Übersichtsarbeiten - OUP 11/2017
Arthroskopische anatomische Gelenkrekonstruktion mit autologer SpanplastikArthroscopic anatomic glenoid reconstruction using autologous iliac crest bone graft
Substanzielle Erosionsdefekte (Typ
IIIb), welche sich als instabilitätsrelevante Hauptpathologie darstellen.
Chronische Fragmentdefekte (Typ II), bei denen sich durch eine Mobilisation und Refixation des Fragments keine Wiederherstellung der Glenoidfläche und Pfannenkonkavität erreichen lässt.
In seltenen Fällen bei einer nicht rekonstruierbaren akuten, mehrfragmentären Glenoidfraktur (Typ Ic).
In Revisions-Situationen, z.B. nach gescheiterter Weichteilstabilisierung, kann eine Knochenspanplastik auch bei kleineren glenoidalen Knochendefekten (Typ IIIa) indiziert sein.
Weitere Faktoren, wie zum Beispiel das Vorhandensein, die Größe und Lage einer Hill-Sachs-Läsion, andere instabilitätsassoziierte Begleitverletzungen sowie das Patientenalter und Aktivitätslevel sollten bei der Indikationsstellung mit einbezogen werden.
Präoperative Beurteilung
Die ausführliche Anamnese zu Art und Häufigkeit der Schulterluxationen erlaubt eine Einschätzung des Schweregrads der glenohumeralen Instabilität. So lassen Schulterreluxationen bei Bagatelltraumata bzw. atraumatische Reluxationen und ein persistierendes Instabilitätsgefühl nach erlittener primärer traumatischer Luxation auf eine eventuelle Pathologie des vorderen Glenoidrands schließen und sollten sowohl klinisch als auch radiologisch weiter abgeklärt werden. Mithilfe verschiedener Tests lässt sich der Grad der ventralen Schulterinstabilität beurteilen. Vor allem ein positives Apprehensions-Zeichen, bei dem der Untersucher Druck auf den Humeruskopf bei abduzierten und außenrotierten Arm von dorsal nach ventral ausübt und dadurch ein Unbehaglichkeitsgefühl beim Patienten provoziert, ist richtungsweisend in der Diagnostik einer Schulterinstabilität [23]. Weiterhin können der Relokations- und der Surprise-Test durchgeführt werden, um eine Schulterinstabilität zu verifizieren [4, 29]. Unerlässlich in der Diagnostik und Therapiefindung ist zudem eine Evaluierung der Beweglichkeit der Schulter und der individuellen Laxität.
Bezüglich der radiologischen Diagnostik ist das Röntgen zur groben Beurteilung der knöchernen Strukturen von der Schnittbildgebung mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) zu unterscheiden. Die Röntgendiagnostik dient vor allem in der Akutsituation dem Ausschluss von Frakturen, sowie vor und nach der Reposition der Bestimmung der Luxationsrichtung bzw. der Beurteilung des Repositionsresultats. Mithilfe axialer- oder Bernageau-Aufnahmen im Seitenvergleich kann jedoch auch eine erste Einschätzung zur Glenoidkonfiguration getroffen werden. Die Unterbrechung der subchondralen Sklerosezone weist dabei auf einen vorderen Pfannenranddefekt hin [12]. Von großer Bedeutung in der Diagnostik der chronischen Schulterinstabilität und zur Beurteilung der knöchernen Strukturen ist die Computertomografie. Zur Lokalisierung und Beurteilung des Defektausmaßes, sowie zur Identifikation möglicher Fragmente empfiehlt sich eine Dünnschicht-CT mit 3D-Rekonstruktion des Glenoids und Subtraktion des Humeruskopfs im Seitenvergleich (Abb. 1). Die MRT wird zur Beurteilung weichteiliger Begleitverletzungen durchgeführt und wird im eigenen Vorgehen vor allem nach einer primärtraumatischen Schulterluxation und bei fehlendem Verdacht auf knöcherne Begleitpathologien durchgeführt.
Operative Technik
Der Patient wird in Seitenlage positioniert und der Arm im Doppelarmhalter in 30° Abduktion und 20° Außenrotation mit zusätzlicher horizontaler und vertikaler Zugbelastung fixiert (Abb. 2). Diese Lagerung bewirkt eine Aufweitung des Glenohumeralgelenks und ermöglicht somit eine optimale Einsicht des anteroinferioren Pfannenrands. Der Arm und der ipsilaterale Beckenkamm werden steril gewaschen und abgedeckt (Abb. 2). Es werden 4 Arbeitsportale für diese Technik benötigt; ein dorsales Standardportal, ein anterosuperiores, ein anteroinferiores und ein tiefes anteroinferiores Portal (Abb. 3).
Über das dorsale Standardportal erfolgt zunächst eine diagnostische Arthroskopie. Mögliche Begleitverletzungen können dabei identifiziert werden. Diese sollten jedoch erst nach der Spanplastik adressiert werden, um eine Schwellung des Weichteilgewebes zu verhindern. Der anteriore und anteroinferiore Glenoidrand sowie der Kapsel-Labrum-Komplex können zur Beurteilung des Defektausmaßes durch das anterosuperiore Portal visualisiert werden. Bei substanziellen Pfannenranddefekten imponiert ein sog. „inverted-pear“ oder bananenförmiges Glenoid [5].
Das weitere Vorgehen ist abhängig von der Art des Glenoiddefekts. Bei Vorliegen einer ALPSA-Läsion (anterior labroligamentous periostal sleeve avulsion) in Kombination mit einem Erosionstypdefekt (Typ III) wird das Labrum vom Skapulahals elektrothermisch mobilisiert. Fragmenttypdefekte (Typ II) mit einem, in extraanatomischer Position konsolidiertem oder pseudarthrotischem Fragment, werden je nach Größe und Lokalisation des Fragments behandelt. Kleinere Fragmente werden entfernt, um eine plane Kontaktfläche für die spätere Fixierung des Knochenblocks am Skapulahals zu schaffen. Mit dem Labrum verbundene Fragmente können nach der Spanplastik zusammen mit dem Kapsel-Labrum-Komplex gegen den Knochenblock am Glenoid refixiert werden. Größere Fragmente, welche in medialer Position mindestens 1 cm von der Gelenkoberfläche entfernt verheilt sind, können belassen werden. Als zusätzlicher Stabilisator wirken sie einer medialen Dislokation des Spans entgegen und erleichtern somit auch seine Fixierung. Im seltenen Fall einer multifragmentären Glenoidfraktur werden freie osteochondrale Fragmente entfernt, während mit dem Labrum verbundene Fragmente belassen und später gegen den Span refixiert werden.
Unter Visualisierung durch das anterosuperiore Portal erfolgt zunächst die Präparation des Skapulahalses und Mobilisierung des Kapsel-Labrum-Komplexes (Abb. 4a). Der Skapulahals wird mit einer Hochfrequenzfräse vorbereitet, um eine plane Kontaktfläche zu schaffen und die Einheilung des Spans durch Anfrischen des Knochens zu unterstützen (Abb. 4b). Angrenzende chondrale Defekte werden abgetragen und, falls notwendig, am Ende der Spanplastik mit einer Mikrofrakturierung adressiert.
Der trikortikale Knochenspan wird am ipsilateralen Beckenkamm entnommen (Abb. 5a). Die Länge und Breite des Knochenblocks entsprechen dem supero-inferioren und antero-posterioren Defektausmaß. In der Regel werden die Maße 2–3 cm x 1–1,5 cm x 1–1,5 cm verwendet. Die Inzision am Beckenkamm wird nach Einbringen einer Redon-Drainage standardmäßig verschlossen. Der Span wird von Weichteilgewebe befreit und entsprechend angepasst (Abb. 5b). Um das Einbringen in das Gelenk und die anatomische korrekte Positionierung zu erleichtern, wird der Span außerdem mit einem Bohrer zentral perforiert. An der korrespondierenden Lokalisation wird am Skapulahals ein Fadenanker eingebracht.