Übersichtsarbeiten - OUP 02/2024

Verwendung von allogenem Knochen in der vorderen Kreuzbandchirurgie

Christian Eberle

Zusammenfassung:
Allogener Knochen wird in der Kreuzbandchirurgie überwiegend im Revisionsfall zur Auffüllung erweiterter Bohrkanäle eingesetzt, um eine stabile Verankerung des Sehnentransplantates im Rahmen der erneuten ligamentären Stabilisierung zu gewährleisten. Es stehen derzeit unterschiedliche Applikationsformen von allogenem Knochen mit unterschiedlichen Applikationstechniken zur Verfügung. Im klinischen Alltag hat sich die Verwendung von allogenen Knochenzylindern und allogener Spongiosachips- oder allogenem Spongiosagranulat etabliert. Die präoperative Diagnostik vor Bohrkanalauffüllung beinhaltet – neben der umfassenden Versagensanalyse der vorangegangenen VKB-Rekonstruktion – eine standardisierte Bohrkanalanalyse hinsichtlich Lage, Weite und Integrität, um so das am besten geeignete Auffüllungsverfahren wählen zu können.

Schlüsselwörter:
Allograftknochen, Revision vorderes Kreuzband, Bohrkanalauffüllung, Allograftzylinder,
OP-Technik

Zitierweise:
Eberle C. Verwendung von allogenem Knochen in der Kreuzbandchirurgie
OUP 2024; 13: 62–66
DOI 10.53180/oup.2024.0062-0066

Summary: In ACL Surgery, allograft bone is mainly used for tunnel filling procedures in revision cases, to guarantee a stable fixation of tendon graft, in forthcoming ACL reconstruction. A variety of allograft options with different application techniques are available. The use of cortico cancellous bone chips and cylindric shaped bone dowels is established in clinical routines. Intense pre-operative diagnostic procedures should include exact analyzation of tunnel position, -widening and integration for choosing the best technique for sufficient tunnel filling.

Keywords: Allograft bone, ACL-revision, tunnel filling

Citation: Eberle C: Allograft bone in ACL-Revision
OUP 2024; 13: 62–66. DOI 10.53180/oup.2024.0062-0066

ARCUS Kliniken Pforzheim

Einleitung

Die Re-Rupturrate nach VKB-Rekonstruktion liegt zwischen 3–4 % nach 2 Jahren und 6–10 % nach 10 Jahren [1–3, 6]. Das junge Patientenalter und der hohe Aktivitätsgrad sind als größte Risikofaktoren zu nennen. Die Versagensrate nach erfolgter VKB-Revision wird in den ersten 2 Jahren mit 15 % angegeben [4]. Lediglich 43 % der Betroffenen erreichen wieder ihr sportliches Aktivitätsniveau [5, 32]. Das therapeutische Vorgehen bei VKB-Revision bedarf daher einer genauen Analyse von möglichen Versagensursachen, einer ausführlichen Diagnostik und einer strukturierten, individuellen Therapieplanung. Häufig ist ein-, zwei- oder mehrzeitiges Vorgehen notwendig.

Der häufigste Grund für ein zweizeitiges Vorgehen, neben der Korrektur des knöchernen Malalignements, ist die Notwendigkeit der Auffüllung vorhandener Bohrkanäle mit autogenem, allogenem Knochen oder Knochenersatzsubstanzen, um so in der Folgeoperation eine stabile Transplantatfixation gewährleiten zu können.

Dieser Artikel beschreibt die Indikation, die operativen Techniken und die eigenen Erfahrungen in der Verwendung von allogenem Knochenmaterial in der VKB-Revisionschirurgie.

Bohrkanalmanagement

In Fällen einer VKB-Reruptur oder eines Transplantatversagens mit symptomatischer Instabilität, ist häufig ein zwei- oder mehrzeitiges operatives Vorgehen notwendig, um das betroffene Gelenk ausreichend zu stabilisieren. Das Bohrkanalmanagement nimmt in der Versagensanalyse nach VKB-Re-Ruptur oder Transplantatversagen und ebenfalls im Therapieplan, einen hohen Stellenwert ein [9], da die Fehlpositionierung der Bohrkanäle als einer der Hauptgründe für das Transplantatversagen zu sehen ist. Insbesondere ist eine anteriore Fehlposition des femoralen Tunnels mit einer hohen Versagensrate assoziiert [8]. Dementsprechend müssen die vorhandenen Bohrkanäle femoral und tibial immer hinsichtlich folgender Punkte analysiert werden:

Lage

Weite

Integrität

Interferenz

Zur exakten Analyse dieser Parameter hat sich eine Computertomografie mit 3D-Rekonstruktion gegenüber den anderen bildgebenden Verfahren (MRT, Röntgen) als überlegen erwiesen [6].

Bohrka

nallage

Im klinischen Alltag hat es sich bewährt, die Bohrkanallage anhand der CT-Bilder femoral und tibial wie folgt einzuteilen [7, 8]:

Anatomisch

Partiell anatomisch

Extraanatomisch

Extraanatomisch angelegte Bohrkanäle bedürfen i.d.R. keiner Adressierung, da die Anlage eines neuen Bohrkanals in anatomischer Position problemlos möglich ist. Problematisch sind partiell anatomisch angelegte Bohrkanäle, da diese im Revisionsfall mit den neuen anatomisch platzierten Kanälen konfluieren und somit eine stabile „pressfit“-Fixation des Transplantates nicht möglich ist (Abb. 1).

Bohrkanalweite

Bei gesicherter anatomischer Bohrkanallage ist die Weite der Kanäle ausschlaggebend, um zu prüfen, ob ein einzeitiges Vorgehen möglich ist.

Die Bohrkanalweite und -form wird in allen 3 Schnittebenen des CTs femoral und tibial gemessen. Die Messung sollte in unterschiedlichen Schnitthöhen erfolgen, da sich häufig große Differenzen in den unterschiedlichen Ebenen zeigen. So können zystische- (spindelförmige) von zylindrischen Erweiterungen unterschieden werden.

Therapieentscheidend ist der größte gemessene Durchmesser (Abb. 2).

Evidenz basierte Grenzwerte, ab denen eine Bohrkanalauffüllung durchgeführt werden sollte, existieren nicht. Beschrieben sind Cut-off-Werte von 12–15 mm bzw. Erweiterungen ab 150 % des Ausgangswertes (Bohrkanalweite bei Primärimplantation) [10–15]. Eine Evidenz für diese Werte existiert allerdings nicht [16].

Auch aus Sicht des Autors ist die klinische Umsetzbarkeit dieser empfohlenen Werte problematisch. Die gemessenen Werte sollten immer in Relation zur Kniegelenkgröße der betroffenen Patientin/des betroffenen Patienten interpretiert werden. Weitere Einflussfaktoren sind Transplantatwahl und Fixationstechniken. Aus eigener Erfahrung sollte ab einem Durchmesser von 10 mm eine Bohrkanalauffüllung in Betracht gezogen werden.

Bohrkanalintegrität und
Interferenz

Ist die Integrität der Bohrkanalwände bspw. durch ein femorales, dorsales „blow-out“ oder einen deutlich zu weit anterioren-tibialen Bohrkanal geschädigt, ist ebenfalls eine Bohrkanalauffüllung zu empfehlen.

Einliegendes, insbesondere metallisches Fixationsmaterial, welches mit einer anatomischen Bohrkanalanlage interferiert, muss entfernt werden. Der verbleibende knöcherne Defekt bedarf häufig einer Auffüllung, um eine stabile Transplantatverankerung zu gewährleisten.

Da die exakte anatomische Bohrkanalposition mit einer stabilen Pressfit-Fixation des Transplantats immer die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche VKB-Revision ist, sollten Kompromisse im Bohrkanalmanagement – welche ein einzeitiges Vorgehen ermöglichen könnten – immer vermieden werden. Im Zweifelsfall ist das zweizeitige Vorgehen mit Bohrkanalauffüllung zu bevorzugen.

Auffüllungsmaterialien

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