Arzt und Recht - OUP 10/2014
30 Jahre Arbeitsgemeinschaft für ArztRecht – Entwicklungen im Vertragsarztrecht*
Die vor- und nachstationäre Behandlung sowie das ambulante Operieren durch den Krankenhausträger führten dazu, dass viele Chefärzte die Ermächtigung, die sie für diese Leistungen besessen hatten, nach Ablauf ihres Ermächtigungszeitraums verloren. Es stellte sich deshalb die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe den Chefärzten ein finanzieller Ausgleichsanspruch gegenüber ihrem Krankenhausträger zustand11.
c) Zulassung nach Verhältniszahlen
Gemäß § 102 SGB V erfolgte die Zulassung aufgrund von arztgruppenbezogenen Verhältniszahlen. In gesperrten Planungsbereichen wurde die Zulassung zu einem Wirtschaftsfaktor. Der Zulassungshandel ohne tatsächlich existierende Praxis wurde von den Gerichten als rechtswidrig eingestuft12.
Am 1.1.2013 ist eine Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses in Kraft getreten. Ziel ist eine größere Flexibilisierung und Regionalisierung der Bedarfsplanung13.
d) Altersgrenze von 68 Jahren
§ 95 Abs. 7 SGB V sah nun vor, dass ab 1.1.1999 die Zulassung in der Regel am Ende des Kalendervierteljahres endet, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollendet. Diese Altersgrenze gilt seit dem 1.10.2008 nicht mehr.
5. GKV-Modernisierungsgesetz ab dem 1.1.2004
Das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.200314 stellte eine bedeutsame Weiterentwicklung des Vertragsarztrechts dar. Es ist im Wesentlichen am 1.1.2004 in Kraft getreten.
a) Zulassung Medizinischer Versorgungszentren (MVZ)
§ 95 Abs. 1 SGB V bestimmte nun, dass an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte und zugelassene Medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen teilnehmen konnten. Im Rahmen der Bedarfsplanung durften auch Krankenhausträger Medizinische Versorgungszentren mit angestellten Ärzten betreiben. Diese MVZ machten den niedergelassenen und den ermächtigten leitenden Krankenhausärzten Konkurrenz. Es kam zu Konflikten mit den Chefärzten, deren Ermächtigung nicht erneuert wurde, soweit das Krankenhaus-MVZ vertragsärztliche Leistungen erbrachte. Für den benachteiligten Chefarzt stellte sich die Frage, ob er im MVZ mitarbeiten musste und ob er dafür eine Vergütung, gegebenenfalls auch einen Ausgleich für Einschränkungen im Ermächtigungsumfang, verlangen konnte.
b) Erbringung spezieller Leistungen durch das Krankenhaus
§ 116b Abs. 2a SGB V eröffnete zugelassenen Krankenhäusern die Möglichkeit, hoch spezialisierte Leistungen sowie Leistungen bei seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen zu erbringen. Das vorgesehene Vertragsmodell wurde durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.200715 mit Wirkung vom 1.4.2007 durch ein neues Verwaltungs- und Entscheidungsverfahren abgelöst.
c) Plausibilitätsprüfung
Seit eh und je galt im Kassenarztrecht das Gebot der persönlichen Leistungserbringung16. Von den Kassenärztlichen Vereinigungen durchgeführte Plausibilitätsprüfungen anhand von Tages- oder Quartalsprofilen wurden durch § 106a SGB V auf eine konkrete gesetzliche Grundlage gestellt. Auf dieser Grundlage wurde der EBM 2000plus erstellt, der mit Wirkung vom 1.4.2005 erstmalig bundeseinheitlich Zeiten für die Erbringung einzelner im EBM aufgelisteter Leistungen enthielt. Anhand dessen wurden Zeitprofile erstellt. Überschritt der Leistungserbringer bestimmte Stunden pro Tag oder pro Quartal, wurde das Prüfverfahren eingeleitet17.
6. Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ab dem 1.1.2007
Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.200618 hat das Vertragsarztrecht den Entwicklungen des ärztlichen Berufsrechts angepasst oder zum Teil weiterentwickelt19.
a) Hälftiger Versorgungsauftrag
§ 95 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 19a Ärzte-ZV schuf die Möglichkeit, den Versorgungsauftrag von Anfang an oder nach einer Vollzulassung auf die Hälfte zu beschränken (Teilzulassung)20.
b) Anstellung von Ärzten durch zugelassene Vertragsärzte
Nachdem zugelassene MVZ seit dem 1.1.2004 mit angestellten Ärzten arbeiten durften, wurde gemäß § 95 Abs. 9 und 9a SGB V auch den niedergelassenen Vertragsärzten unter Beachtung der Bedarfsplanung erlaubt, Ärzte anzustellen21.
c) Zweigpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften
§ 24 Ärzte-ZV hat die Tätigkeit in einer Zweigpraxis und in ausgelagerten Praxisräumen erleichtert22.
Nach § 33 Abs. 1 Ärzte-ZV wurde die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit unter allen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern an einem gemeinsamen Praxissitz zulässig. Dazu zählten insbesondere auch die Teilberufsausübungsgemeinschaften und die überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften23.
d) Tätigkeit als Krankenhausarzt und Vertragsarzt
Aus § 22 Abs. 2 Ärzte-ZV hatte die Rechtsprechung gefolgert, dass eine Tätigkeit als Krankenhausarzt im stationären Bereich und als zugelassener Vertragsarzt im ambulanten Bereich regelmäßig nicht erlaubt sei. Nun fügte der Gesetzgeber dem § 22 Abs. 2 einen zweiten Satz an. In ihm wurde die Tätigkeit oder die Zusammenarbeit des Vertragsarztes mit einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 SGB V oder einer Versorgungs- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 111 SGB V ausdrücklich für zulässig erklärt24.
Allerdings blieb § 20 Abs. 1 Ärzte- ZV bestehen, wonach ein Arzt für die vertragsärztliche Tätigkeit nicht geeignet ist, soweit er wegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht. Daraus wurde abgeleitet, dass ein im Krankenhaus angestellter Arzt in einem – gegebenenfalls vom selben Krankenhausträger betriebenen – MVZ in Vollzeit nur tätig werden durfte, wenn die stationäre Tätigkeit höchstens 13 Stunden wöchentlich ausmachte. War der Arzt im MVZ nur in Teilzeit beschäftigt, durfte die stationäre wöchentliche Arbeitszeit entsprechend höher sein25.
7. GKV-Versorgungsstrukturgesetz ab dem 1.1.2012
Mit Wirkung vom 1.1.2012 ist das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22.12.201126 in Kraft getreten. Es hat unter anderem Folgendes geregelt27:
Nach § 28 SGB V dürfen in bestimmten Fällen auch Nicht-Ärzte ärztliche Leistungen erbringen. Die Letztverantwortung bleibt jedoch beim behandelnden Arzt.
Das bisher nur berufsrechtliche Verbot, sich für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt versprechen oder gewähren zu lassen, wurde in § 73 Abs. 7 SGB V gesetzlich verankert. § 128 Abs. 5a SGB V bezeichnete es nun als Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten, wenn ein Vertragsarzt unzulässige Zuwendungen forderte oder annahm oder wenn er Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflusste.