Übersichtsarbeiten - OUP 04/2017
Weissbuch Alterstraumatologie: Proximale FemurfrakturenWhite book Geriatric trauma: Hip fracture
Merksatz: Bei Patienten mit hohem Alter, kognitiven Einschränkung und eingeschränkter Mobilität sollte eine Duokopfprothese implantiert werden, während biologisch jüngere Patienten mit guter Mobilität mit einer Vollprothese versorgt werden sollten.
Zementierte oder
nicht zementierte
Prothesenverankerung?
Nach den Ergebnissen bisheriger Studien ist der zementierten Technik gegenüber der nicht zementierten Technik der Vorzug zu geben. Die zementierte Implantation führte zu geringeren Schmerzen und besserer Funktion bei vergleichbarer Gesamtkomplikationsrate [18]. Auch die Implantat-assoziierten Komplikationen wie ein Nachsintern der Prothese und periprothetische Frakturen sind bei zementierter Implantation seltener [19, 20]. Die gefürchteten kardiovaskulären Reaktionen während der Zementierung sind insgesamt selten [18]. Dennoch ist gerade bei Hochrisikopatienten mit kardiopulmonalen Vorerkrankungen auf die Einhaltung definierter Standards bei der Zementierung zu achten [21].
Merksatz: Prothesen sollten bei Schenkelhalsfrakturen in zementierter Technik implantiert werden.
Pertrochantäre Frakturen
Primär sollte bei pertrochantären Frakturen eine Osteosynthese erfolgen, da der prothetische Ersatz technisch wesentlich aufwendiger ist und Erfahrungen in der Revisionsendoprothetik voraussetzt. Zudem ist die Prothesenimplantation bei instabilen Frakturen wegen der fehlenden Abstützung am Carcar und den dislozierten Trochanteren technisch anspruchsvoll.
Intramedulläre oder extramedulläre Versorgung?
Aufgrund der biomechanischen Überlegenheit intramedullären Kraftträger sollten diese insbesondere bei hochinstabilen Frakturen (A3) verwendet werden [22]. Zusätzlich ist die Medialisierung des Femurschafts mit der daraus resultierenden relativen Glutealinsuffizienz geringer. Die klinische Datenlage für die instabilen pertrochantären A2-Frakturen ist nach wie vor nicht eindeutig [23]. Frühere Nagelgenerationen waren mit häufigen (intra-)operativen Femurfrakturen verbunden. Im Verlauf wurden die Nägel aber weiterentwickelt, sodass die Komplikationsrate deutlich gesenkt werden konnte [24]. Bei A1-Frakturen sind die Ergebnisse gleich bzw. für die DHS besser [25]. Das Einbringen eines intramedullären Kraftträgers kann bei diesen Frakturen eine Dehiszenz oder Fragmentierung im Frakturbereich verursachen, was durch ein extramedulläres Implantat vermieden werden kann [26].
Merksatz: Während stabile pertrochantäre Frakturen gut mit einer DHS versorgt werden können, sollte bei hochgradig instabilen Frakturen eine Marknagelosteosynthese verwendet werden.
Subtrochantäre Frakturen
Bei rein subtrochantären Frakturen und pertrochantären Frakturen mit subtrochantärer Beteiligung sollte eine langstreckige intramedulläre Stabilisierung mit einem langen Marknagel erfolgen [22].
Operationstechnik
Während der Operation muss zwischen einer geschlossenen und offenen Reposition abgewogen werden. Wann immer möglich, sollte die biologische Frakturheilung ermöglicht werden und geschlossen reponiert werden. Bei der Reposition ist auf eher valgische Einstellung mit guter medialer Abstützung am Calcar [27] und auf eine korrekte Rotation zu achten [22]. Aufgrund der unterschiedlichen Zugrichtung der Muskelansätze proximal und distal der Fraktur ist die geschlossene Reposition bei Frakturen, die bis nach subtrochantär reichen, allerdings anspruchsvoll. Ist geschlossen keine achsgerechte Reposition zu erzielen, muss offen reponiert werden. Dabei kann die Fraktur durch eine additive Cerclage retiniert werden, welche vor Einbringen des Nagels angelegt wird und zusätzlich die Primärstabilität erhöht [28].
Merksatz: Wenn möglich, sollte die Fraktur geschlossen reponiert werden. Ist eine offene Reposition nötig, kann eine additive Cerclage die Stabilität erhöhen.
Tip Apex Distance
Den größten Einfluss auf ein Implantatversagen haben die Reposition sowie die TAD (Tip Apex Distance). Diese entspricht der Summe aus den Abständen von der Schraubenspitze zur Spitze des Hüftkopfs in der a.p.- und in der axialen Ebene. Bei einer „Center-to-center“-Positionierung der Schenkelhalsschraube in beiden Ebenen sollte diese weniger als 25 mm betragen, da eine größere TAD mit einer höheren „Cut-out“-Rate assoziiert ist [29]. Alternativ kann eine Calcar-nahe Platzierung in der a.p.-Ebene [30] mit gleichzeitiger zentraler oder anteriorer Positionierung in der axialen Ebene [31] erfolgen, obwohl dabei die TAD größer als 25 mm sein kann.
Merke: Bei der osteosynthetischen Versorgung pertrochantärer Frakturen sollte die Fraktur anatomisch reponiert werden und die Schenkelhalsschraube zentral oder Calcar-nah eingebracht werden und die TAD (Tip Apex Distance) weniger als 25 mm betragen.
Zementaugmentierung
Eine Zementaugmentierung der Schenkelhalskomponente führt in biomechanischen Versuchen zu einer Erhöhung der Rotationsstabilität und der Ausrisskraft [32]. Bisherige klinischen Ergebnisse waren vielversprechend bezogen auf die Sicherheit des Verfahrens und die Komplikationsrate [33]. Es müssen aber noch größere – vergleichende – Studien durchgeführt werden, um den Stellenwert der Zementaugmentierung bei diesen Frakturen abschätzen zu können und ggf. eine generelle Empfehlung aussprechen zu können.
Merksatz: Bei pertrochantären Frakturen mit starker Osteoporose kann eine Zementaugmentierung der Schenkelhalskomponente erwogen werden, um die Primärstabilität zu erhöhen.
Atypische Femurfrakturen
Sogenannte „atypische Femurfrakturen“ stellen eine besondere Entität dar. Diese Querfrakturen mit häufig medialem „Spickel“ sind zumeist subtrochantär oder diaphysär lokalisiert und häufig mit einer längeren Bisphophonateinnahme assoziiert [34]. Häufig besteht auch ein Prodomalstadium mit Leisten- oder Oberschenkelschmerzen [35]. (Alle Major-Kriterien sollten für die Definition einer atypischen Femurfraktur vorhanden sein. Die Minor Kriterien sind fakultativ [35].)
Merksatz: Insbesondere bei langjähriger Bisphosphonattherapie sollte bei subtrochantären Femurfrakturen ohne (adäquates) Trauma eine atypische Femurfraktur in Betracht gezogen werden.
Bei manifester atypischer Fraktur sollte eine Marknagelung durchgeführt werden. Auch bei drohender Fraktur (radiologische Zeichen und belastungsabhängige Schmerzen wowie Ödemnachweis in der MRT) ist eine „prophylaktische“ Nagelung zu erwägen. Falls die Patienten in der Lage sind, dass betroffene Bein zu entlasten, kann bei symptomarmen Patienten zunächst ein konservativer Therapieversuch mit Entlastung für 2–3 Monate durchgeführt werden. Bei Persistenz der radiologischen Zeichen, wird aber auch für diese Patienten die Operation empfohlen. Gleichzeitig sollte bei allen Patienten die antiresorptive Therapie abgebrochen und Calcium und Vitamin D im Normbereich gehalten werden. Zusätzlich kann eine osteoanabole Therapie mit Parathormon erwogen werden. Die diesbezügliche Datenlage ist allerdings dünn, sodass keine generelle Empfehlung dafür ausgesprochen werden kann [35].