Übersichtsarbeiten - OUP 03/2014

Aktuelle Therapiekonzepte bei Knorpelschäden am Talus

In der Übersichtsarbeit von Tol und Mitarbeitern [16] wurden verschiedene arthroskopische Techniken verglichen: Mit Debridement und Bohrungen konnten (88 %, N = 165) die besten Ergebnisse festgestellt werden, mit alleinigem Debridement (78 %, N = 111) die zweitbesten und mit der alleinigen Exzision instabiler Knorpelanteile die schlechtesten (38 %, N = 63). Ein ausgiebiges Debridement avitaler und instabiler Anteile der OCL ist daher essenziell.

Grenzen der Knochenmark-stimulierenden Techniken

Knochenmark-stimulierende Maßnahmen (Debridement und Mikrofrakturierung) als primäre Therapie sind wenig invasiv arthroskopisch durchführbar und kostengünstig. Sie stellen daher die Therapie der ersten Wahl dar. Faserknorpel ist in tierexperimentellen und auch klinischen Versuchen am Knie im Vergleich zu Chondrozyten-basierten Verfahren mechanisch weniger belastbar [17]. Manchmal beobachtet man nach Knochenmarkstimulation Knocheneinwuchs, Nekrosen im subchondralen Knochen und einen Regeneratverlust im MRT. Bei einer Beschwerdepersistenz und zunehmenden morphologischen Veränderungen, einer subchondralen Dekompensation sowie Überschreitung unten genannter Grenzen kommen invasivere reparative und regenerative Techniken zum Einsatz:

  • erfolglose Therapie 6–12 Monate nach Knochenmarkstimulation,
  • Knorpeloberflächenverlust am Talus von mehr als 2 cm²,
  • Defekttiefe im subchondralen Knochen von mehr als 1 cm,
  • Verlust der seitlichen Abstützung am Talus von mehr als einem Drittel des „Talus-Radius“ im seitlichen Röntgenbild,
  • subchondrale Aktivitätsausbreitung von mehr als 1/3 des Talus-Schnittbilds im MRT und SPECT-CT.

Knochenmarkstimulation mit Augmentation durch Matrix

Als Kombination der Mikrofrakturierung mit einem Zellträger gilt die autologe matrixinduzierte Chondrogenese (AMIC), bei der eine Kollagenmembran auf den präparierten Defekt aufgebracht wird [19, 20, 21]. Die Verwendung der Matrix unterstützt die chondrogene Differenzierung mesenchymaler Stammzellen. Daher ist es am Talus wichtig, die unterhalb der Sklerosezone befindlichen vitalen Knochenmarkanteile zu eröffnen, um eine gute Regeneratbildung zu induzieren. Technisch haben sich hierbei die Abrasion, Mikrofrakturierung oder Nanofrakturierung bewährt.

Als zweite Generation der Knochenmarkstimulierung kommt die autologe matrixinduzierte Chondrogenese zum Einsatz. Hierbei wird die zellfreie Kollagen I-III-Membran [19, 22, 23] zur Deckelung des mikrofrakturierten Areals verwendet. Alternativ kommen injizierbare bioresorbierbare Hydrogele zum Einsatz, die unter UV-Licht im Defekt als Matrix aushärten [24].

Reparatur durch autologen osteochondralen Austausch

Beim autologen Austausch kommt der osteochondrale Transfer von Knorpel-Knochen-Zylindern zum Einsatz. Der Vorteil des Ersatzes liegt im Austausch des pathologischen Gewebes in einen Verbund aus hyalinem Knorpel und einer gesunden subchondralen Platte. Hierbei wird zwischen der Eingelenk-Technik mit Entnahme aus vorderen Anteilen des Talus und der Zweigelenk-Technik mit Verwendung des Kniegelenks (Trochlearand) unterschieden [25, 26]. In beiden Fällen müssen gesunde Gelenkanteile als Spender dienen und können zu einer häufig beschriebenen Entnahmemorbidität führen. Außerdem verschlechtern Osteotomien das Ergebnis, wenn Anteile des Talus nur durch eine Innenknöchel- oder Außenknöchelosteotomie erreicht werden können. Die unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften des Kniegelenksknorpels können das Ergebnis ebenso beeinflussen wie die zwischen Spender- und Empfängerort unterschiedliche Knorpeldicke.

Regeneration durch autologe Chondrozyten

Die Regeneration mit autologen Chondrozyten (Autologe Chondrozyten Transplantation = ACT) ist ein zweizeitiges Verfahren, bei dem arthroskopisch biopsierte autologe Chondrozyten aus einer Knorpelbiopsie in-vitro extrahiert und expandiert werden [27, 28]. In einem zweiten Eingriff werden die Chondrozyten in den Defekt gebracht, damit diese durch Extrusion extrazellulärer Knorpelbestandteile ein hyalinähnliches Knorpelgewebe erzeugen. Als Weiterentwicklung der ACT kommt seit 1999 [29] die Matrix-gestützte ACT (MACI) zum Einsatz, bei der als Zellträger eine Kollagen-I-III-Membran in-vitro mit Chondrozyten besiedelt wird. Die Membran wird nur noch in den Defekt mittels Fibrinkleber eingeklebt. Kondensiert man vermehrte Chondrozyten in-vitro zu Zellhaufen, sogenannten Spheroiden, entstehen adhäsive Chondrosphären, die mittels einer Pipette nur noch in den Defekt aufgebracht werden und sich dort innerhalb weniger Minuten auf der subchondralen Knochenplatte anheften [30]. Diese Technik bietet den Vorteil, rein arthroskopisch arbeiten zu können.

Die Bedeutung der subchondralen Spongiosatransplan-tation

Bei einer bipolaren Reparatur muss der nekrotische Knochen durch eine autologe Spongiosaplastik aufgebaut werden. Ist eine gute Exposition durch einen offenen Zugang (z.B. Innenknöchelosteotomie) gewährleistet, kann der nekrotische oder zystische knöcherne Anteil des Talus großzügig debridiert und in den gesunden Knochen hinein mikrofrakturiert werden. Als Spenderareal steht Spongiosa aus der distalen Tibia, proximalen Tibia oder aus dem Beckenkamm zur Verfügung. Beckenkammspongiosa enthält mehr pluripotente mesenchymale Stammzellen. Die Spongiosachips werden mit einem Stößel so verdichtet, dass sie press-fit den Defekt bis auf die Höhe der umgebenden Knochenplatte reichen. Darüber wird der chondrale Defekt mit einer zugeschnittenen Membran mittels MACI [31, 32] oder AMIC [21, 33] verschlossen.

Rehabilitation nach Knorpeloperationen am Talus

Bei der MACI oder AMIC muss das Matrix-Transplantat durch eine mindestens 48-stündige Immobilisation des Sprunggelenks mittels einer dorsalen Gipsschale gegen eine Dislokation durch Scherkräfte gesichert werden. Bei der OATS und einer Knochenmarkstimulation ohne Matrix ist eine Ruhigstellung nicht erforderlich. Die Rehabilitation nach regenerierender Knorpeloperation erfordert die Teilbelastung, um die Defektfüllung durch Regeneratbildung zu ermöglichen. Am Sprunggelenk hat sich eine 6–8-wöchige Teilbelastung mit 10–20 % Körpergewicht bewährt. Aktuelle klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass kleinere Defekte in weniger druckbelasteten Zonen eine frühere Belastbarkeit ermöglichen [34]. Gepolsterte Sprunggelenksorthesen zur frühfunktionellen Nachbehandlung bieten daher neben Stabilität mehr Komfort durch Vakuum-Kissen und eine frühere Rückkehr zur Belastbarkeit als die klassische Gipsruhigstellung [35]. Kontinuierliche Bewegung und moderate Druckbelastung sind für die Ausdifferenzierung von Stammzellen und Chondrozyten bei der Regeneratbildung essenziell (chondrogene Differenzierung). Auch die Ausformung einer glatten Oberfläche erfordert kontinuierliche Bewegungsreize durch passive Bewegung, welche durch die leihweise Verordnung einer Motorschiene für 3–4 Wochen gewährleistet ist.

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