Knochensäge lamelliert (Knochenlamellen-Breite etwa 1 cm) werden und in Abhängigkeit der Fragestellung eingebettet werden (bis zu etwa 9 Kapseln). Die unterschiedlich hohe Konsistenz von Korticalis und Spongiosa sollte bei den Entkalkungszeiten berücksichtigt werden. Im Falle von markierten Knochenresektaten kann eine sog. orientierte Aufarbeitung erfolgen: Resektatränder (proximal, distal), ossäre Herdbefunde mit Subspezifizierung (ventral, dorsal, medial, lateral), makroskopisch unauffälliges Knochengewebe abseits der Herdbefunde und der Präparatoberfläche (ventral, dorsal, medial, lateral). Dieser erweiterte Aufarbeitungsmodus von Knochenresektaten beinhaltet die makroskopische Färbung von relevanten Präparatoberflächen durch unterschiedliche Farben, somit kann eine Aussage zu einer In-sano-Exzision getroffen werden.

Histopathologische Infektionsdiagnostik im Schnellschnitt

Wenngleich Studien eine ausreichende Sensitivität und Spezifität von Schnellschnittuntersuchungen in der Infektionsdiagnostik der periimplantären Infektion belegen, setzt dies eine optimale und zeitnahe Zusammenarbeit zwischen Orthopäden und Pathologen voraus [2, 12]. Auf Grund der Variabilität der granulozytär entzündlichen Infiltration ist der Stellenwert einer infektionspathologischen Diagnose von im Formalin fixierten/Paraffin-eingebetteten Material höher einzustufen.

Histopathologischen Typen der Infektion

Unspezifische bakterielle Arthritis

Die histopathologische Arthritis-Diagnostik folgt definierten Kriterien (Granulozyten-reiches, entzündliches Infiltrat mit sog. degenerierten, neutrophilen Granulozyten (Granulozyten-Apoptosen, NETose), Mikroabszess-Ausbildung, Deckzellschichtulzerationen mit Fibrinauflagerungen/ Fibrininsudationen [1, 4]. Wenngleich die Mikrobiologie die Domäne der Bakterienspezifizierung und Antibiotika-Resistenz-Bestimmung ist, sind gewebliche PCR-basierte Verfahren entwickelt worden, welche bakterielle Infektionen zeitnahe detektieren können.

Spezifische Infektionen

Tuberkulose
(Mykobakterielle Infektion)

Histopathologisch ist eine granulomatöse Epitheloidzell-Reaktion mit variabel ausgebildeten Nekrosen (Granulom von Tuberkulose-Typ) charakteristisch. Periimplantäre Abrieb-induzierte Nekrosen (sog. aseptische Nekrosen) können histopathologisch die Differenzialdiagnose einer mykobakteriellen Infektion darstellen [9]. Die Tuberkulose erfährt auch in der Orthopädie/Unfallchirurgie, insbesondere durch multiresistente Mykobakterien, durch die Migration aus Ländern mit hoher Tuberkulose-Prävalenz und durch immunmodulierende Therapeutika eine erneute Bedeutung. Unterscheidbar sind eine primäre mykobakterielle Arthritis/periartikuläre Infektion von einer primären synovialen/tenosynovialen Verlaufsform, wobei tenosynoviale Verlaufsformen mehrheitlich durch sog. atypische Mykobakterien (MOTT) verursacht sind. Die PCR-basierte Diagnostik von Geweben ist zur Subspezifizierung von Erregern, insbesondere von mykobakteriellen Infektionen, mykotischen Infektionen, bei der Bruzellose und bei der sehr seltenen artikulären Manifestation des Morbus Whipple notwendig.

Mykotische Infektionen

Pilzinfektionen sind charakteristischerweise durch Nekrosen, Fremdkörper-Riesenzellen und granulomatöse Epitheloidzellreaktionen gekennzeichnet (z.B: Candidose, Aspergillose). Eine Keimtypisierung ist histopathologisch möglich und beinhaltet enzymhistochemische Spezialfärbungen, Immunhistochemie und PCR-basierte Methoden [11]. Die Sensitivität von PCR-basierten geweblichen Analysen ist im Allgemeinen durch die Formalinfixierung negativ beeinflusst, Nativmaterial ist mit höherer Sensitivität und Spezifität verbunden.

Osteomyelitis

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