Übersichtsarbeiten - OUP 03/2014
Aktuelle Therapiekonzepte bei Knorpelschäden am Talus
E. Basad1
Zusammenfassung: Die operative Behandlung von Knorpelschäden am Talus des oberen Sprunggelenks bietet eine Vielzahl von Techniken. Für die Auswahl des geeigneten Verfahrens ist die Kenntnis von Ätiologie und Art des Knorpelschadens von großer Bedeutung. Physiologisch und biomechanisch unterscheidet sich der Talus wesentlich vom Kniegelenkknorpel. Daher müssen hier andere Kriterien der Knorpelreparatur zugrunde gelegt werden. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es darzustellen, welche regenerativen, Verfahren zum Aufbau von chondralen und osteochondralen Defekten zum Einsatz kommen können.
Schlüsselwörter: Sprunggelenk, Talus, Knorpelschaden, Chondrozyten, osteochondral
Zitierweise
Basad E. Aktuelle Therapiekonzepte bei Knorpelschäden am Talus. OUP 2014; 3: 124–129. DOI 10.3238/oup.2014.0124–0129
Summary: The surgical treatment of cartilage lesions of the talus offers a variety of techniques. For choosing the appropriate technique, knowledge about etiology and type of the defect is essential. Physiologically and biomechanically talus cartilage differs essentially from knee cartilage. Therefore different criteria for cartilage repair must be underplayed. Aim of this publication is to outline current regenerative procedures in chondral and osteochondral defects of the talus.
Keywords: ankle, talus, cartilage lesion, chondrocytes, osteochondral
Citation
Basad E. Current concepts for talus cartilage repair.
OUP 2014; 3: 124–129. DOI 10.3238/oup.2014.0124–0129
Grundlagen zum Talusknorpel
Nach dem Kniegelenk ist der Talus am zweithäufigsten von Knorpelschäden betroffen. Die Knorpel-Physiologie und -Pathologie des Talus unterscheidet sich jedoch wesentlich vom Kniegelenk. Talusknorpel ist aufgrund der geringen Kontaktfläche dem 5-fachen an Druck- und Scherkräften des Körpergewichts ausgesetzt [1]. Dabei befinden sich die Hautbelastungszonen an den Taluskanten und die Knorpeldicke ist mit 0,5–1 mm wesentlich niedriger als am Kniegelenk (0,5–3 mm) [2]. Zellbiologisch haben Chondrozyten des Talus-Knorpels einen wesentlich höheren Metabolismus mit höherer Proteoglykan-Synthese und eine geringere Anfälligkeit gegenüber katabolen Reaktionen [3]. Akute Knorpelschäden sind das Resultat von Distorsionen mit Knorpelabscherungen oder von Frakturen [4]. Chronische Knorpelschäden sind Folgen von rezidivierenden Mikrotraumen durch Überlastung (Overuse- und Sprungsportarten), Achsfehlstellungen und chronischen Bandinstabilitäten. Es kann sich häufig um übersehene akute Abscherungsverletzungen handeln, die unmittelbar nach einem Trauma aufgrund fehlender Bildgebung des Knorpels nicht zur Darstellung kommen [5]. Während die seltenere Osteochondrosis dissecans (OD) eine Sonderform mit primär subchondraler Pathologie darstellt, sind die meisten osteochondralen Schäden am Talus bedingt durch Verletzungen, die den subchondralen Knochen betreffen. Man kann sogar feststellen, dass der subchondrale Knochen bei fast allen Knorpelschäden am Talus mit betroffen ist. Da rein chondrale Läsionen aufgrund der fehlenden Innervierung in den meisten Fällen asymptomatisch sind, ist es sicherlich gerechtfertigt, bei den meisten behandlungsbedürftigen Defekten von osteochondralen Läsionen (OCL) zu sprechen. Die Überlastung des subchondralen Knochens führt im Zeitverlauf zu zunehmenden Ödemen, Sklerose-Zonen, ossären Sequestern und Zystenbildungen. Die subchondralen Zysten entstehen durch den intraartikulären Druck der Synovia in den geschwächten Knochen. Diese Zysten werden auch als intraossäre Ganglien bezeichnet [6].
Diagnostische Verfahren und Indikationen zur Operation
Klinische Zeichen einer OCL des Talus sind der Bewegungsschmerz und der nach Belastung auftretende Reizzustand mit Schwellung am oberen Sprunggelenk. Später kommen Ruheschmerzen, Krepitation, Blockierungen, Instabilitätsgefühl und eine zunehmende Einsteifung des Gelenks hinzu. Zur Bilddiagnostik hat sich die MRT-(Magnet-Resonanz-Tomografie) Untersuchung bewährt [7, 8]. Hierbei können frühe chondrale und subchondrale Veränderungen sowie begleitende Bandverletzungen sicher dargestellt werden. Begleitpathologien am Sprunggelenk wie Achsfehlstellungen, chronische Bandinstabilitäten [9], knöchernes und bindegewebiges Impingement sowie eine Arthrofibrose sollten
bei Knorpel-OP-Verfahren mitbehandelt werden. Zur kombinierten Darstellung morphologischer und metabolischer Informationen eignet sich die Single-
Photon-Emission-Computer-Tomografie (SPECT-CT). Diese Untersuchung bietet eine hohe Sensitivität und Spezifität bei der Diagnostik schmerzhafter subchondraler Prozesse am Talus [10].
Indikationskriterien zur Operation osteochondraler Läsionen am Talus:
- Tragfähiger Umgebungsknorpel und Knochen,
- intakte korrespondierende Gelenkfläche,
- intakte Bandführung und physiologisch korrekte Achse,
- keine Arthrofibrose,
- Alter 18–50 Jahre,
- Defekte Grad III bis IV nach ICRS-Klassifikation mit subchondraler Ausdehnung,
- vorhandene MRT-Diagnostik und/oder SPECT-CT zur Bestimmung der subchondralen Ausdehnung,
- Ausschluss von einem OSG-Impingement als Schmerzursache,
- keine Achsenfehlstellung und Fußdeformitäten.
Auslösende Ursachen und Ko-Morbiditäten von Knorpelschäden am Talus müssen immer erkannt und mitbehandelt werden. Dazu gehören Maßnahmen, die das Alignement korrigieren (Umstellungsosteotomien, Syndesmosen-Reparatur), eine stabile Bandführung sicherstellen (Bänderrekonstruktion, Bandplastiken, Periostlappenplastiken) und schmerzhafte Binnenschäden (Impingement, Briden, Arthrofibrosen) mittels Resektion beheben.
Dissekat-erhaltende OP-
Verfahren bei OD
In frühen Phasen einer osteochondralen Demarkation mit intakter Knorpelschicht steht der Erhalt des Dissekats im Knochenbett im Vordergrund. Voraussetzung hierfür sind seltenere Fälle, in denen das osteochondrale Dissekat vital und groß genug für eine Re-Integration ist. Die Refixation akuter großer OD-Fragmente ist mit subchondral versenkten bioresorbierbaren Schrauben möglich. Retrograde Anbohrungen und Spongiosaplastik eignen sich besonders für subchondrale Läsionen mit intakter Knorpelschicht. Diese Eingriffe können arthroskopisch und fluoroskopisch kontrolliert durchgeführt werden. Eine Alternative stellt die retrograde, arthroskopisch kontrollierte Ausbohrung oder Auffüllung mit autologer Spongiosa (Ossoskopie oder Fluoroskopie) dar [11].
Knochenmarkstimulierende Techniken
Bei der Knochenmarkstimulation wird mittels Eröffnung des Knochenmarks durch Abrasion und/oder Mikrofrakturierung durch eine Ahle (Chondropick) eine Einblutung und Gerinnsel-Bildung im Defekt erzeugt. In diesem Hämatom können mesenchymale Stammzellen aus dem Knochenmark eine Defektregeneration mit Faserknorpel induzieren [12]. Als Weiterentwicklung der Mikrofraktur steht die Nano-Frakturierung zur Verfügung [13]. Ziel ist es, die Stabilität der subchondralen Platte mit schmaleren und kontrollierten Perforationen zu erhalten. Gleichmäßig tiefe Perforationen sorgen dafür, dass die stammzellreicheren Schichten erreicht werden. Technisch wird bei der Nanofrakturierung anstelle des Chondropicks eine flexible Nadel über eine kanülierte Ahle zur Perforation der subchondralen Platte verwendet. Als Ergebnis entstehen statt den trichterförmigen Öffnungen der Mikrofrakturierung 9 mm tiefe und gleichmäßig schmale (1 mm) Löcher. Bei subchondralen Nekrosen mit avitalem Knochen muss dieser mit einer Kugelfräse und/oder Kürette bis in durchblutete Schichten abgetragen werden (Abrasion), bevor eine Mikrofrakturierung oder Nanofrakturierung erfolgen kann. Klinische Studien am Talus haben gezeigt, dass mit einem minimalinvasiven und kostengünstigen Einsatz der arthroskopischen Mikrofrakturierung bereits gute Ergebnisse erzielt werden können [14, 15]. Die Stimulation stellt daher eine operative Behandlung der ersten Stufe dar.