Übersichtsarbeiten - OUP 01/2025

Aktuelles zur Diagnostik und Therapie der symptomatischen langen Bizepssehne

Die Therapie der SLAP-Läsion richtet sich in erster Linie nach dem funktionellen Anspruch der Patientin/des Patienten, gefolgt von Läsionsform, Begleitverletzungen und Patientenalter. Die Refixation des Bizepssehnenankers im Sinne eines SLAP-Repairs wird kontrovers diskutiert und zeigt eine hohe Versagerrate bei einem Patientenalter über 36 Jahren [49]. Der Therapiealgorithmus nach Brockmeyer et al. bietet unter Berücksichtigung der o.g. Einschränkungen eine Orientierungshilfe für die Praxis (Tab. 2) [12].

Kim et al. untersuchten die Prävalenz und Assoziation begleitender Pathologien des Schultergelenks in Abhängigkeit des Patientenalters sowie des Grades der SLAP-Läsion. In 88 % der Fälle zeigten sich intraartikuläre Komorbiditäten. Typ II-Läsionen zeigten eine Assoziation mit Bankart-Läsionen bei Patientinnen und Patienten unter 40 Jahren sowie einer einhergehenden Supraspinatussehnenruptur oder Omarthrose bei einem Patientenalter über 40 Jahren [34].

Verletzungen des intraartikulären Sehnenverlaufs

Im Rahmen von degenerativen Veränderungen des Schultergelenks, insb. bei höhergradigen Rotatorenmanschettenrupturen, zeigt sich häufig eine begleitende inflammatorisch-degenerative Auftreibung der intraartikulären Portion der LBS. Boileau et al. beschrieben diese als „Uhrglasdeformität“ (Abb. 2) [9]. In fortgeschrittenen Stadien kann die Verbreiterung der Sehne ein Gleiten in Sulcus intertubercularis blockieren und ein inneres Impingement begründen. Die klinischen Symptome sind sehr unspezifisch. Zur Behandlung sollte begleitend zum Management der Rotatorenmanschettenruptur eine Resektion der Uhrglasdeformität erfolgen.

Pulley-Läsionen

Das Pulley-System stellt die weichteilige Führung der langen Bizepssehne vor dem Abtauchen in den Sulcus intertubercularis dar. Es wird aus dem superioren glenohumeralen Ligament (SGHL), dem coracohumerualen Ligament (CHL) sowie der Faserzüge der Supraspinatus- und Subscapularissehne gebildet und ist Bestandteil des Rotatorenintervalls. Das Pulley-System ist zur Vermeidung von anteroposterioren Translationsbewegungen der LBS von großer Bedeutung. Bei Versagen kann sich ein sog. „Scheibenwischerphänomen“ zeigen, das zu Verletzungen der angrenzenden Sehnenansätze des Supraspinatus und Subscapularis führen kann. Zur Einteilung der Verletzungsform kann die Klassifikation der Pulley-Läsion nach Habermeyer herangezogen werden (Abb. 3, 4) [28]:

Typ I

Isolierte SGHL-Läsion

Typ II

SGHL-Läsion mit artikularseitiger SSP-Partialruptur

Typ III

SGHL-Läsion mit artikularseitiger SSC-Partialruptur

Typ IV

SGHL-Läsion mit artikularseitiger SSC- und SSP-Partialruptur

Neben den Symptomen des vorderen Schulterschmerzes können Patientinnen und Patienten ein „Springen“ der Bizepssehne empfinden, das ein Zeichen der Bizepssehneninstabilität darstellt. Ein spezifischer klinischer Test für die Pulley-Läsion existiert nicht. Die zugrundeliegende Instabilität der LBS führt häufig zu einer Tendinitis, die durch eine Vielzahl an klinischen Tests detektiert wird. Auch die Kombination mehrerer Tests ist nicht spezifisch für die isolierte Pulley-Läsion, jedoch sollte die Kombination aus positiven Rotatorenmanschetten- und LBS-Tests an eine Pulley-Läsion denken lassen. In der Sonografie kann eine Tendinitis bicipitalis durch einen echoarmen Randsaum rund um die LBS (Halo-Phänomen) auch durch weniger geübte Untersucherinnen und Untersucher nachgewiesen werden. Ebenso zeigt sich die Sonografie sensitiv und spezifisch für vollständige Rupturen und (Sub-) Luxationen der langen Bizepssehne [4]. Vollständige Luxationen der Bizepssehne können verlässlich in der MRT-Diagnostik festgestellt werden. Die MR-grafische Diagnostik einer Subluxation der LBS zeigt eine geringe Sensitivität.

Die operative Therapie der Pulley-Läsion folgt dem Ausmaß der Verletzung. Kleinere Ausfransungen des SGHL im Sinne einer erstgradigen Läsion können durch ein isoliertes Debridement behandelt werden. Höhergradige Läsionen sind durch einen Versatz oder die Tenotomie der LBS zu versorgen. Die begleitenden nicht signifikanten Partialrupturen der Rotatorenmanschette heilen in aller Regel nach Beseitigung der schädigenden Noxe aus. Höhergradige Partialrupturen oder vollschichtige Teilrupturen sollten rekonstruiert werden [62].

Rupturen der langen Bizepssehne

Rupturen der langen Bizepssehne sind im Gegensatz zu Rupturen der distalen Bizepssehne häufig [24]. Sie treten üblicherweise im muskulotendinösen Übergang, häufiger noch im Bereich der intraartikulären Portion auf. Primäre Rupturen sind selten und können Folge einer direkten Verletzung durch ein penetrierendes Objekt oder indirekt im Rahmen einer proximalen Humerusfraktur auftreten. Häufigere Ursachen sind endgradige degenerative Veränderungen o.g. Pathologien, die zu einer spontanen Ruptur der Sehne führen [58]. Klinisch kann sich dies in Form einer Popeye-Deformität ausdrücken. Die operative Therapie einer vollständigen LBS-Ruptur erscheint aus funktioneller Perspektive nur bedingt sinnvoll und stellt im klinischen Alltag vielmehr einen kosmetischen Eingriff dar [13, 37]. Allerdings zeigten Beal et al. auf, dass bei Vorhandensein einer vollständigen oder partiellen Ruptur der LBS in bis zu 96 % der Fälle eine begleitende Ruptur der Supraspinatussehne vorliegt [6]. Eine Ruptur der langen Bizepssehne sollte somit als pathognomonisch für eine höhergradige Verletzung des Schultergelenks angesehen werden.

Therapieoptionen

Konservativ

Die konservative Therapie ist nach Ausschluss von Red Flags die initiale Behandlung des akuten vorderen Schulterschmerzes. Red Flags sind Schulterluxationen, Frakturen, Infektionen, Tumore sowie ein klinischer Hinweis auf eine Verletzung der Rotatorenmanschette. Eubank et al. bieten eine Entscheidungshilfe für die Diagnostik und Behandlung des Schulterschmerzes für Hausärzte [23]. Die konservative Therapie besteht aus Kryotherapie, analgetischer und antiphlogistischer Medikation, der Injektionstherapie, der physikalischen Therapie sowie der Physiotherapie [63].

Tenodese vs. Tenotomie

Indikation(en)

Die Indikationen für eine Tenodese oder eine Tenotomie sind weniger abhängig von den zu Grunde liegenden Pathologien, welche in diesem Artikel aufgeführt wurden. Die durchzuführende Technik sollte dem Patientenwunsch entsprechen und Vor- bzw.- Nachteile der jeweiligen Prozedur präoperativ ausführlich besprochen werden. Ein allgemeiner Konsens zur Durchführung einer Tenodese besteht bei jüngeren und aktiveren Patientengruppen, da diese erfahrungsgemäß häufig auch einen hohen kosmetischen Anspruch haben. Bei der Tenotomie kommt es häufiger zu einer Distalisierung des Muskelbauchs (Popeye-Zeichen) als bei den Tenodese-Techniken [1]. Dies kann neben der asymmetrischen Oberarm Erscheinung im Vergleich zur Gegenseite zusätzlich zu schmerzhaften und belastenden Krämpfen des Bizepsmuskels führen [41]. Bei Versagen der Tenodese-Technik oder chirurgischer Fehleinschätzung der Sehnenspannung kann es jedoch auch hier zu einer optisch sichtbaren Distalisierung des Muskelbauchs kommen. Ein Vorteil der Tenotomie ist eine in der Regel weniger zurückhaltende und damit kürzere Nachbehandlungszeit [59], sowie häufig ein schnelleres Erreichen der Schmerzfreiheit [26]. Gerade Personen, die zu den älteren, teilweise auch alleinstehenden Patientengruppen zählen, benötigen frühestmöglich die Funktion der operierten Schulter zurück, um Ihren Alltag meistern zu können. Hier ist bei isolierten LBS-Pathologien die Tenotomie sicherlich zu bevorzugen. Auch bei Re-Arthroskopien, bei denen der Primäreingriff nicht den gewünschten Erfolgt erzielt hat und schon über eine lange Zeit ein hoher Leidensdruck bestand, kann auch bei jüngeren Patienten eine Tenotomie im Sinne einer Autotenodese – wie im nächsten Abschnitt beschrieben – diskutiert werden, um die Nachbehandlungszeit möglichst zu minimieren. Bei der Tenodese sind zudem noch Implantat assoziierte Komplikationen zu berücksichtigen (Fraktur, Schmerzen über der Implantationsstelle). Die Ergebnisse zur Supinationskraft und Ellenbogenflexion zeigen keine eindeutige Überlegenheit einer Technik, wobei es eine Tendenz zu besseren Werten in Richtung der Tenodese-Techniken gibt [1], was wiederum die Empfehlung zur Tenodese bei jüngeren Patienten untermauert.

OP-Technik

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