Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016
Welche Sonderleistungen bieten wir anAnalyse am Beispiel Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie RheinlandAnalysis based on Kompetenznetz Orthopaedic Traumatology Rheinland
Die Grenzen sind individuell, wobei auch auf institutionelle Unterschiede hingewiesen werden muss: So waren und sind Teile der ästhetischen Medizin und der Zahnmedizin immer schon Wahlleistungen gewesen. Ferner muss auch darauf hingewiesen werden, dass Leistungen, die nicht über die GKV bzw. in Einzelfällen über die BG erbracht und abgerechnet werden, über die GOÄ abgerechnet werden müssen. Dies beinhaltet oft auch die Erstattungsfähigkeit über eine privatärztliche Versicherung, z.B. bei Eigenbeteiligungen, Höchstgrenzen der Erstattung, vertraglichen Ausschlüssen oder anderen Gründen – auch hierüber ist nach Patientenrechtegesetz aufzuklären. Schließlich ist auch auf den Umstand hinzuweisen, dass ein Vertragsarzt, welcher „medizinisch nicht indizierte Verordnungen zulasten der GKV erteilt, (… ) sich wegen Untreue nach § 266 StGB strafbar machen“ kann [2]. Selbstverständlich besteht spiegelbildlich hierzu das Verbot, GKV/EBM Leistungen zu „IGeLn“. Im Rahmen der dies festlegenden Normen ist vor allen anderen § 128 Abs. 5a SGB V zu nennen. Hier heißt es konkret:
„Vertragsärzte, die unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, verstoßen gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten.“
Die drohenden Strafen reichen von einer Verwarnung, einem Verweis, einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro bis zur Anordnung des Ruhens der Zulassung. Bei wiederholten Pflichtverstößen ist der Zulassungsentzug möglich.
An dieser Stelle soll noch einmal klar herausgestellt sein, dass auch im Falle des patientenseitig gewünschten Überschreitens beispielsweise des medizinisch Erforderlichen nach § 12 SGB V (WANZ) das Abrechnen als individuelle Gesundheitsleistung nach GOÄ lege artis und nicht zu beanstanden ist. Wegen der zuvor beschriebenen KV-seitigen Sanktionsmöglichkeiten bei Verstoß, sollte bezüglich der konkreten Abrechnungsmodalität jedoch auf Seiten des Behandlers absolute Gewissheit herrschen.
Material und Methoden
Im Oktober 2015 wurden von den 124 Mitgliedern im Kompetenznetz die Wahlleistungen numerisch erfasst. Hierbei handelte es sich um 110 Mitglieder in kassenärztlicher Niederlassung, 5 Mitglieder mit privatärztlicher Niederlassung sowie 9 Mitglieder in leitender Position in Kliniken mit (eingeschränkt) ambulanter ärztlicher Tätigkeit. Zum damaligen Zeitpunkt waren 2 weitere Mitglieder im Ruhestand und wurden für diese Untersuchung nicht berücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden konnte, wie oft eine Wahlleistung durchgeführt wird, da hierüber keine Daten vorliegen. Ferner wurde in dieser Untersuchung auf eine inhaltliche Bewertung der einzelnen Leistungen verzichtet, da dies außerhalb der Zielsetzung der Untersuchung liegt.
Für die Auswertungen wurde eine Liste der 10 häufigsten Wahlleistungen erfasst, dazu Listen der 5 häufigsten Wahlleistungen im Bereich der gerätegestützten Diagnoseverfahren, der gerätegestützten Therapieverfahren und der sonstigen Leistungen. Die Wahlleistungen sind in alphabetischer Reihenfolge in Tabelle 1 aufgeführt. Hierbei ist zu beachten, dass es sich teilweise um Leistungen zulasten der GKV handeln kann – unter Beachtung der Vorgaben des § 12 Abs. 1 SGB V und bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen und Qualifikationen sowie ggf. unter Verwendung ausschließlich von hierfür zugelassenen Medikamenten. Im Falle der nicht vollständig erfüllten Bedingungen sind diese Leistungen nach GOÄ zu erbringen, wie z.B. peridurale Infiltrationen unter Zusatz von Kortikosteroiden (off-label) oder Akupunkturen in der Schmerztherapie mit Ausnahme von Gonarthrose oder chronische Lumbago (Leistungslegende Ziffer 269/269a GOÄ, keine GKV-Leistung).
Ergebnisse
Insgesamt wurden 1233 Wahlleistungen numerisch aufgeführt, also durchschnittlich ca. 10 Leistungen pro Person, wobei manche auf über 20 Leistungen kommen. Die Top-10-Wahlleistungen sind mit den Häufigkeiten in Tabelle 2 aufgeführt. Die Top-5-Wahlleistungen „Diagnose“, „Geräte“ und „Sonstige Therapien“ sind in den Abbildungen 1–3 dargestellt. Auf den Plätzen 11–26 folgten:
- 11. Lasertherapie (33,1 %)
- 12. unblutiges Schröpfen, durchleuchtungsgestützte Infiltrationen und periradikuläre Therapie mit je 29,0 %
- 15. Moxibustion und Rehaberatung mit je 23,4 %
- 17. 3D/4D-Wirbelsäulenvermessung (21, 8 %)
- 18. Hydrojet und Varianten sowie Osteopathie mit je (20,2 %)
- 20. Vitamininfusionen (16,1 %)
- 21. Pedografie (15,3 %)
- 22. Vibrationstherapie (14,5 %)
- 23. Blutegeltherapie und Orthomolekulartherapie mit je (13,7 %)
- 25. Ganganalyse (12,1 %)
- 26. ACP (11,3 %) und Oberflächen-EMG (10,5 %).
Die anderen 18 erfassten Wahlleistungen wurden von weniger als 10 % der Population durchgeführt, hiervon 8 zwischen 5–10 % sowie 10 von weniger als 5 %.
Diskussion
Das Kompetenznetz Orthopädie Unfallchirurgie Rheinland ist eines der mitgliederstärksten Netze dieser Art in Deutschland und zeichnet sich u.a. durch den Umstand aus, dass von jedem Mitglied ein umfangreicher Datenbestand mit 105 Einzelpositionen existiert. In einer ersten Feldstudie wurden Teile dieses Datenbestands ausgewertet, hier speziell die Angebote an Wahlleistungen. Insgesamt wurden über 1200 Wahlleistungsangebote in 44 Kategorien bei den 124 Mitgliedern erfasst, deren Daten ausgewertet wurden. Bei der Auswertung wurde eine „Top 10“ gebildet, 7 dieser Kategorien werden von mindestens der Hälfte der Kolleginnen und Kollegen erbracht, hiervon die 3 Spitzenreiter Injektion Hyaluronsäure, Atteste und Gutachten sowie Akupunktur von ca. zwei Drittel und mehr. Untergrenze für diese Spitzenreiterliste war eine Erbringung bei ca. einem Drittel der Teilnehmer.
In Sonderauswertungen wurden die „Top 5“-Angebote im Bereich Diagnostik, gerätegestützte Verfahren und sonstige Therapien erfasst. Im Bereich Diagnostik ergaben sich insgesamt 7 verschiedene Angebote, wobei ein Verfahren, die Knochendichtemessung mit einem Ergebnis von ca. 63 % klar hervorstach. Das zweitplatzierte Verfahren, die 3D/4D-Wirbelsäulenvermessung erreichte mit ca. 22 % nur einen Wert von ca. einem Drittel des Erstplatzierten, die anderen Verfahren lagen noch darunter.