Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025

Aktuelles zur Diagnostik und Therapie der symptomatischen langen Bizepssehne

Während der körperlichen Untersuchung wird die aktive und passive Motilität der Schulter untersucht. Wichtige Landmarken der Schulter, wie das Tuberculum majus und minus, das Acromioclaviculargelenks (AC-Gelenk) sowie der Sulcus intertubercularis werden palpiert. Eine orientierende Funktionsuntersuchung der Rotatorenmanschette sollte bei jeder Patientin/jedem Patienten mit Schulterbeschwerden durchgeführt werden. Die Provokationstests der langen Bizepssehne sind im Folgenden aufgelistet:

Speed-Test: Hierfür bringt die Untersucherin/der Untersucher den Arm der Patientin/des Patienten in eine 30°-Abduktionsposition bei 90° flektiertem Ellenbogen und supiniertem Unterarm. Kommt es zu einer Schmerzverstärkung bei aktiver Ellenbogenflexion gegen Widerstand, so ist der Test positiv. Neben diesem klinischen Test können auch die Tests für SLAP-Läsionen oder jene für Läsionen der Rotatorenmanschette (RM) Hinweise für eine Pulley-Läsion liefern.

O’Brien-Test: Die Untersucherin/der Untersucher bringt hierfür den Arm in 90°-Anteflexion und 10°-Adduktion und Innenrotation (der Daumen der Patientin/des Patienten zeigt nach unten) und übt einen Widerstand von kranial gegen das Handgelenk aus. Bei diesem Manöver kommt es zu einer intraartikulären Verwringung des SLAP-Komplexes und zu einer Schmerzverstärkung. Wird der Test in Außenrotation wiederholt (der Daumen der Patientin/des Patienten zeigt nach oben) wird die Verwringung des SLAP-Komplexes reduziert und die Schmerzen sind weniger ausgeprägt oder werden nicht mehr verspürt. In dieser Konstellation ist der O’Brien-Test positiv.

Biceps Load-Test: Hierfür wird der Arm in Rückenlage in eine 120°-Abduktion und Außenrotation bei supiniertem Unterarm und 90° flektiertem Ellenbogengelenk gebracht. Wird der Schmerz durch eine aktive Flexion im Ellenbogengelenk verstärkt, so ist der Test positiv.

Yergason-Test: Der Arm wird gegen den Rumpf der Patientin/des Patienten stabilisiert, der Ellbogen wird auf 90° gebeugt und der Unterarm vollständig proniert und anschließend zur Supination aufgefordert. Die Untersucherin/der Untersucher übt hierbei einen Widerstand gegen die Supination aus und palpiert hierbei den Sulcus intertubercularis. Ein positiver Test liegt vor, wenn die Patientin/der Patient über Schmerzen im Sulcus oder eine Subluxation der LBS-Sehne berichtet.

Die Provokationstests zeigen insgesamt eine geringe Spezifität für die Differentialdiagnosen der schmerzhaften langen Bizepssehne, sodass weitere apparative Untersuchungen vonnöten sind [32, 38].

Sonografie

Die Sonografie ist ein verlässliches Mittel zur Diagnostik von Bizepssehnenpathologien. Übliche pathologische Befunde beinhalten einen Flüssigkeitssaum im Sulcus, eine Hypertrophie sowie Verbreiterung der LBS. Vollständige Rupturen können ebenfalls zuverlässig diagnostiziert werden. Eine Bizepssehneninstabilität kann sonografisch durch eine Luxation aus dem Sulcus heraus oder durch eine dynamische Untersuchung der LBS festgestellt werden. Die Sensitivität reicht von 50–96 % bei einer Spezifität von 98–100 % [45]. Eine orientierende Untersuchung der Rotatorenmanschette, insb. der Supraspinatus- und Subscapularissehne, sollte bei Auffälligkeiten der Bizepssehne in jedem Fall durchgeführt werden. Da die Sonografie stark untersucherabhängig ist, bedarf es regelmäßiger Anwendung und im Zweifel einer weiterführenden Diagnostik in Form einer MRT oder MR-Arthrographie.

MRT und MR-Arthrographie

Die MRT stellt verlässlich den Sulcus intertubercularis, die Position der LBS sowie Flüssigkeitsansammlungen oder Ödeme dar. Begleitende Pathologien des AC-Gelenks, Bursitiden und Rupturen der Rotatorenmanschette, mit Ausnahme der Subscapularissehne, können mit hoher Sensitivität und Spezifität erfasst werden. Die Sensitivität der MRT für spezifische Pathologien der LBS wie bspw. einer SLAP-Läsion oder Pulley-Läsion ohne Luxation der LBS ist unzufriedenstellend [11]. Die mediale Luxation der LBS im Sulcus intertubercularis weist nicht nur auf eine Bizepssehneninstabilität hin, sondern kann ein Hinweis für eine signifikante Subscapularissehnenruptur sein [52].

Die MR-Arthrographie (MRA) ist ein weiteres bildgebendes Verfahren, bei dem vor der Untersuchung ein Kontrastmittel in das zu untersuchendes Gelenk eingebracht wird. Die MRA bietet eine höhere Sensitivität und Spezifität für die Diagnostik von Weichteilverletzungen des Schultergelenks. Insbesondere SLAP-Läsionen, Pulley-Läsionen, Verletzungen des Labrums wie auch Rotatorenmanschettenrupturen können verlässlich nachgewiesen werden [5, 11, 40].

Arthroskopie

Die Arthroskopie ist der Goldstandard für die Diagnosestellung weichteiliger Verletzungen des Schultergelenks. Die Patientin/der Patient wird üblicherweise in Seitenlagerung oder in Beach-Chair-Lagerung positioniert. Die direkte Visualisierung des Gelenks ermöglicht es, unklare Befunde der o.g. Verfahren zu differenzieren, dokumentieren und zu behandeln. Mit einem Tasthaken können Pulley- und SLAP-Läsionen genau erfasst werden. Ein standardisierter Ablauf des diagnostischen Rundgangs wird empfohlen. In der eigenen Praxis wird der Rundgang nach Stephen Snyder mit 15 glenohumeralen und 8 subakromialen Aufnahmen durchgeführt.

Pathologien der langen
Bizepssehne

SLAP-Läsionen

Die LBS entspringt über das Labrum glenoidale dem Tuberculum supraglenoidale. Der Aufbau des Bizepssehnenankers unterliegt einer großen Variabilität und kann je nach Insertion des superioren Labrums sowie der Art des Ansatzes der LBS in Bezug auf das Labrum typisiert werden [57, 61]. Die Kenntnis der Normvarianten ist Voraussetzung für die erfolgreiche Diagnostik und Behandlung von Pathologien des Bizepssehnenankers. Verletzungen der Insertionszone werden als SLAP-Läsionen bezeichnet. SLAP steht aus dem Englischen für „superior labrum anterior posterior“ und beschreibt die Schädigung des superioren Labrum, die von anterior nach posterior reicht (Abb. 1 ). Häufige Ursachen für SLAP-Läsionen sind vor allem rezidivierende Mikrotraumata bei Überkopfaktivitäten, (Sub-) Luxationen, Sturz auf den ausgestreckten Arm sowie Traktionstraumata des Armes. Die klinische Untersuchung ist unspezifisch und auch die Kombination verschiedener Tests mit mindestens 2 positiven Ergebnissen erzielt keine zufriedenstellende Sensitivität und Spezifität [55]. Zur Sicherung der Diagnose empfiehlt sich die Korrelation der klinischen Untersuchung mit einer MRT oder MR-Arthrographie. Hier beträgt die Sensitivität zwischen 63–80 % bei einer Spezifität von 87–91 % [11]. Die exakteste Diagnostik von SLAP-Läsionen stellt die Arthroskopie dar [17]. Mit Hilfe eines Tasthakens oder Wechselstabes kann die SLAP-Läsion eingeschätzt und klassifiziert werden. Die Klassifikation erfolgt nach Snyder (Typen I–IV) und wird durch Maffet (Typen V–VII) ergänzt (Tab. 1) [36, 54].

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