Arzt und Recht - OUP 11/2013
Altersversorgung – Stolperfallen umgehen
Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe
Einleitung
Durch die gesetzliche Pflicht zur Rentenversicherung gemäß § 1 SGB VI soll die Altersversorgung für Beschäftigte sichergestellt werden. Ärztinnen und Ärzte sind wie andere in der Regel freiberufliche Berufsgruppen jedoch in der besonderen Situation, sich gemäß § 6 SGB VI von dieser Versicherungspflicht befreien lassen zu können, wenn sie wegen einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit aufgrund einer gesetzlichen Pflicht Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer sind. Gemäß § 6 Abs. 2 SGB VI erfolgt diese Befreiung auf Antrag beim Träger der Rentenversicherung (Deutsche Rentenversicherung Bund). Gemäß § 6 Abs. 4 SGB VI wirkt die Befreiung von Anfang an, wenn sie innerhalb der ersten 3 Monate, in denen die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, beantragt wird. Wird der Antrag später gestellt, wirkt die Befreiung vom Eingang des Antrages an. Gemäß § 6 Abs. 5 SGB VI ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt.
Aus der Befreiung angestellter Ärztinnen und Ärzte ergibt sich gemäß § 172 a SGB VI, dass der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu tragen hat. Diese Pflicht besteht jedoch maximal bis zur Höhe des Betrags, den er ohne die Befreiung an den Träger der Rentenversicherung zu zahlen hätte.
Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 a) EStG sind Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen für angestellte Ärztinnen und Ärzte Sonderausgaben, die gemäß § 2 Abs. 4 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen sind, sodass sich das zu versteuernde Einkommen reduziert. Diese Sonderausgaben sind im Rahmen der Steuererklärungspflicht gemäß §§ 149, 150 AO gegenüber dem Finanzamt wahrheitsgemäß zu deklarieren. Für den Arbeitgeber wirken sich die von ihm zu tragenden Beitragsanteile ebenfalls gewinn- und damit steuermindernd aus.
Um nicht doppelt Beiträge zahlen zu müssen (gesetzlicher Rentenversicherungsträger und berufsständische Versorgungseinrichtung), ist auf den (Fort-)Bestand der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht besonderes Augenmerk zu haben. Des Weiteren ist bei der nicht unerheblichen Höhe der Beiträge auch auf eine korrekte steuerliche Behandlung zu achten, da andernfalls unter anderem nicht unerhebliche Steuernachzahlungen drohen. Der Veranschaulichung dienen die folgenden 2 Gerichtsentscheidungen, die jüngst zur Altersversorgung von Ärzten ergangen sind.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2013, Az. L 1 KR 204/10: Rentenversicherungspflicht wider Willen
Zum Sachverhalt
Die Ärztin war zunächst Pflichtmitglied in der Kammer Rheinland-Pfalz und deren Versorgungsanstalt. Sie wurde mit Bescheid von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit. Als Beginn der Befreiung wurde der Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses bzw. „der Versicherungspflicht“ und der Beginn der Mitgliedschaft in der genannten Versorgungseinrichtung festgesetzt. In dem Bescheid heißt es weiter, dass die Befreiung für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung gelte, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten wären. Würden mehrere Beschäftigungen ausgeübt, so gelte die Befreiung nur für die Beschäftigung, auf der die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung beruht und nach deren Arbeitsentgelt die Versorgungsabgaben zu berechnen sind. Bei Wegfall der Voraussetzungen sei die Befreiung nach § 48 Abs. 1 SGB X zu widerrufen.
Die Ärztin praktizierte später zunächst in Nordrhein-Westfalen und war Pflichtmitglied der Kammer Westfalen-Lippe und damit gleichzeitig Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Kammer Westfalen-Lippe. Danach betätigte sie sich als angestellte Unternehmensberaterin. Eine ärztliche Tätigkeit übte sie nicht mehr aus.
Bei der Klägerin, für die die Ärztin als Unternehmensberaterin tätig war, wurde im Rahmen eines Prüfverfahrens nach § 28p Abs. 1 SGB IV am 12.09.2003 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01.01.1999–31.12.2002 durchgeführt. Für diese Jahre 1999–2002 wurden für sie Pflichtbeiträge beim Versorgungswerk entrichtet. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden hingegen nicht abgeführt. Mit Bescheid vom 27.07.2004 wurde die Klägerin zur Zahlung von 54.306,17 € aufgefordert. Die Ärztin sei nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit gewesen, da die Befreiung als solche nicht personen- sondern tätigkeitsbezogen sei. Berufsfremde Beschäftigungen seien nicht erfasst. Die Klägerin erhob erfolglos Widerspruch und Klage. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29.04.2010 die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Aus den Gründen
Die Berufung hatte keinen Erfolg:
Ermächtigungsgrundlage ist § 28 p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung mindestens alle 4 Jahre bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie setzen insoweit auch Beiträge durch Verwaltungsakt fest. Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III.