Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018
Therapiemöglichkeiten bei chronischen, degenerativen Knorpelschäden
Aufgrund der Progredienz chronischer Knorpelschäden sollten zumindest die bis auf den Knochen reichenden, vollschichtigen Schäden und insbesondere die klinisch symptomatischen Knorpelschäden einer Therapie zugeführt werden [28]. Mittlerweile stehen hierfür zahlreiche Verfahren zur Verfügung.
Debridement und knochenmarkstimulierende
Techniken
Bereits durch eine schonende Abtragung inadhärenter bzw. instabiler Knorpelanteile, ein sog. Debridement, können zumindest kurzfristig überwiegend gute Ergebnisse mit einer nachweisbaren Linderung der Beschwerden erzielt werden [17]. Eine Regeneration des geschädigten Knorpels ist hierbei nicht zu erwarten. Die Bildung eines Regeneratgewebes ist die Hoffnung knochenmarkstimulierender Techniken.
Das Debridement und im Weiteren die Abrasion des geschädigten Knorpels bis an die subchondrale Grenzlamelle mit einem scharfen Löffel, einer Kürette oder einem Shaver ist hierfür der erste Behandlungsschritt. Anschließend erfolgt eine Eröffnung des subchondralen Knochens mit speziellen Ahlen (Abb. 2b). Somit können pluripotente Zellen aus dem Knochenmark in der Defektzone einen sog. Blutclot bilden. Hieraus kann ein faseriger Ersatzknorpel entstehen [18].
Gerade in den letzten Jahren wurde zunehmend bewusst, dass es im Rahmen der Mikrofrakturierung zu einer nicht unerheblichen, iatrogenen Schädigung der subchondralen Knochenlamelle kommt [1]. So zeigten hochauflösende CT-Untersuchungen nach Durchführung solcher knochenmarkstimulierenden Techniken im Tierversuch, aber auch Verlaufs-MRT-Untersuchungen am Menschen, dass es zu subchondralen Knochennekrosen, Zystenbildungen, Ausbildung von intraläsionalen Osteophyten etc. kommt. Zudem wird der subchondrale Knochen brüchig [22, 30]. Daher verwundern eher kritische klinische Nachuntersuchungen, denen zufolge sich nach initial guten Ergebnissen bereits nach wenigen Jahren eine wesentliche Verschlechterung findet, nicht allzu sehr [15, 25].
Letztlich kann auch davon ausgegangen werden, dass sich die Bedingungen für den Erfolg weiterer nachfolgender Verfahren wie bspw. der autologe Chondrozytentransplantation oder Matrix-basierter Verfahren doch deutlich verschlechtern [1].
Mosaikplastik
Bei kleineren Knorpel-/Knochenschäden an Knie und Talus ist der Transfer von Knorpel-/Knochenzylindern, sog. osteochondraler Autografts, aus eher gering belasteten Zonen des Kniegelenks eine Behandlungsmöglichkeit (Abb. 2a).
Zur Behandlung größerer Defekte ist die Methode wegen der hohen Entnahmemorbidität v.a. wegen Problemen der Herstellung der erforderlichen, möglichst haargenauen Kongruenz nicht geeignet. Auf der anderen Seite ist die Indikationsstellung bei sehr kleinen Knorpelschäden fraglich, da hier ebenso gute Ergebnisse mit anderen knorpelregenerativen Verfahren allerdings ohne Entnahmemorbidität erzielt werden können [18].
Oft findet sich eine fehlende Integration in den gesunden Umgebungsknorpel, die Knorpelflächen degenerieren dann im Verlauf zu Faserknorpel. Auch sind die klinischen Ergebnisse bei sportlich aktiven Patienten als vergleichsweise enttäuschend anzusehen [33].
Autologe Chondrozytentransplantation (ACT) und matrixgekoppelte ACT (MACT)
Bei der von Brittberg entwickelten autologen Chondrozytentransplantation (ACT) wird eine geringe Menge Knorpel entnommen, angezüchtet und in einem 2. Eingriff in den Defekt implantiert. In der Originalmethode werden Chondrozyten unter einem angenähten Periostlappen eingebracht [5]. Bei der matrixgekoppelten ACT (MACT) werden die Chondrozyten in eine Trägermatrix (z.B. aus Kollagen) integriert. Dies reduziert Komplikationen wie bspw. eine Transplantathypertrophie oder ein Transplantatversagen [31]. Zudem kann dies einer Dedifferenzierung der Zellen entgegenwirken und die Verteilung der eingebrachten Zellen optimieren. So konnte das histologische Outcome gegenüber der klassischen Periostlappen-ACT verbessert werden und in Metaanalysen ein signifikant besseres klinisches Outcome nachgewiesen werden [10, 11].
Betrachtet man die aktuelle Datenlage, ist die MACT am Knie derzeit das zuverlässigste Verfahren mit dem besten Outcome im Langzeitverlauf [3, 11, 42]. An der Hüfte und z.T. auch am Sprunggelenk ist die Situation anders. Hier ist die Verwendung solcher Kollagenvliese als Trägermaterialien wahrscheinlich nicht die optimale Lösung. Die Einbringung, vielmehr aber die permanente Fixierung der Vliese unter den andersartigen biomechanischen Belastungen können sowohl die Membran als auch die eingebrachten Zellen schädigen und schließlich zu einem Transplantatversagen führen [8]. Vielleicht bieten hier aktuelle Entwicklungen mit injizierbaren polymerisierenden Hydrogelen als Träger oder Zell-Matrix-Kügelchen mit angezüchteten Chondrozyten, sog. Sphäroide, eine sinnvolle Alternative zur biologischen Knorpelrekonstruktion im Hüftgelenk [13, 19].
Zellfreie Kollagenimplantate
Zellfreie Kollagenimplantate bestehen überwiegend aus Typ 1 Kollagenen. Sie sind sowohl in Form einer festen, einzupassenden und dann einzuklebenden Matrix als auch als flüssiges Fertigpräparat zur tropfenweisen Einbringung in die Defektzone und anschließenden Aushärtung in situ verfügbar. Hierbei erfolgt zunächst die möglichst sparsame, den Defekt nicht weiter ausdehnende Schneidung einer stabilen Randschulter. Dann erfolgt das Debridement der Defektzone mit Entfernung von Restknorpel und Narbengewebe. Das Wasser wird vollständig abgelassen, die Arthroskopie auf CO2-Gas gewechselt und die Defektzone mittels Stieltupfern getrocknet, bis eine absolut trockene Fläche entsteht (Abb. 2c).
Die in einer Doppelkammerspritze gelieferte, aufgetaute und im Inkubator auf 33° C erwärmte Flüssigmatrix wird über eine Kanüle langsam in die Defektzone eingebracht (Abb. 2d) und die Aushärtung von meist gut 10 Minuten abgewartet. Bei osteochondralen Defekten am Knie- und Sprunggelenk kombinieren wir die Auffüllung des Knorpeldefekts mit einer flüssigen Kollagenmatrix zumeist mit der vorherigen Auffüllung des Knochendefekts mittles autologer Spongiosa und seltener mit einer ß-Tricalciumphosphat-Keramik-Matrix (Abb. 3). Gute Erfahrungen haben wir mit beiden Methoden.
Gelegentlich erfolgt auch eine Miniarthrotomie, um die Matrix sicher und unter trockenen Bedingungen zu applizieren (Abb. 4). Die Vorteile eines zellfreien Systems liegen auf der Hand. Es muss keine weitere Operation zur Zellentnahme und Kultivierung der Zellen erfolgen. In vivo und in vitro wurde eine zuverlässige und ausreichende Zelleinwanderung aus dem umgebenden Gewebe in Kollagenmatrices nachgewiesen [26]. Zudem konnte gezeigt werden, dass solche Kollagenmatrices als Trägermaterialien die Proliferation und die Proteoglykansynthese in vitro effektiv fördern [37]. Daher erstaunt es nicht, dass auch für diese Techniken im Tiermodell zur Behandlung von Knorpeldefekten ein hohes autoregeneratives Potenzial nachgewiesen werden konnte [14].