Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017

Arthroskopische anatomische Gelenkrekonstruktion mit autologer Spanplastik
Arthroscopic anatomic glenoid reconstruction using autologous iliac crest bone graft

Über das anteroinferiore Portal erfolgt anschließend das Einbringen des Knochenblocks. Um die Spanpassage zu ermöglichen, wird zunächst die Drehkanüle entfernt und die Hautinzision um circa 1 cm erweitert. Der anteroinferiore Zugang wird zudem unter arthroskopischer Sicht durch das posteriore Portal dilatiert. Ein Faden des Fadenankers wird extrahiert, durch den Knochenblock geführt und am Fadenende mit Knoten fixiert, sodass der Span mit einer geraden Fasszange und simultanem Zug am distalen Faden im Flaschenzugprinzip eingebracht und anatomisch korrekt zwischen dem Skapulahals, dem Musculus subscapularis und Kapsel-Labrum-Komplex positioniert werden kann. Ein Taststab wird über das posteriore Portal und die Kamera wieder über das anterosuperiore Portal eingeführt. Unter direkter Visualisierung kann die Oberfläche des Spans so dem Glenoidniveau angeglichen werden (Abb. 6a). Ein signifikanter lateraler Überstand sollte nach der endgültigen Spanfixierung abgetragen werden. Die Drehkanüle wird wieder in das anteroinferiore Portal eingebracht und die erweiterte Inzision zugenäht, um eine Kanülenlockerung während der weiteren Arbeitsschritte zu verhindern.

Für die temporäre und spätere permanente Fixierung des Knochenspans am Glenoid wird eine spezielle Bohrhülse (Twist-Drill Guide, Arthrex, Naples, Florida) verwendet. Diese besteht aus einer Kirschner-Drahtführungshülse und einer Bohrhülse. Der Twist-Drill Guide wird über das tiefe anteroinferiore Portal eingebracht und am kaudalen Ende des Knochenblocks mit leichtem Druck positioniert, sodass die K-Drahtführungshülse in Richtung des superioren Glenoidrands zeigt. Der Span wird zunächst temporär in der anatomisch korrekten Position fixiert durch Einbringen eines 1,0 mm K-Drahts anteroposterior über die K-Drahtführungshülse. Zur zusätzlichen Rotationsstabilität wird perkutan ein 1,6 mm K-Draht am kranialen Spanende eingefügt. Ein zweiter 1,0-mm-K-Draht wird über die eigentliche Bohrhülse innerhalb des kanülierten Bohrers eingebracht, um eine parallele Ausrichtung zu gewährleisten. Unter direkter Visualisierung wird der zweite, inferiore K-Draht mit dem kanülierten Bohrer überbohrt (Abb. 6b). Ein Gewindeschneider wird über den K-Draht geführt, das Gewinde manuell geschnitten und anschließend inklusive des K-Drahts entfernt. Die erste 3,0–3,7 x 26 mm Bio-Kompressionsschraube (Arthrex, Naples, Florida) wird nun zur permanenten Fixierung 1–2 mm unterhalb des Kortikalisniveau versenkt (Abb. 6c).

Nachdem die erste kaudale Schraube gesetzt ist, wird der Twist-Drill-Guide über den sich noch in der K-Drahtführungshülse befindlichen K-Draht um 180° gedreht, sodass die Bohrhülse superior und parallel zur ersten Schraube zum Liegen kommt (Abb. 7a). Bei einer rechten Schulter erfolgt die Drehung dementsprechend im Uhrzeigersinn und bei einer linken Schulter entgegen des Uhrzeigersinns, wobei der K-Draht in der K-Drahtführungshülse als Rotationszentrum fungiert. Die zweite Bohrung erfolgt in gleicher Vorgehensweise parallel und superior zu der Ersten. Mit Einbringen der zweiten Bio-Kompressionsschraube wird die endgültige Fixierung des Spans erreicht (Abb. 7b). Abschließend wird die Oberfläche des Spans mit einer Fräse auf das ossäre Glenoidniveau reduziert.

Im letzten Schritt erfolgt die Kapsel-Labrum-Rekonstruktion inferior und superior des Spans mit 2 knotenlosen Fadenankern. Der Kapsel-Labrum-Komplex wird zuerst inferior mit einem 25°-Suture-Lasso (Arthrex, Naples, Florida) durchstochen und ein
FiberWire No. 2 (Arthrex, Naples, Florida) als Schlaufe eingebracht. Durch Zug an diesem Faden kann ein zweiter Faden noch etwas weiter inferior eingebracht werden. Beide Fäden werden dann mit dem anteroinferioren Labrum am Glenoidrand über einen knotenlosen Anker befestigt. Die Spannung kann dabei durch manuellen Zug angepasst werden. Der superiore 1,6-mm-K-Draht wird entfernt und die Fäden des initial zur Spanführung am Skapulahals eingebrachten Ankers werden abgeschnitten, sodass auch das anterosuperiore Labrum über 2 Fäden und einen knotenlosen Fadenanker am Glenoid refixiert werden kann. Die Kapsel-Labrum-Rekonstruktion führt zu einer partiellen Deckung des Spans und ermöglicht so die vollständige Wiederherstellung der Glenoidanatomie (Abb. 7c).

Nach Abschluss der Beckenkammspanplastik erfolgt die arthroskopische Versorgung möglicher glenohumeraler Begleitverletzungen wie Rotatorenmanschettenläsionen, chondralen Läsionen, Bizepssehnenpathologien oder HAGL-Läsionen (humeral avulsions of the glenohumeral ligaments). Abschließend werden die Arthroskopieportale standardmäßig verschlossen.

Nachbehandlung

Der Arm wird postoperativ für 6 Wochen immobilisiert. In diesem Zeitraum sollte eine ausschließlich passive Mobilisierung mit limitierter Flexion und Außenrotation im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung erfolgen. Aktive Bewegungsübungen werden ab der siebten postoperativen Woche empfohlen. Mit Beginn der zwölften Woche sollte eine gezielte Kräftigung der schulterstabilisierenden und skapulothorakalen Muskulatur erfolgen. Nach individueller Beurteilung wird die Wiederaufnahme eines sportspezifischen Trainings etwa 6 Monate postoperativ empfohlen.

Ergebnisse

Fünfzehn Patienten mit rezidivierender anteroinferiorer glenohumeraler Instabilität und substanziellem Glenoiddefekt wurden in dieser Technik versorgt und anschließend prospektiv über einen Zeitraum von durchschnittlich 20,6 (12–65) Monaten nachuntersucht [13]. Bei 5 Patienten lag ein Typ-II-Defekt und bei 10 Patienten ein Typ-III-Pfannenranddefekt vor. Acht der 18 Patienten waren bereits 1–4-mal voroperiert. Zum Zeitpunkt der finalen Nachuntersuchung zeigten alle Patienten ein stabiles Schultergelenk ohne rezidivierende Instabilitätsereignisse und mit einem negativen Apprehensions-Zeichen. Der Vergleich des Bewegungsumfangs der betroffenen Seite zur Gegenseite wies keinen signifikanten Unterschied auf. Auch die klinische Evaluation mit subjektiven und objektiven Schulterscores inklusive des Constant-Score, Rowe-Score, Subjective Shoulder Value und Western Ontario Shoulder Instability Index zeigte sehr gute bis exzellente Ergebnisse. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass es sich bei der Mehrheit der Patienten um Revisionseingriffe handelte. Radiologisch zeigte sich in den Computertomografie-Aufnahmen eine erfolgreiche knöcherne Konsolidierung der Beckenkammspäne bei allen Patienten. Zudem wurde im Verlauf eine partielle extraartikuläre Spanresorption beobachtet.

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