Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017
Arthroskopische anatomische Gelenkrekonstruktion mit autologer SpanplastikArthroscopic anatomic glenoid reconstruction using autologous iliac crest bone graft
Elisabeth Böhm1, Marvin Minkus1, Philipp Moroder1, Markus Scheibel1
Zusammenfassung: Die arthroskopische anatomische Gelenkrekonstruktion mittels autologer Beckenkammplastik stellt eine verlässliche Behandlungsmethode bei der anteroinferioren Schulterinstabilität mit knöchernem
Glenoidranddefekt dar. Neben potenziellen kosmetischen Vorteilen besteht hier insbesondere die Möglichkeit des
Integritäterhalts der Subscapularissehne mit Vermeidung
einer sekundären Verfettung und Atrophie. Es wurden sehr gute klinische und radiologische Ergebnisse mit einem überschaubaren Komplikationsspektrum beobachtet, wobei sich computertomografisch eine anatomische Wiederherstellung der Konkavität des Glenoids zeigte.
Schlüsselwörter: Schulterinstabilität, Glenoiddefekt,
arthroskopische Stabilisierung, Knochenspanplastik
Zitierweise
Böhm E, Minkus M, Moroder P, Scheibel M: Arthroskopische anatomische Gelenkrekonstruktion mit autologer Spanplastik.
OUP 2017; 11: 530–537 DOI 10.3238/oup.2017.0530–0537
Summary: Arthroscopic anatomic glenoid reconstruction using an autologous iliac-crest bone graft represents a reliable technique for the treatment of anteroinferior shoulder instability with bony glenoid rim defects. In addition to
potential cosmetic benefits, the preservation of the integrity of the subscapularis tendon constitutes the main advantage. A fatty degeneration and atrophy of the subscapularis muscle can therefore be prevented. Very good to excellent clinical and radiological results were observed with only few complications. Computed tomographic imaging showed an anatomic reconstruction of the glenoid concavity.
Keywords: shoulder instability, glenoid defect, arthroscopic
stabilization, bone grafting procedure
Citation
Böhm E, Minkus M, Moroder P, Scheibel M: Arthroscopic anatomic glenoid reconstruction using an autologous iliac crest bone graft. OUP 2017; 11: 530–537 DOI 10.3238/oup.2017.0530–0537
Einleitung
Knochenspanplastiken werden bei der rezidivierenden anteroinferioren Schulterinstabilität mit substanziellem knöchernen Pfannenranddefekt durchgeführt. Über die Rekonstruktion der physiologischen Glenoidanatomie wird eine Wiederherstellung der stabilisierenden Funktion der Gelenkpfanne ermöglicht [17, 19, 27]. Die operativen Versorgungsmöglichkeiten umfassen dabei verschiedene offene und arthroskopische Verfahren unter Verwendung eines zumeist autologen Beckenkammspans.
Die heutigen Techniken basieren auf der Erstbeschreibung durch Eden 1918 [8] und Hybbinette 1932 [9]. Damals war es das Ziel, ein mechanisches Luxationshindernis zu schaffen, weshalb der Knochenspan intraartikulär, aber extra-anatomisch zwischen dem Skapulahals und der Kapsel ohne eine zusätzliche Fixierung platziert wurde. Diese Methode wurde zunehmend modifiziert und verschiedene Techniken zur Fixierung des Knochenblocks am Glenoid entwickelt. 1944 begann Lange [14], und 1951 Alvik [1] den Knochenspan Implantat-frei am Skapulahals zu impaktieren. DePalma beschrieb 1983 die erste offene anatomische Spanplastik unter Verwendung eines J-förmigen Spans, welcher mit Metallschrauben am Skapulahals fixiert wurde [7]. 1989 präsentierten Resch et al. eine Modifikation der Implantat-freien Technik mit anatomischer Impaktion eines J-förmigen Spans am Skapulahals [22]. In offener Vorgehensweise werden Beckenkammspanplastiken bereits seit langer Zeit durchgeführt [32]. Moderne arthroskopische Techniken und Implantate ermöglichen nun auch die arthroskopische Gelenkrekonstruktion [2, 26, 31]. Von großem Vorteil ist dabei die Schonung der Subscapularissehneninsertion. Eine fettige Degeneration und Atrophie des Musculus subscapularis kann somit verhindert oder zumindest verringert werden [28].
Die im Folgenden beschriebene arthroskopische Technik stellt ein anatomisches und intraartikuläres Verfahren dar, bei welchem ein autologer Beckenkammspan zur Rekonstruktion der Konkavität und birnenförmigen Anatomie des Glenoids verwendet wird.
Indikation
Im Rahmen der akuten oder rezidivierenden anterioren Schulterinstabilität können knöcherne Defekte am vorderen Pfannenrand entstehen. Hierbei sind die Größe und Lage des Glenoiddefekts sowie die resultierende Morphologie der Gelenkpfanne von entscheidender Bedeutung für die Schulterstabilität. In verschieden Arbeiten konnte gezeigt werden, dass ein substanzieller Knochenverlust am anterioren Glenoidrand einen relevanten Stabilitätsverlust der Schulter verursacht [10, 11]. Weitere Studien zeigen, dass vor allem auch eine Abnahme der glenoidalen Konkavität zur Reduktion der Gelenksstabilität führt [15, 18]. Uneinigkeit herrscht jedoch weiterhin über die Quantifizierung der Glenoidranddefekte und den kritischen Grenzwert zur Notwendigkeit einer knöchernen Rekonstruktionstechnik anstelle einer reinen Weichteilstabilisierung.
Pathomorphologisch können anteriore Glenoidranddefekte in 3 Typen unterteilt werden (Tab. 1). Zu unterscheiden sind hierbei vor allem akute (Typ I) und chronische Pfannenranddefekte (Typ II & III), die entweder in Folge einer akuten Glenoidrandfraktur oder rezidivierender Schulterluxationen mit entsprechenden Erosionen am Glenoid auftreten können. Typ-I-Läsionen werden weiterhin in knöcherne Bankart-Läsion (Typ Ia), solitäre Pfannenrandfraktur (Typ Ib) und mehrfragmentäre Pfannenrandfraktur (Typ Ic) differenziert. In der Mehrzahl der Fälle können Typ-I-Glenoiddefekte ohne die Verwendung von autologem oder allogenem Knochenmaterial durch Refixation der Fragmente anatomisch rekonstruiert werden. Bei komplexen mehrfragmentären Pfannenrandfrakturen (Typ Ic) kann jedoch auch eine Resektion der Fragmente und eine entsprechende Glenoidrekonstruktion mit autologer Beckenkammspanplastik in arthroskopischer Technik indiziert sein. Der Typ II umfasst Läsionen vom chronischen Fragmenttyp, die charakterisiert sind durch ein in extranatomischer Position medial am Skapulahals konsolidiertes oder pseudarthrotisches Fragment, welches als Folge von Resorptionsvorgängen kleiner als die Defektgröße ist. In Abhängigkeit von der Größe des Glenoiddefekts und des noch vorhandenen Knochenfragments kann eine knöcherne Rekonstruktion mittels Spanplastik indiziert sein. Glenoidranddefekte vom Erosionstyp (Typ III) zeigen sich vor allem bei Patienten mit rezidivierenden Schulterluxationen. Hierzu kommt es in der Regel durch eine Glenoidrandfraktur mit einer vollständigen Resorption der Fragmente oder durch eine chronische Abnutzung des vorderen Pfannenrands. Bei großen Substanzverlusten (Typ IIIb) ist eine reine Weichteilstabilisierung nicht ausreichend, um die Gelenkstabilität zu gewährleisten, weshalb eine Knochenspanplastik notwendig ist.
Zusammengefasst und in Anbetracht der aktuellen Literatur sehen wir folgende Indikationen für eine arthroskopische Glenoidrekonstruktion mit autologer Beckenkammspanplastik:
Substanzielle Erosionsdefekte (Typ
IIIb), welche sich als instabilitätsrelevante Hauptpathologie darstellen.
Chronische Fragmentdefekte (Typ II), bei denen sich durch eine Mobilisation und Refixation des Fragments keine Wiederherstellung der Glenoidfläche und Pfannenkonkavität erreichen lässt.
In seltenen Fällen bei einer nicht rekonstruierbaren akuten, mehrfragmentären Glenoidfraktur (Typ Ic).
In Revisions-Situationen, z.B. nach gescheiterter Weichteilstabilisierung, kann eine Knochenspanplastik auch bei kleineren glenoidalen Knochendefekten (Typ IIIa) indiziert sein.
Weitere Faktoren, wie zum Beispiel das Vorhandensein, die Größe und Lage einer Hill-Sachs-Läsion, andere instabilitätsassoziierte Begleitverletzungen sowie das Patientenalter und Aktivitätslevel sollten bei der Indikationsstellung mit einbezogen werden.
Präoperative Beurteilung
Die ausführliche Anamnese zu Art und Häufigkeit der Schulterluxationen erlaubt eine Einschätzung des Schweregrads der glenohumeralen Instabilität. So lassen Schulterreluxationen bei Bagatelltraumata bzw. atraumatische Reluxationen und ein persistierendes Instabilitätsgefühl nach erlittener primärer traumatischer Luxation auf eine eventuelle Pathologie des vorderen Glenoidrands schließen und sollten sowohl klinisch als auch radiologisch weiter abgeklärt werden. Mithilfe verschiedener Tests lässt sich der Grad der ventralen Schulterinstabilität beurteilen. Vor allem ein positives Apprehensions-Zeichen, bei dem der Untersucher Druck auf den Humeruskopf bei abduzierten und außenrotierten Arm von dorsal nach ventral ausübt und dadurch ein Unbehaglichkeitsgefühl beim Patienten provoziert, ist richtungsweisend in der Diagnostik einer Schulterinstabilität [23]. Weiterhin können der Relokations- und der Surprise-Test durchgeführt werden, um eine Schulterinstabilität zu verifizieren [4, 29]. Unerlässlich in der Diagnostik und Therapiefindung ist zudem eine Evaluierung der Beweglichkeit der Schulter und der individuellen Laxität.
Bezüglich der radiologischen Diagnostik ist das Röntgen zur groben Beurteilung der knöchernen Strukturen von der Schnittbildgebung mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) zu unterscheiden. Die Röntgendiagnostik dient vor allem in der Akutsituation dem Ausschluss von Frakturen, sowie vor und nach der Reposition der Bestimmung der Luxationsrichtung bzw. der Beurteilung des Repositionsresultats. Mithilfe axialer- oder Bernageau-Aufnahmen im Seitenvergleich kann jedoch auch eine erste Einschätzung zur Glenoidkonfiguration getroffen werden. Die Unterbrechung der subchondralen Sklerosezone weist dabei auf einen vorderen Pfannenranddefekt hin [12]. Von großer Bedeutung in der Diagnostik der chronischen Schulterinstabilität und zur Beurteilung der knöchernen Strukturen ist die Computertomografie. Zur Lokalisierung und Beurteilung des Defektausmaßes, sowie zur Identifikation möglicher Fragmente empfiehlt sich eine Dünnschicht-CT mit 3D-Rekonstruktion des Glenoids und Subtraktion des Humeruskopfs im Seitenvergleich (Abb. 1). Die MRT wird zur Beurteilung weichteiliger Begleitverletzungen durchgeführt und wird im eigenen Vorgehen vor allem nach einer primärtraumatischen Schulterluxation und bei fehlendem Verdacht auf knöcherne Begleitpathologien durchgeführt.
Operative Technik
Der Patient wird in Seitenlage positioniert und der Arm im Doppelarmhalter in 30° Abduktion und 20° Außenrotation mit zusätzlicher horizontaler und vertikaler Zugbelastung fixiert (Abb. 2). Diese Lagerung bewirkt eine Aufweitung des Glenohumeralgelenks und ermöglicht somit eine optimale Einsicht des anteroinferioren Pfannenrands. Der Arm und der ipsilaterale Beckenkamm werden steril gewaschen und abgedeckt (Abb. 2). Es werden 4 Arbeitsportale für diese Technik benötigt; ein dorsales Standardportal, ein anterosuperiores, ein anteroinferiores und ein tiefes anteroinferiores Portal (Abb. 3).
Über das dorsale Standardportal erfolgt zunächst eine diagnostische Arthroskopie. Mögliche Begleitverletzungen können dabei identifiziert werden. Diese sollten jedoch erst nach der Spanplastik adressiert werden, um eine Schwellung des Weichteilgewebes zu verhindern. Der anteriore und anteroinferiore Glenoidrand sowie der Kapsel-Labrum-Komplex können zur Beurteilung des Defektausmaßes durch das anterosuperiore Portal visualisiert werden. Bei substanziellen Pfannenranddefekten imponiert ein sog. „inverted-pear“ oder bananenförmiges Glenoid [5].
Das weitere Vorgehen ist abhängig von der Art des Glenoiddefekts. Bei Vorliegen einer ALPSA-Läsion (anterior labroligamentous periostal sleeve avulsion) in Kombination mit einem Erosionstypdefekt (Typ III) wird das Labrum vom Skapulahals elektrothermisch mobilisiert. Fragmenttypdefekte (Typ II) mit einem, in extraanatomischer Position konsolidiertem oder pseudarthrotischem Fragment, werden je nach Größe und Lokalisation des Fragments behandelt. Kleinere Fragmente werden entfernt, um eine plane Kontaktfläche für die spätere Fixierung des Knochenblocks am Skapulahals zu schaffen. Mit dem Labrum verbundene Fragmente können nach der Spanplastik zusammen mit dem Kapsel-Labrum-Komplex gegen den Knochenblock am Glenoid refixiert werden. Größere Fragmente, welche in medialer Position mindestens 1 cm von der Gelenkoberfläche entfernt verheilt sind, können belassen werden. Als zusätzlicher Stabilisator wirken sie einer medialen Dislokation des Spans entgegen und erleichtern somit auch seine Fixierung. Im seltenen Fall einer multifragmentären Glenoidfraktur werden freie osteochondrale Fragmente entfernt, während mit dem Labrum verbundene Fragmente belassen und später gegen den Span refixiert werden.
Unter Visualisierung durch das anterosuperiore Portal erfolgt zunächst die Präparation des Skapulahalses und Mobilisierung des Kapsel-Labrum-Komplexes (Abb. 4a). Der Skapulahals wird mit einer Hochfrequenzfräse vorbereitet, um eine plane Kontaktfläche zu schaffen und die Einheilung des Spans durch Anfrischen des Knochens zu unterstützen (Abb. 4b). Angrenzende chondrale Defekte werden abgetragen und, falls notwendig, am Ende der Spanplastik mit einer Mikrofrakturierung adressiert.
Der trikortikale Knochenspan wird am ipsilateralen Beckenkamm entnommen (Abb. 5a). Die Länge und Breite des Knochenblocks entsprechen dem supero-inferioren und antero-posterioren Defektausmaß. In der Regel werden die Maße 2–3 cm x 1–1,5 cm x 1–1,5 cm verwendet. Die Inzision am Beckenkamm wird nach Einbringen einer Redon-Drainage standardmäßig verschlossen. Der Span wird von Weichteilgewebe befreit und entsprechend angepasst (Abb. 5b). Um das Einbringen in das Gelenk und die anatomische korrekte Positionierung zu erleichtern, wird der Span außerdem mit einem Bohrer zentral perforiert. An der korrespondierenden Lokalisation wird am Skapulahals ein Fadenanker eingebracht.
Über das anteroinferiore Portal erfolgt anschließend das Einbringen des Knochenblocks. Um die Spanpassage zu ermöglichen, wird zunächst die Drehkanüle entfernt und die Hautinzision um circa 1 cm erweitert. Der anteroinferiore Zugang wird zudem unter arthroskopischer Sicht durch das posteriore Portal dilatiert. Ein Faden des Fadenankers wird extrahiert, durch den Knochenblock geführt und am Fadenende mit Knoten fixiert, sodass der Span mit einer geraden Fasszange und simultanem Zug am distalen Faden im Flaschenzugprinzip eingebracht und anatomisch korrekt zwischen dem Skapulahals, dem Musculus subscapularis und Kapsel-Labrum-Komplex positioniert werden kann. Ein Taststab wird über das posteriore Portal und die Kamera wieder über das anterosuperiore Portal eingeführt. Unter direkter Visualisierung kann die Oberfläche des Spans so dem Glenoidniveau angeglichen werden (Abb. 6a). Ein signifikanter lateraler Überstand sollte nach der endgültigen Spanfixierung abgetragen werden. Die Drehkanüle wird wieder in das anteroinferiore Portal eingebracht und die erweiterte Inzision zugenäht, um eine Kanülenlockerung während der weiteren Arbeitsschritte zu verhindern.
Für die temporäre und spätere permanente Fixierung des Knochenspans am Glenoid wird eine spezielle Bohrhülse (Twist-Drill Guide, Arthrex, Naples, Florida) verwendet. Diese besteht aus einer Kirschner-Drahtführungshülse und einer Bohrhülse. Der Twist-Drill Guide wird über das tiefe anteroinferiore Portal eingebracht und am kaudalen Ende des Knochenblocks mit leichtem Druck positioniert, sodass die K-Drahtführungshülse in Richtung des superioren Glenoidrands zeigt. Der Span wird zunächst temporär in der anatomisch korrekten Position fixiert durch Einbringen eines 1,0 mm K-Drahts anteroposterior über die K-Drahtführungshülse. Zur zusätzlichen Rotationsstabilität wird perkutan ein 1,6 mm K-Draht am kranialen Spanende eingefügt. Ein zweiter 1,0-mm-K-Draht wird über die eigentliche Bohrhülse innerhalb des kanülierten Bohrers eingebracht, um eine parallele Ausrichtung zu gewährleisten. Unter direkter Visualisierung wird der zweite, inferiore K-Draht mit dem kanülierten Bohrer überbohrt (Abb. 6b). Ein Gewindeschneider wird über den K-Draht geführt, das Gewinde manuell geschnitten und anschließend inklusive des K-Drahts entfernt. Die erste 3,0–3,7 x 26 mm Bio-Kompressionsschraube (Arthrex, Naples, Florida) wird nun zur permanenten Fixierung 1–2 mm unterhalb des Kortikalisniveau versenkt (Abb. 6c).
Nachdem die erste kaudale Schraube gesetzt ist, wird der Twist-Drill-Guide über den sich noch in der K-Drahtführungshülse befindlichen K-Draht um 180° gedreht, sodass die Bohrhülse superior und parallel zur ersten Schraube zum Liegen kommt (Abb. 7a). Bei einer rechten Schulter erfolgt die Drehung dementsprechend im Uhrzeigersinn und bei einer linken Schulter entgegen des Uhrzeigersinns, wobei der K-Draht in der K-Drahtführungshülse als Rotationszentrum fungiert. Die zweite Bohrung erfolgt in gleicher Vorgehensweise parallel und superior zu der Ersten. Mit Einbringen der zweiten Bio-Kompressionsschraube wird die endgültige Fixierung des Spans erreicht (Abb. 7b). Abschließend wird die Oberfläche des Spans mit einer Fräse auf das ossäre Glenoidniveau reduziert.
Im letzten Schritt erfolgt die Kapsel-Labrum-Rekonstruktion inferior und superior des Spans mit 2 knotenlosen Fadenankern. Der Kapsel-Labrum-Komplex wird zuerst inferior mit einem 25°-Suture-Lasso (Arthrex, Naples, Florida) durchstochen und ein
FiberWire No. 2 (Arthrex, Naples, Florida) als Schlaufe eingebracht. Durch Zug an diesem Faden kann ein zweiter Faden noch etwas weiter inferior eingebracht werden. Beide Fäden werden dann mit dem anteroinferioren Labrum am Glenoidrand über einen knotenlosen Anker befestigt. Die Spannung kann dabei durch manuellen Zug angepasst werden. Der superiore 1,6-mm-K-Draht wird entfernt und die Fäden des initial zur Spanführung am Skapulahals eingebrachten Ankers werden abgeschnitten, sodass auch das anterosuperiore Labrum über 2 Fäden und einen knotenlosen Fadenanker am Glenoid refixiert werden kann. Die Kapsel-Labrum-Rekonstruktion führt zu einer partiellen Deckung des Spans und ermöglicht so die vollständige Wiederherstellung der Glenoidanatomie (Abb. 7c).
Nach Abschluss der Beckenkammspanplastik erfolgt die arthroskopische Versorgung möglicher glenohumeraler Begleitverletzungen wie Rotatorenmanschettenläsionen, chondralen Läsionen, Bizepssehnenpathologien oder HAGL-Läsionen (humeral avulsions of the glenohumeral ligaments). Abschließend werden die Arthroskopieportale standardmäßig verschlossen.
Nachbehandlung
Der Arm wird postoperativ für 6 Wochen immobilisiert. In diesem Zeitraum sollte eine ausschließlich passive Mobilisierung mit limitierter Flexion und Außenrotation im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung erfolgen. Aktive Bewegungsübungen werden ab der siebten postoperativen Woche empfohlen. Mit Beginn der zwölften Woche sollte eine gezielte Kräftigung der schulterstabilisierenden und skapulothorakalen Muskulatur erfolgen. Nach individueller Beurteilung wird die Wiederaufnahme eines sportspezifischen Trainings etwa 6 Monate postoperativ empfohlen.
Ergebnisse
Fünfzehn Patienten mit rezidivierender anteroinferiorer glenohumeraler Instabilität und substanziellem Glenoiddefekt wurden in dieser Technik versorgt und anschließend prospektiv über einen Zeitraum von durchschnittlich 20,6 (12–65) Monaten nachuntersucht [13]. Bei 5 Patienten lag ein Typ-II-Defekt und bei 10 Patienten ein Typ-III-Pfannenranddefekt vor. Acht der 18 Patienten waren bereits 1–4-mal voroperiert. Zum Zeitpunkt der finalen Nachuntersuchung zeigten alle Patienten ein stabiles Schultergelenk ohne rezidivierende Instabilitätsereignisse und mit einem negativen Apprehensions-Zeichen. Der Vergleich des Bewegungsumfangs der betroffenen Seite zur Gegenseite wies keinen signifikanten Unterschied auf. Auch die klinische Evaluation mit subjektiven und objektiven Schulterscores inklusive des Constant-Score, Rowe-Score, Subjective Shoulder Value und Western Ontario Shoulder Instability Index zeigte sehr gute bis exzellente Ergebnisse. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass es sich bei der Mehrheit der Patienten um Revisionseingriffe handelte. Radiologisch zeigte sich in den Computertomografie-Aufnahmen eine erfolgreiche knöcherne Konsolidierung der Beckenkammspäne bei allen Patienten. Zudem wurde im Verlauf eine partielle extraartikuläre Spanresorption beobachtet.
Das initial überdimensional rekonstruierte Glenoid durchlief einen Remodellierungsprozess hin zu einer anatomischen birnenförmigen Glenoidkonfiguration (Abb. 8 a–c) entsprechend des Wolffschen Gesetzes [34], wie bereits in der Literatur für andere Spantechniken beschrieben [19]. Der knöcherne Umbau erfolgt dabei in Abhängigkeit von der Belastung, wobei der Knochen in nicht belasteten Arealen abgebaut wird. Bei 8 Patienten wurden keine Zeichen einer glenohumeralen Instabilitätsarthrose beobachtet. Zwei Patienten zeigten eine Grad-I-Instabilitätsarthrose und ein Patient eine Grad-II-Instabilitätsarthrose nach Samilson und Prieto [24]. Bei den restlichen 4 Patienten kam es zu keiner Progredienz einer präoperativ bestehenden Grad-I-Arthrose. Komplikationen wurden bei 2 Patienten beobachtet. Bei einem Patienten persistierte ein subjektives Instabilitätsgefühl ohne Rezidivluxation. Dieser Patient wurde mit einer arthroskopischen Kapselraffung versorgt. Intraoperativ zeigte sich ein fast komplett mit Faserknorpel bedeckter Knochenspan. Ein zweiter Patient berichtete von einer temporären Hypästhesie an der Entnahmestelle über der Crista iliaca.
Langzeitergebnisse der anatomischen autologen Glenoidrekonstruktion stehen für die arthroskopische Technik allerdings noch aus und liegen bisher ausschließlich nach offener Spanplastik vor. Diese zeigen gute klinische und radiologische Ergebnisse mit weiterhin geringen Rezidivraten von 0–4,7 % [3, 6, 30]. Allerdings wurde eine partielle Insuffizienz des Musculus subscapularis nach der offenen Vorgehensweise beobachtet [26, 30]. Eine Instabilitätsarthrose wurde bei 17–28 % der Patienten erfasst [3, 30].
Sowohl die offenen als auch die arthroskopischen Verfahren sind jedoch teilweise vergesellschaftet mit Komplikationen an der Entnahmestelle des Knochenblocks wie Infektionen, Frakturen, Hypästhesien und chronische Schmerzen. Um diese Entnahmemorbiditäten zu reduzieren, evaluierten erste Studien die Verwendung von allogenem Knochenmaterial mit Crista-iliaca-, Femurkopf- und distalen Tibia-Präparaten. Vielversprechende klinische und radiologische Kurzzeitergebnisse wurden dabei beobachtet [16, 20, 21, 33, 35]. Wie für die autologe Glenoidrekonstruktion beschrieben, zeigte sich dabei auch mit dem allogenen Knochenmaterial eine erfolgreiche ossäre Konsolidierung und ein Remodellierungsprozess [16, 19, 33, 35]. Die Ergebnisse weiterer Studien mit größeren Fallzahlen und längeren Nachuntersuchungszeiträumen bleiben abzuwarten.
Interessenkonflikt: P. Moroder und M Scheibel sind als Berater/Instruktor/Produktentwickler für Arthrex Inc. tätig.
Korrespondenzadresse
Univ.-Prof. Dr. med. Markus Scheibel
Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie
Charité-Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
markus.scheibel@charite.de
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Fussnoten
1 Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité-Universitätsmedizin Berlin